Mit 21 Jahren verantwortlich für 80 Kinder

Kinder und Jugendliche von «Musana»
Andrea Kazindra wollte eigentlich nur ein Praktikum in Uganda machen. Doch ein Besuch in einem Waisenhaus veränderte ihr Leben – und das von Hunderten Kindern. Heute ist sie Mutter, Sozialunternehmerin und Visionärin hinter «Musana».

Andrea Kazindra hat drei leibliche Kinder im Alter von zehn, sechs und einem Jahr – und viele, viele Kinder in Uganda, die sie ebenfalls «Mama» nennen. «In den vergangenen siebzehn Jahren war es ein grosses Geschenk, grösstenteils mit meinem Ehemann in Uganda zu leben. Viele Kinder sehen in uns Elternfiguren, was für uns ein grosser Segen ist.»

In einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, wurde sie immer ermutigt, die «Hände und Füsse von Jesus» zu sein. Im Studium zeigte ihr Professor im Unterricht ein Bild von Mohammed Yunus, einem der Begründer des Mikrofinanz-Konzepts. «In diesem Moment machte es in meinem Kopf einfach ‘Klick’. Ich wusste: Das will ich lernen. Ich setzte mich an den Computer und suchte: ‘Wie komme ich nach Afrika und lerne Mikrofinanzierung?’ Ein Praktikumsplatz erschien, ich bewarb mich, wurde angenommen – und im Sommer 2008 sass ich im Flugzeug nach Uganda.»

Bewegende Abende

Ihr erster Eindruck: «Die Armut ist überall. Wir wohnten bei einer Gastfamilie – ohne fliessendes Wasser, ohne Strom, keine befestigten Strassen, Hühner liefen durch die Küche. Ich selbst war in einem ganz anderen Umfeld gross geworden: grosses Haus, breite Strassen, jeder fährt in seine Garage und verschwindet im Haus.»

Doch die Gemeinschaft erlebte sie als wunderschön. «Ich absolvierte mein Praktikum im Bereich Mikrofinanzierung und war begeistert. Jeden Abend sassen wir auf der Veranda, spielten Klatschspiele, sangen Lobpreislieder und genossen das Zusammensein.»

Ein besonderer Besuch

Haril – ihr heutiger Ehemann – und sie wurden Freunde. «Eines Tages bat mich mein Programmkoordinator, mit ihm ein Waisenhaus zu besuchen. Der Moment, als ich es betrat, hat sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt: 160 Kinder, schmutzig, eng gedrängt auf einem Gelände, das gleichzeitig als Müllhalde des Ortes diente. Zwei überlaufene Toiletten.»

Sie fragte, wo die Kinder schlafen. Man zeigte ihr drei winzige Zimmer mit Lehmböden, uneben und nass, weil das Dach bei Regen durchlief. Sie fragte: «Wo sind die Betten? Die Matratzen?» – Es gab keine. Die Kinder schliefen dicht aneinandergedrängt auf dem Boden. «Diese Hoffnungslosigkeit, diese Vernachlässigung – es waren die schlimmsten Bedingungen, die ich je gesehen hatte. Zu Hause schrieb ich in mein Tagebuch: Gott, warum hast du mich an diesen Ort geführt?»

«Musana Children’s Home» wird Realität

Ab diesem Zeitpunkt änderte sich alles. Ihr Praktikum war plötzlich nebensächlich. «Stattdessen hatte ich die riesige Verantwortung, jeden Tag 160 Kinder mit Essen zu versorgen. Im Laufe der Monate wurden aus den Kindern nicht nur arme, verlassene Kinder, sondern Gesichter mit Namen, Persönlichkeiten. Ich verliebte mich in sie und deckte immer mehr Missbrauch und Korruption auf.»

Andrea und Haril Kazindra

Viele Menschen profitierten davon, wie die Kinder unter den vorherigen Bedingungen lebten. «Das ursprüngliche Waisenhaus war eher eine Touristenattraktion: Besucher spendeten Geld, das die Kinder nie erreichte. Es heisst, 80 Prozent der Kinder in Waisenhäusern weltweit seien keine Waisen. Waisenhäuser 'produzieren' also Waisen – weil genau das ist, was Spender finanziell unterstützen wollen. Also begannen wir, die Herkunftsfamilien der Kinder ausfindig zu machen; alle 80 Haushalte.» Das Modell veränderte sich grundlegend. «Schliesslich entschieden wir, das Waisenhaus zu schliessen und die Kinder an einen sicheren Ort zu bringen. Haril und ein Mitbewohner namens Morris unterstützten mich. Wir konnten die Regierung überzeugen, uns zunächst die Hälfte der Kinder zu überlassen.»

Am 16. September 2008 zogen die ersten 40 Kinder in «Musana» ein, einem Heim, das Andrea Kazindra mitbegründete. «Zwei Wochen später folgten weitere 40. Haril und ich waren gerade 21 Jahre alt und wurden gesetzliche Vormunde von 80 Kindern. Keines dieser Kinder sprach Englisch, also spielten wir Spiele und sangen Lieder. Eines der Lieder, das wir ihnen beibrachten, war ‘You Are My Sunshine’. Es wurde ihr Lieblingslied. Ich fragte Haril und Morris: ‘Wie sagt man ‚Sunshine‘ in der lokalen Sprache?’ – ‘Musana’, antworteten sie. «So wurde ‘Musana Children’s Home’ geboren.»

Doch viele Menschen hatten von der Korruption im ehemaligen Waisenhaus profitiert. «Ich erhielt plötzlich zahlreiche Morddrohungen. Meine Gastfamilie sagte mir, ich sei zu gefährlich geworden, um weiter bei ihnen zu wohnen. Ich hatte noch nie so grosse Angst. Doch immer, wenn ich dachte, das ist zu gross, das ist unmöglich, erinnerte ich mich: Doch, ich kann das schaffen. Gott kann das schaffen.»

Krankenhaus wird eröffnet

Andrea Kazindra erinnert sich: «Wir benötigten ständig medizinische Versorgung für die Kinder, fanden aber keine qualitativ gute Gesundheitsversorgung in der Region. Ich brachte unsere Tochter in einem der besten Krankenhäuser in Kampala zur Welt – und es war dennoch eine extrem schwierige Geburt. Unsere Tochter wäre beinahe gestorben. Ich ebenfalls.»

2015 eröffneten die beiden ein erstes Krankenhaus. «Heute betreiben wir drei Krankenhäuser. Tausende Babys wurden dort sicher geboren. Wenn eine Frau in einem ‘Musana’-Krankenhaus entbindet, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit ihres Babys viermal höher als in anderen Einrichtungen in Uganda.»

Eine der grössten Lektionen, die sie in Uganda gelernt hat, ist, dass Gebet, über den ganzen Tag verteilt, Teil des Alltags sein kann. «Der Glaube der Ugander ist beeindruckend, vor allem, weil sie so sehr auf Gott angewiesen sind. Wenn man kaum etwas besitzt und nicht weiss, wie man die Familie nächste Woche ernähren soll, bleibt nur das Vertrauen auf Gott. Ich habe das durch das Leben und Beten der Menschen dort gelernt.»

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Autor: Jesus Calling / Daniel Gerber
Quelle: Jesus Calling / gekürzte Übersetzung: Livenet

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