«Das Hier und Heute ist Gold wert!»

Andreas Ritschard
Mitte September erschien das sechste Studioalbum «Lieblingslieder» von Ritschi. In einem persönlichen Interview sprach der Solokünstler und einstige Plüsch-Frontman über seine Gefühle, sozialen Engagements und was man von Kindern lernen kann.

«Ich glaube an Energie und an das, was mir ein Gewissen macht», sagt Ritschi, der mit vollem Namen Andreas Ritschard heisst. Der Mundartsänger wuchs in einem christlichen Umfeld auf, besuchte die Jungschar und Sonntagsschule. Seine Eltern gehörten der Evangelisch-methodistischen Kirche EMK Interlaken an. Er hat den Eindruck, dass jene Zeit sein Verhalten bis heute prägt. «Es ist wichtig, sich den Mitmenschen gegenüber respektvoll zu verhalten. Auch bin ich überzeugt, dass Dinge geschehen, die wir nicht erklären können, und habe dies selbst schon erlebt.»

Der 46-jährige Sänger erinnert sich an seine Lehrabschlussreise ins Ausland: «Wir hatten gerade die Grenze überquert, als ich meine Freunde fragte: ‹Wenn wir jetzt nie mehr nach Hause kämen, was würdet ihr am meisten vermissen?›» Sofort folgten die Begriffe Wälder, Seen, Schokolade, Berge und Wein. Daraus entstand 2002 der Hit «Heimweh». Ritschi bekräftigt: «Das hat mein Leben komplett verändert.»

Getriggert durch soziale Medien

Die Vergleiche mit Plüsch hat er nicht so gerne. «Wenn jemand behauptet, dass ich mit meiner Solokarriere weniger erfolgreich sei, gibt mir das einen Stich ins Herz», bekennt der Interlakner. Das zeigt seine Feinfühligkeit, dennoch ist ihm bewusst, dass er nur sich selbst etwas beweisen muss: «Die Probleme am Montagmorgen machst du mit dir aus, da schenkt dir niemand ein ‹Gefällt mir›.»

«Die Probleme am Montagmorgen machst du mit dir aus, da schenkt dir niemand ein ‹Gefällt mir›.»

Mitte September hat Ritschi sein sechstes Studioalbum «Lieblingslieder» herausgebracht. «Achterbahn» ist einer der neuen Songs. Inspiriert wurde dieser durch die sozialen Medien. «Sie triggern mich sehr. Dann passiert etwas in mir, das mir nicht gefällt: Ich werde neidisch und vergleiche mich», sagt der Sänger. In diesem Lied verarbeitet er solche Gedanken. Ein Tipp, den er gerne weitergibt: am Morgen die eigenen Fotos anschauen, statt durch das Leben von anderen zu scrollen. «So kannst du dich über deine Erfolge und Entwicklungen freuen.»

«Chill mal, Alte!»

Ein weiteres Lied auf dem Album: «Die letschte Mal». Es dreht sich wortwörtlich um die letzten Male, die man immer wieder verpasst. Ritschi geht es darum, mehr im Moment zu leben. «Ich habe viel zu wenig geschätzt, was ich in gewissen Momenten erleben durfte. Das Hier und Heute ist Gold wert», philosophiert der zweifache Familienvater. Im Umgang mit seinen Kindern sei er achtsamer.

Was man von Kindern lernen kann? «Chill mal, Alte!», kommt es wie aus der Pistole geschossen. Diese Aussage liess er sich auf ein T-Shirt drucken. Sie stammt von seinem 13-jährigen Sohn. An einem kalten Montagmorgen habe Ritschi ihn im Stress angewiesen, eine Jacke anzuziehen. «Als er dann gegangen war, habe ich mich gefragt: Ja, was ist eigentlich los mit mir?» Eine weitere solche Situation ereignete sich beim Mittagessen mit der Tochter, als er sie  zurechtwies und darum bat, gerade zu sitzen. Die junge Dame kommentierte knapp: «Chum mal obe abe!» Erst im zweiten Moment konnte der Vater diese Aussage akzeptieren und dachte darüber nach, dass er besser die gemeinsame Mahlzeit mit ihr genossen hätte. «Die Kinder können einem manchmal schon den Wind aus den Segeln nehmen mit ‹Chill mal, Alte!›»

Engagiert in sozialen Projekten

Apropos Kinder: Der Sänger engagiert sich für diverse Projekte – eines davon ist «Hörschatz». Der Verein ermöglicht sterbenskranken Müttern und Vätern mit minderjährigen Kindern in der Schweiz professionelle Audiobiografien. Das können schöne und unschöne Erinnerungen sein. Eine Geschichte erzählt Ritschi gleich selbst. Er hat sie hautnah mit einer jungen Mutter erlebt, die an Brustkrebs erkrankt war. Sie sei ein grosser Plüsch-Fan gewesen. 2024 war Ritschi mit seiner ehemaligen Band auf Nostalgie-Tour gewesen – die letzten gemeinsamen Auftritte…

«Kolleginnen der Frau schrieben mir, ob ich ihr den Song ‹Häbs guet› widmen könne. Ich lehnte dies ab, da sie viel mehr verdiente als eine Widmung an einem Konzert.» Die Mutter besuchte schliesslich mit ihrer Familie eine Bandprobe, wo sie das Lied gemeinsam sangen. «An ein Konzert konnte sie leider nicht mehr kommen, da sie während der Tour starb», erzählt Ritschi nachdenklich. Derartiges stimme ihn demütig. Er hält fest: «Solche Engagements helfen mir auch, mich selbst weiterzuentwickeln.»

«Erfolg ist für mich dieser Moment, wenn ich an einem Konzert einen Song spiele, den niemand kennt – und den Leuten Tränen übers Gesicht laufen.»

Wenn Tränen übers Gesicht laufen

Dass Ritschi sehr bodenständig ist, davon zeugen auch folgende Worte: «Du brauchst nicht die Masse, um glücklich zu sein. Viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass das, was du gerade machst, etwas Einmaliges ist.» Er habe auch schon vor 10’000 Leuten gespielt, aber für ihn bedeute Erfolg etwas anderes: «Erfolg ist für mich dieser Moment, wenn ich an einem Konzert einen Song spiele, den niemand kennt – und den Leuten Tränen übers Gesicht laufen.»

Viele sähen in ihm den locker-flockigen, fröhlichen Typen. Er selbst würde sich nicht so beschreiben, korrigiert Ritschi: «Ich bin selbstreflektiert, hypersensibel und harmoniebedürftig. Diese Eigenschaften habe ich als Stärke anerkannt.» Betrete beispielsweise jemand einen Raum, spüre er eine Energie – so auch bei den Bandproben für die laufende Tournee. Was noch auf seiner Bucketlist stehe, wollen wir zum Schluss wissen … «Glücklich und ein guter Vater sein und damit die Leute anstecken!»

RITSCHI LIVE ERLEBEN

22.11.2025
Herzogenbuchsee, KreuzKeller (ausverkauft)

05.12.2025
Wetzikon, Scala

06.12.2025
Aarau, AHA

31.01.2026
Ebnat-Kappel, Dömli

06.02.2026
Rubigen, Mühle Hunziken

07.02.2026
Hasliberg, Hotel Wetterhorn

Autor: Florian Wüthrich, Nora Baumgartner
Quelle: Hope Regiozeitung