Freitag, 17. Mai 2024

«Es ist alles gut!»

Familie Graf: Andreas, Manuel, Nicola und Christin, wohnen in Brienz
Der Alltag von Christin und Andreas Graf war lange Zeit herausfordernd. Ihre zwei Jungs, die mit Beeinträchtigungen leben, brauchten viel Zeit und Aufmerksamkeit. Heute geht es darum, wie und wo die beiden Teenager leben und arbeiten werden.

Christin Graf ist mit Andreas, meist Dres genannt, verheiratet. Sie leben mit ihren beiden Söhnen in Brienz.

Das Familienmotto

2005 wurde Manuel geboren. Er schien gesund, es gab keinen Anlass zur Sorge. Sechzehn Monate später kam Nicola zur Welt. Als Christin nach der Geburt nach dem Zustand ihres Babys fragte, antwortete Dres: «Es ist alles gut!» Diese Aussage sollte zu einem Motto werden. Als dann bei Nicola Trisomie 21 diagnostiziert wurde, dauerte es eine Weile, bis die Eltern zu einem «Es ist alles gut!» fanden. Während bei Nicola die Beeinträchtigung offensichtlich war, wurde die langsame Entwicklung bei Manuel lange Zeit sorgenlos beobachtet. «Erst als er mit zwei Jahren noch nicht laufen konnte, gingen wir mit ihm zur Kinderärztin», erinnert sich Christin. Ein Jahr später traten gesundheitliche Probleme auf, doch die zahlreichen Untersuchungen blieben lange ergebnislos. Schliesslich musste Manuel an den Nieren operiert werden. Eineinhalb Jahre mit unzähligen Arztterminen verstrichen.

«Erst als er mit zwei Jahren noch nicht gehen konnte, gingen wir mit ihm zur Kinderärztin.»

Aus Jungs werden Männer

Es folgten intensive Kinderjahre. Nicola musste zur Physiotherapie und beide Jungs wöchentlich zur Logopädie begleitet werden. Die Eltern von Christin und auch von Dres halfen tatkräftig mit. Christin betont, wie sie mit ihren Sorgen zu Gott kommen, seine Nähe erfahren und bei ihm Kraft schöpfen konnte. Als Manuel und Nicola älter wurden, benötigten sie weniger Betreuung. Nicola konnte teilweise sogar die Regelschule besuchen. Nach unkomplizierten Jahren stellen sich nun wieder neue Fragen. Manuel hat die Schule bereits verlassen und arbeitet seit Juli auf Bauernbetrieben. Auch für Nicola gilt es, die nächste Lebensphase zu planen. Werden sich die beiden in der Gesellschaft integrieren können?

Der Verein insieme21

Eltern von Kindern mit einer Beeinträchtigung sind auf Unterstützung angewiesen. Während bei Manuel ausser ADHS und autistischen Anteilen keine eindeutige Diagnose vorliegt, war die Situation bei Nicola stets eindeutig. Dies vereinfachte vieles. Kurz nach Nicolas Geburt hatte eine flüchtige Bekannte ihre Hilfe angeboten. Sie war selbst Mutter eines Kinds mit DownSyndrom und lud die Grafs zu einem Treffen des Vereins insieme 21 ein. Der Verein insieme unterstützt Personen mit einer geistigen Beeinträchtigung, insieme21 ist ein Teil dieses Vereins und auf Menschen mit Trisomie 21 und deren Angehörige ausgerichtet. Wenig später wurden Grafs Mitglied von insieme21 und 2014 übernahm Christin die Regionalleitung im Berner Oberland.

«98 Prozent der Kinder, bei denen während der Schwangerschaft Trisomie 21 diagnostiziert wird, werden heute abgetrieben.»

Ein glückliches Leben «wäre» möglich

«Als erstes besuchte ich alle Frauenärzte in der Umgebung», erzählt Christin. Das Hauptengagement des Vereins umfasst Hilfe für Paare, die während der Schwangerschaft die Diagnose Trisomie 21 erhalten. Doch auch in den Monaten nach der Geburt sind Betroffene dankbar für die Hilfe. «Vereinzelt melden sich Eltern, deren Kind mit Down-Syndrom bereits mehrere Jahre alt ist», erklärt Christin. Für viele sei es eine Entlastung, sich mit Menschen in ähnlichen Situationen austauschen zu können. Wenn eine Familie beispielsweise einen geeigneten Logopäden suche, finde sich bestimmt eine andere, die weiterhelfen und von ihren Erfahrungen berichten könne. «98 Prozent der Kinder, bei denen während der Schwangerschaft Trisomie 21 diagnostiziert wird, werden heute abgetrieben», weiss Christin. Besonders betroffen mache sie dies, weil viele dieser Menschen trotz ihrer Beeinträchtigung ein gesundes und glückliches Leben führen könnten.

«Im Mannschaftssport ist die Integration von Kindern mit Beeinträchtigung eine grosse Herausforderung. Schliesslich wollen Kinder gewinnen.»

Mannschaftssport für alle

«Im Mannschaftssport ist die Integration von Kindern mit Beeinträchtigung eine grosse Herausforderung. Schliesslich wollen Kinder gewinnen», erklärt Christin. Als sie erfahren habe, dass in Luzern Fussball für Kinder mit Down-Syndrom angeboten wird, war sie derart begeistert, dass sie kurzum auch im Berner Oberland einen solchen Fussballverein gründete. Sie fand einen Fussballtrainer – und heute spielt der Club an Turnieren von Special-Olympics. Hier sind alle wichtig, unabhängig ihrer Beeinträchtigung. An dieser Stelle lobt Christin Clubs, die sich sozial engagieren, beispielsweise der FC Thun. Mit besagtem Verein fühlt sich Nicola besonders verbunden. Von verschiedenen Spielern ergatterte er Trikots und wurde aus den Reihen des FC Thun einmal liebevoll als «so etwas wie das Maskottchen vom FC Thun» bezeichnet.

Über insieme21

Der Verein insieme21 engagiert sich in regionalen Sektionen für Menschen mit Trisomie 21 und deren Angehörige. Die Teams unterstützen betroffene Familien, vermitteln Informationen und Kontakte mit anderen Familien. Erfahrungen werden ausgetauscht und Freundschaften geknüpft. Als Mitglied von insieme Schweiz fördert insieme21 auch europaweit den Austausch zwischen Forschung, Fachpersonen und Eltern. Ziel ist eine inklusive Gesellschaft, in der Menschen mit Trisomie 21 ernstgenommen und bestmöglich unterstützt werden.

Haben Sie Fragen oder möchten Sie Teil werden? Mehr zum Verein finden Sie hier: insieme21.ch

Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Hope Regiozeitungen