Montag, 29. April 2024

«Durchaus hoffnungsvoll»

Lo & Leduc
Mit ihrem Megahit «079», der zur erfolgreichsten Single der Schweizer Hitparaden-Geschichte avancierte, stiegen Lorenz Häberli und Luc Oggier in die oberste Schweizer Pop-Sphäre auf. «Hope» traf das Mundart-Popduo zu einem philosophischen Gespräch.

Hope: Am 18. Februar 2022 habt ihr mit «Mercato» erstmals nach vier Jahren wieder ein Album veröffentlicht. Wie ist es, nach so langer Zeit wieder live vor Publikum zu stehen?
LUC: Sehr schön, wir haben Freude, dass Konzerte wieder möglich sind. Aber ich glaube, es dauert jetzt mindestens so lang, wie die Pandemie, bis sich die Clubs wieder richtig füllen. Viele Menschen haben ihren Alltag umgestellt, natürlich aus legitimen Gründen.

Der Song «Taxi Taxi» handelt von einem Aufbruch. In einer Strophe stellt ihr auch die Frage: «Wer ist Jesus?» Was steckt dahinter?
LORENZ: Es geht um einen Aufbruch, eine Veränderung, die weniger mit dem Standort, sondern vielmehr mit dem Standpunkt zu tun hat. Obschon wir als Transportmittel ein Taxi wählten, geht es hier um Haltung. Und mit «Wer ist Jesus?» geht es um die Frage, wer emphatisch ist und wer hilft.
LUC: Jeder interpretiert seine eigenen Gefühle in die Songs. Das ist sehr wichtig. Jede Form von Kultur ist erst vollkommen, wenn sie rezipiert wird. Deshalb gibt es auch keine eindeutige Deutung.

«Jeder interpretiert seine eigenen Gefühle in die Songs. Das ist sehr wichtig.»

In «Zwüschezit» wird die Melancholie zelebriert. Besingt ihr hier die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit?
LUC: Dieser Song handelt von Nähe. Für mich geht es weniger um Sehnsucht und Wünsche, sondern eher um ein Beobachten. Kein Hungern nach etwas, sondern ein Bewusstwerden, wann etwas nahe ist oder vielleicht auch unreflektiert. Also keine grossen Liebessehnsüchte, sondern Alltagsszenarien, wie einen Moment in der S-Bahn.
LORENZ: Im Vergleich zu «Taxi Taxi» handelt es sich hier weniger um eine Sehnsucht, sondern eine Tatsache. Die Liebe ist da und wir schauen ihre Fragilität und Tiefe an.

Mit dem Song «Melodie» nehmt ihr die Illusion der Herkunft auf. Was meint ihr damit und was bedeutet das für unsere Zukunft?
LUC: Nun, nationale Grenzen sind natürlich keine Illusion, sondern harte Realität. Illusorisch sind damit verbundene Zugehörigkeitsgefühle und Abschottungsfantasien. Die Überwindung dieser Grenzen scheint mir notwendige Utopie. Utopisch wird meist negativ verwendet und klingt nach etwas Unrealistischem. Doch ich bin überzeugt, dass wir uns an Utopien orientieren müssen, damit wir uns zumindest einer hoffnungsvollen Zukunft annähern.

Markus Hänni im Gespräch mit Lo & Leduc

Parallel mit eurem Erfolg stiegen auch die Erwartungen. Wie geht ihr mit diesem Druck um?
LUC: Wenn man den Erwartungen hinterherrennt, kommt es nie gut. Man muss sich so gut wie möglich von Erwartungen, die von aussen kommen, lösen und eigene Ziele setzen.
LORENZ: Man muss klar differenzieren. Unser Ziel ist nicht primär einen Song zu haben, der zum Megaerfolg wird. Unser Wunsch ist, dass unsere Songs an und für sich perfekt sind, obwohl dieser Zustand gar nicht existiert. In dem Moment, in dem man nicht mehr weiss, was man anders oder besser machen könnte, hört man vielleicht einfach auf Musik zu machen.

«Ich bin überzeugt, dass wir uns an Utopien orientieren müssen, damit wir uns zumindest einer hoffnungsvollen Zukunft annähern.»

2021 habt ihr mit «Argumänt» eine Hommage an den Schweizer Schriftsteller und Theologen Kurt Marti veröffentlicht. Im Zentrum dieses Lieds zu Ehren des Berner Pfarrers steht der Tod. Wie kam es dazu?
LUC: Kurt Marti nutzte seinen Resonanzraum immer wieder für kritische, politische und polarisierende Themen. Sowohl der Inhalt als auch die Form seiner Lyrik ist somit für uns inspirierend. Das Gedicht, welches wir vertonten, war uns sofort ins Auge gesprungen.
LORENZ: Unserer Gesellschaft täte es gut, wenn wir den Tod wieder mehr in die Mitte holen würden, anstatt ihn zu verdrängen. Leider wird dieser Zustand auch durch ganz banale bürokratische Absurditäten gestützt, indem man beim Tod eines Familienangehörigen in gewissen Fällen nur einen bis maximal drei freie Tage bekommt und einem so für Trauer und Abschied keine Zeit bleibt.

Ihr seid Sympathieträger. Zu euch kommt man an Konzerte, um eine gute Zeit zu haben. Versteht ihr euch auch als Hoffnungsträger?
LORENZ: Als Hoffnungsträger sicher nicht. Aber wir haben uns vor der jetzigen Konzerttour intensiv Gedanken über unsere Auftritte gemacht. Der Kontrast zwischen Freude und Leid ist für viele Menschen grösser als auch schon. Dabei sind wir zur Überzeugung gelangt, dass es diese Abende braucht. Nur, wenn man auch zu seinem eigenen emotionalen und energetischen Haushalt schaut, kann man solidarisch sein.

Was bedeutet euch persönlich Hoffnung?
LUC: Hoffnung ist sehr wichtig, weil man ohne sie verloren ist, als Gesellschaft und Individuum. Vieles stimmt einen traurig und macht ratlos, so auch die Diskussionen über Aufrüstung, in der meine Hoffnung nicht zu verorten ist. Aber generell blicke ich hoffnungsvoll in die Zukunft.
LORENZ: Auch ich habe Hoffnung, obschon sich vieles in die falsche Richtung entwickelt. Wir leben aber in einem sehr privilegierten Land. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen können wir all das Schlimme, was auf diesem Planeten geschieht, auch immer wieder ignorieren. Das macht Hoffen natürlich einiges einfacher, obwohl auch wir Hoffnung nötig haben.

«Hoffnung ist sehr wichtig, weil man ohne sie verloren ist, als Gesellschaft und Individuum.»

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft. Wird Lo & Leduc bald international durchstarten?
LUC: Wachstum ist nicht unser treibender Faktor. Aber einen Song in einer anderen Sprache zu bringen, schliessen wir nicht kategorisch aus. Es müsste einfach passen.

Zu den Konzertdaten 2022:
lo-leduc.ch

Autor: Markus Hänni
Quelle: Hope-Zeitungen