Trost im Leben und Sterben
Regelmässig streiten sich Christen um die Bibel und ihre Auslegung. Dann scheint es immens wichtig zu sein, ob man an eine Sechs-Tage-Schöpfung glaubt oder nicht, wie der eigene Endzeitfahrplan aussieht oder wie man verschiedene ethische Fragen für sich beantwortet. Solche Auseinandersetzungen sind durchaus okay – sie können hilfreich sein und zum Weiterdenken anregen. Wenn allerdings jemand schwer krank wird oder gar im Sterben liegt, haben sie plötzlich keine Bedeutung mehr.
Auf dem Sterbebett diskutiert niemand, ob Psalm 23 wirklich von David verfasst oder ihm eher zugeschrieben wurde. Wenn in dieser Situation jemand die Bibel aufschlägt und liest «Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln…», dann entfalten diese Worte einfach Gottes Kraft und Trost. Er selbst begegnet uns dann in einfachen und starken Bildern, die Mut machen für schwere Tage bis hin zum Tod – die aber genauso zum Leben befähigen.
«Der HERR ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.»
Ohne dass der Schreiber ins Detail geht, nennt er Gott seinen Hirten, den, der ihn führt, sein Leben leitet, über ihm wacht. Wenn du an das Berufsbild eines Hirten denkst und all das, was dir dazu einfällt, werden viele Dinge zusammenkommen. Die meisten haben hier in diesem Psalm gar keinen Raum, denn durch den zweiten Teil der Aussage wird das gemalte Bild grundpositiv. Dieser Hirte sorgt dafür, dass es dir an nichts fehlt. So ist Gott. Und Menschen aller Zeiten haben hierzu ihr Ja gegeben. Obwohl sie natürlich erlebten, dass nicht alles da war, erkannten sie Gottes Versorgung und Hilfe – und seine Zusage, genau so bis in alle Ewigkeit für sie da zu sein.
«Er weidet mich auf grünen Auen und führt mich zu stillen Wassern.»
Gott leitet dich nicht an die Arbeit und erklärt dir auch nicht deine nächste Beschäftigung. Stattdessen malt der Psalmist das friedliche Bild eines grasenden Schafs und sagt: Diese Ruhe schenkt dir Gott. Frieden, Gelassenheit, Stille. So wie auf der Wiese und am Bach. Dorthin führt dich der Hirte.
«Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Strasse um seines Namens willen.»
Hier erweitert der Schreiber das bisherige Bild. Es geht ihm nicht nur um dein körperliches und emotionales Wohlbefinden. Der Hirte sorgt sich auch um deine gesamte Persönlichkeit – und das tut er, indem er dich auf den richtigen Weg führt. Hier klingen verschiedene Dinge an: Es geht um Entscheidungen, um das Lassen von Sünde und das Tun des Richtigen, um Gerechtigkeit. All das bewirkt geistige Gesundheit, eine «erquickte Seele». Letztlich ist es Gott selbst, der dich wiederherstellt und so führt, dass du ganz wirst, weil er selbst es so will.
«Und wenn ich auch wanderte durchs Tal der Todesschatten, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, die trösten mich.»
Das idyllische Bild bekommt hier einen Riss. Wenn du nur bis hier liest, wird es schnell zu frommem Kitsch, doch all das, was vorne schon gesagt wurde, gehört nicht nur auf sonnige Wiesen, sondern auch in die dunklen Täler deines Lebens. David sagt hier: Ich fürchte kein Unglück und du brauchst es auch nicht zu fürchten – nicht einmal den Tod. Tatsächlich ist Gott zu jeder Zeit bei dir und zwar tröstlich und kraftvoll. So wird die düsterste Stelle im Psalm zum Lichtblick, denn selbst in deiner dunkelsten Stunde bleibt Gott bei dir.
«Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde; du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, mein Becher fliesst über.»
Wieder wechselt das Bild, denn Schafe sitzen nicht am Tisch. Aber gleichzeitig passt es wunderbar: Wenn du Gott deinen Hirten sein lässt, führt er deine Kämpfe. Er steht zu dir, salbt und segnet dich sichtbar und schenkt dir mehr als Erfolg – seine Fülle. Letztlich ist dies Gottes Versprechen an dich, dass er selbst sich um deine Angelegenheiten kümmern wird. Niemand kann seine Pläne für dein Leben zerstören. Bei Gott hast du eine Zukunft.
«Nur Güte und Gnade werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Haus des HERRN immerdar.»
Nach vielen Bildern voller Geborgenheit und Nähe schliesst der Schreiber seinen Psalm mit einem Ausblick voller Hoffnung. Wenn Gott dein Hirte ist, dann wird dein ganzes Leben gut sein. Das wischt schlechte Erfahrungen oder Schuld nicht weg, aber es zeigt sie in der richtigen Relation: Am Ende spielen sie keine Rolle. Am Ende geht es um Güte und Gnade, um Liebe und Barmherzigkeit.
Dies ist keine tiefe Auslegung von Psalm 23. Aber es ist die Art und Weise, wie Millionen von Menschen in ihren letzten Stunden realisiert haben: Gott war immer da und er bleibt auch jetzt bei mir. Die volle Dynamik entfaltet dieser Psalm allerdings, wenn dies nicht nur für die letzte Wegstrecke gilt, sondern wenn «Der Herr ist mein Hirte» über deinem ganzen Leben steht.
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