Depressionen, Ängste, Stress – was nun?

Die sechs Lebensdimensionen
Die Menschheit befindet sich in der grössten je gemessenen «Mental-Health-Krise». Susanna Aerne, ganzheitlich-systemische Beraterin, setzt sich täglich mit solchen Themen auseinander, um ihren Patienten zu neuen Perspektiven zu verhelfen.

Das Thema «Mental Health» ist überall präsent und doch spricht man selten darüber. Besonders auch junge Menschen haben oft mit Depressionen, Angstzuständen und emotionalem Stress zu kämpfen. Diese können lähmen oder handlungsunfähig machen. Im Interview erklärt Susanna Aerne, dass es immer mehr Menschen schwerfalle, ein gesundes und ausgewogenes Leben zu führen. Wie lässt sich dieses Problem angehen und wie sieht ein ausgewogenes Leben aus?

Hope: Wofür steht der Begriff «psychische Gesundheit»?
Susanna Aerne: Die psychische Gesundheit umfasst den seelischen und geistigen Zustand einer Person. Sie betrifft das Innenleben eines Individuums, seine Emotionen, die in Wechselwirkung mit dem Verhalten und Handeln stehen. Eine gute psychische Gesundheit ermöglicht es einer Person, den Herausforderungen des Lebens sinnvoll zu begegnen, stressige und belastende Situationen zu bewältigen und stabile zwischenmenschliche Beziehungen zu führen.

Wie bleibt man psychisch gesund?
Hilfreich ist hier das leicht verständliche Anthropologische Kreismodell der sechs Lebensdimensionen, die das Institut für Körperzentrierte Psychotherapie IKP ermittelt hat. Es zeigt Ressourcen auf, die uns gesund erhalten und psychisch erkrankten Menschen helfen können, wieder zu genesen. Es umfasst die Dimensionen «Körper», «Psyche», «Raum», «Zeit», «Spiritualität» und «Kontakt». Sie alle hängen zusammen und befruchten sich gegenseitig. Der Mensch sollte möglichst oft zwischen den verschiedenen Dimensionen wechseln. Das Aktivieren und ausgewogene Umsetzen aller Dimensionen führt zu mehr Energie und unterstützt den Heilungsprozess hin zu einer gesunden «Psyche». Wenn aufgrund einer körperlichen Erkrankung oder einer familiären Überbelastung mehrere Dimensionen nicht mehr gelebt werden können, kann die Psyche erkranken. Ein Beispiel dafür ist die Coronazeit: Viele Menschen erkrankten, da sie über eine längere Zeit auf körperliche Betätigung oder soziale Kontakte verzichten mussten.

Weshalb ist die psychische Gesundheit heutzutage so viel mehr gefährdet?
Vielen fehlen heute die zeitlichen Ressourcen, um ein ausgewogenes Leben zu führen. Es gibt aber auch erbliche Komponenten, die zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen führen können. Mit dem Modell der sechs Lebensdimensionen lässt sich analysieren, was man dagegen unternehmen kann. Eine Störung ist immer auch eine Chance, auf die Vergangenheit zurückzublicken, sie zu analysieren und aufzuarbeiten, um entlastet die Zukunft anzugehen.

Was kann man tun, um diese sechs Dimensionen ausgewogen zu leben?
Der Mensch ist dazu geschaffen, in Beziehung mit anderen Menschen und mit Gott zu leben. «Kontakt» ist eine sehr wichtige Dimension, denn Beziehungen geben uns Sicherheit und Geborgenheit. Freundschaften sind da, um einander im Leben zu stärken, sich Ermutigungen zuzusprechen und miteinander zu wachsen. Diese Dimension gibt uns sehr viel, das unserer Seele guttut. Auch der «Körper» kann einiges für die Gesundheit leisten. Dazu gehört das regelmässige Anspannen und Entspannen des Körpers. Einerseits sollten wir uns körperlich betätigen, um Stresshormone abzubauen. Andererseits ist es wichtig, den Körper auch ruhen zu lassen. «Spiritualität» vermag die Psyche zu stärken und uns Halt zu verleihen. Der Glaube an Gott kann dem Leben Hoffnung und Sinnhaftigkeit geben – die Überzeugung, dass jemand da ist, der einen Plan für das eigene Leben hat und der einen nicht aufgibt. Eine Situation mag vielleicht hoffnungslos erscheinen, doch bei Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Auch die «Zeit» als Dimension sollte bewusst gestaltet werden. Verletzungen aus der Vergangenheit wollen aufgearbeitet werden, um im Leben weiterzukommen. Das Wechseln des «Raums» – an einen See fahren, die Weitsicht auf einem Berggipfel geniessen oder ein Museum besuchen – kann die Seele neu beleben, ihr Raum, Luft und Zeit verschaffen. Gerade depressiv veranlagte Menschen, die mangels Kraft oft nur zwischen ihrem Arbeitsplatz und Zuhause wechseln, sind hier angesprochen.

Apropos «Kontakt»: Wie fördern wir ihn, wie knüpfen wir Freundschaften?
Ich rate Menschen, die damit Mühe haben, nach Personen mit ähnlichen Interessen Ausschau zu halten. Neue Freunde stehen nicht vor unserer Haustüre. Wir müssen uns effektiv aktiv auf die Suche nach ihnen begeben.

Wie kann unsere «Psyche» zur Ruhe kommen?
Dass unsere Seele ruhen kann, ist sehr wichtig. Die Flut an Angeboten und Möglichkeiten in den Bereichen Konsum und Freizeit überfordert viele Menschen.Es wird immer anspruchsvoller, weise mit Geld und Zeit umzugehen. Jugendliche trauen sich nicht mehr, nein zu sagen, aus Angst, die Zugehörigkeit zur Gruppe zu verlieren oder etwas zu verpassen. Doch ohne Ruhezeiten kann der Stress in einer Erschöpfungsdepression enden. Schliesslich ist es besser, in der Gegenwart etwas zu verpassen, statt die Zukunft dafür zu opfern. 

Fünf praktische Tipps für Ihre mentale Gesundheit:

1. Wechseln Sie aktiv Räume, verbringen Sie Zeit in der Natur, etwa im Wald, an einem See oder auf einem Berggipfel. Besuchen Sie schöne Orte und lassen Sie sich von Farben und Formen inspirieren. Das verleiht Ihrer Seele Luft und Raum.

2. Pflegen Sie Beziehungen, dadurch entlasten Sie Ihre Psyche. Suchen Sie das Gespräch und teilen Sie Ihre Gedanken und Gefühle mit.

3. Geben Sie Ihrem Leben eine Perspektive und konzentrieren Sie sich gleichzeitig auf das Hier und Jetzt. Entscheiden Sie, was Ihnen wichtig ist und setzen Sie klare Prioritäten bezüglich Ihrer Zeit.

4. Halten Sie Ihren Körper gesund durch eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung. Achten Sie auf ausreichenden und qualitativ guten Schlaf.

5. Füllen Sie Ihren Geist mit positiven Inhalten, beispielsweise ermutigenden Predigten. Durch den Glauben an einen liebevollen und grossen Schöpfergott, der mit Ihnen durchs Leben geht und an Ihnen interessiert ist, können Sie Sinn und Halt in Ihrem Leben finden.

Sehen Sie sich hier den Talk an:

Autor: Jaël Schultze
Quelle: Hope Regiozeitung