Andrea Züger und Beratung, die befreit

Andrea Züger
Andrea Züger leitet zusammen mit ihrem Mann ein Beratungsunternehmen. Sie coacht und berät Einzelne, Teams oder Firmen. Ruedi Josuran spricht im Livenet-Talk mit ihr über Hochsensibilität und Traumaarbeit.

Die Beraterin und der Livenet-Redaktor treffen sich in einem wunderschönen Garten, der ihrem Gespräch quasi einen organischen Hintergrund gibt – in diesem Talk geht es ihnen nämlich um Leben, Entwicklung und Veränderung. Und es geht um das vielschichtige Engagement von Andrea Züger. Sie referiert zum Thema Hochsensibilität, ist Traumabegleiterin, Enneagramm-Coach und einiges mehr. Als Kind wollte sie jedoch im Gefängnis arbeiten, weil ihr Vater dort als Wärter angestellt war. Inzwischen merkt sie, dass ihre Beschäftigung viel mit diesem ursprünglichen Wunsch zu tun hat, denn Mauern und Grenzen überwinden will sie immer noch.

Hochsensibilität – Last oder Gabe?

Wenn Andrea Züger über Hochsensibilität spricht, tut sie das mit viel Know-how, aber auch als Betroffene. Sie erklärt, dass es dabei nicht um «Sensibelchen» geht, die immer wieder empfindlich reagieren, sondern um Menschen, die bis zu zehnmal so viele Reize aufnehmen (müssen) wie andere. Sie leben quasi «ungefiltert». Das äussert sich durch grössere sensorische Empfindlichkeit gegenüber Licht und Lärm genauso wie durch eine dauernde Überstimulation durch Informationen. Alles Erlebte hallt in ihnen ausserdem länger nach als bei anderen Menschen. Anders als nach der landläufigen Meinung sind von dieser Hochsensibilität nicht nur einige Wenige betroffen, sondern 15 bis 20 Prozent. Ein Randthema ist es damit auf keinen Fall. Als Ruedi Josuran nachfragt, erklärt Andrea Züger jedoch, dass dies trotz aller Schwierigkeiten eher eine Gabe als eine Last oder gar Krankheit sei. Sie verweist auf die besondere Sensibilität anderen Menschen gegenüber, aber auch auf die Intuition, die daraus wächst – ein schnelles Wahrnehmen des Gesamtbildes. All dies kann sehr hilfreich sein, jedoch ist es laut Züger unbedingt notwendig, dass Hochsensible dabei gut auf sich selbst achten, um nicht von der Menge der Reize überfordert zu werden.

Traumabegleitung – Mode oder mehr?

Das Thema Trauma ist viel präsenter als früher, für etliche wirkt es damit fast inflationär, hält Ruedi Josuran zu Beginn fest. Tatsächlich ist die Traumaforschung keine 100 Jahre alt – sie begann erst nach dem Vietnamkrieg, wo in den USA drastische Persönlichkeitsveränderungen bei Kriegsveteranen festgestellt wurden. Züger erzählt, dass Traumata daher kommen, dass unser Bewusstsein schreckliche Ereignisse so abgelegt hat, dass sie nicht mehr direkt präsent sind. Einerseits ist dies ein wunderbarer Überlebensmechanismus, den Gott in uns hineingelegt hat, andererseits braucht es eine Begleitung und Behandlung, damit diese jetzt unbewusst wirkenden Erfahrungen sich nicht negativ auf den Alltag auswirken. Schnelle Abhilfe und Heilung sind laut Züger nur in den ersten 12 Wochen nach Entstehung eines Traumas möglich, danach geht es in erster Linie darum, hinzuschauen, Trigger wahrzunehmen, sie logisch und nicht irrational einzuordnen und ihnen «erwachsen» zu begegnen. In ihrer Beratung geht es konkret darum, eingeübte Reaktionsmuster zu «verlernen». Gebet, Bibellesen und ähnliche christliche Übungen können hierbei stark unterstützen, sind aber genauso wenig die Lösung wie ein «Befreiungsdienst» von scheinbar dämonischen Belastungen. Vielmehr geht es um das Einüben gesunder Verhaltensweisen und das Integrieren unserer Vergangenheit ins jetzige Leben.

Enneagramm – nur eine Typsache?

Ein weiteres Werkzeug, mit dem Andrea Züger in ihrer Beratungspraxis arbeitet, ist das Enneagramm. Gefragt, für wen diese Typologie hilfreich wäre, antwortet sie: «Hilfreich ist es für jeden, aber es interessiert nicht alle.» Die neun verschiedenen Persönlichkeiten, die das Enneagramm vorstellt und beschreibt, haben nur Modellcharakter, aber sie sind eng an Gottes Perspektive für uns Menschen angelehnt, gehen sehr tief und helfen dabei, sich selbst besser zu verstehen.

Damit fasst Züger zusammen, was das Ziel ihrer Beratungstätigkeit insgesamt ist: anderen zu helfen, dass sie mit gutem Werkzeug mit sich selbst und anderen besser umgehen können. Ihr Anliegen ist heute dasselbe wie bei ihrem kindlichen Wunsch, einmal im Gefängnis zu arbeiten. Sie will Menschen heraushelfen aus Mauern, die sie einsperren und reduzieren. Sie möchte sie in die Freiheit Gottes begleiten. Und diese Möglichkeit sieht sie in all ihren Tätigkeiten.

Sehen Sie sich hier den ganzen Livenet-Talk an:

Zum Thema:
Dossier: Livenet-Talk
Livenet Talk mit Debora Sommer: «Hochsensibel und trotzdem OK»
Beitrag für eine gesunde Welt: «Heilsam mit traumatischen Erlebnissen umgehen» 

Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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