«Nid aus wie düre Anke …»

René Müller
René Müller aus Adelboden tanzt auf vielen Hochzeiten. Er führt das Hotel Alpina, ist Verwaltungsratspräsident der regionalen Bergbahnen und seit einem Jahr Grossrat für die EVP in Bern. Das Wohl der Gesellschaft liegt ihm seit jeher am Herzen.

Bereits seine Eltern führten das Drei-Sterne-Hotel Alpina in Adelboden, wo René Müller mit zwei Geschwistern aufwuchs. «Als Teenager hatte ich genug von der Gastronomie», erklärt René. Nach seinem Sommereinsatz bei einem Landschaftsgärtner entschied sich der Jugendliche, diesen Beruf zu ergreifen. Sein Vater hatte das VCH-Hotel (Verband christlicher Hotels) vor über 50 Jahren im Auftrag der Evangelisch-Methodistischen Kirche (EMK) als Pastor übernommen. Damals genügte es, das Wirtepatent zu erwerben, um sich dann als Direktor mit Seelsorge-Kompetenz für die Gäste einzusetzen. Tempi passati!

Kochkelle statt Heckenschere

Fast drei Jahrzehnte später dachte der Hotelier und Theologe nochmals ernsthaft über einen Wechsel in ein Pfarramt nach … Das war der Auslöser für seinen Sohn, die Ausbildung als Koch anzupacken und alsbald die Hotelfachschule anzuhängen. Nach Praxisjahren in verschiedenen Häusern und Positionen war René Mitte zwanzig und bereit für die Schlüsselübergabe des Hotels Alpina. Heidi, mit der René seit 35 Jahren verheiratet ist, stand damals schon an seiner Seite. Die beiden hatten sich in der Schule kennengelernt. Bei Heidi flatterten die Schmetterlinge in der siebten Klasse … «bei mir hat es etwas länger gedauert», erklärt René lächelnd.

Spagat gelungen

Heute gehören vier Kinder zwischen 20 und 30 Jahren zur Familie, alle sind schon ausgeflogen. Heidi hatte ihren Beruf aufgegeben, um ganz für die Kinder da zu sein und ihrem Mann den Rücken zu stärken. Aktuell unterstützt sie das Alpina mit einem kleinen Pensum, ist für die Buchhaltung zuständig, hilft an der Rezeption aus und sorgt für die Dekoration. Als der heute 57-Jährige in den Gemeinderat gewählt wurde, fand sie das nicht optimal, da die Kinder noch recht klein waren. Heidi weiss, dass ihrem Mann sehr viel daran liegt, sich fürs Gemeinwohl einzusetzen. «Er versuchte regelmässig einen Tag pro Woche frei zu machen und täglich das Abendessen mit der Familie einzunehmen», ergänzt sie und ruft die gemeinsamen Campingferien in Erinnerung, die allen unvergessliche Erlebnisse beschert hätten.

«Unsere Region lebt vom Tourismus, Bergbahnen tragen hier massgeblich zum Erfolg bei.»

Bergbahnen tragen die Region

«Aufgrund der Amtszeitbeschränkung musste ich nach acht Jahren aussteigen. Einige Projekte hätte ich gern noch weiterverfolgt, aber Loslassen gehört zum Leben», fährt René Müller fort. Der Gemeindewerkhof konnte realisiert werden, die Umfahrungsstrasse ist noch immer ein Traktandum. Zehn Jahre gehörte Müller zum Verwaltungsrat der Bergbahnen Adelboden, seit 2017 ist er deren Präsident. Er zeigt sich dankbar: «2023 gelang es uns, mit den Lenker Bergbahnen eine gemeinsame Betriebsgesellschaft zu gründen – nun bewirtschaften wir zusammen das sechstgrösste Skigebiet der Schweiz. Unsere Region lebt vom Tourismus, Bergbahnen tragen hier massgeblich zum Erfolg bei.» An einem schönen Winterwochenende werden mehr Einnahmen generiert als in einem Sommermonat. Klimastudien belegen die Wirtschaftlichkeit künstlicher Beschneiung, deshalb hält man daran fest. «Auf über 1500 Metern lohnt sich der Aufwand», bestätigt der Tourismusfachmann. «Mit unserem Engagement für die Gäste schaffen wir unzählige Arbeitsplätze.»

Tiefen in der Höhe

Dass René Müller den Hotelbetrieb stets aufrechterhalten konnte, ist nicht selbstverständlich. Oder wie es der Berner Oberländer selbst formuliert: «S’isch nid aus wie düre Anke gange.» Von 2007 bis 2014 beherbergte das Alpina regelmässig 50 bis 100 junge Lernende der Gastronomie für deren Berufsschulausbildung. Sie kamen im Frühling und Herbst, wenn die offiziellen Ferienwochen vorbei waren. Dies sicherte Einkommen, und der Hotelier konnte seine Mitarbeitenden das ganze Jahr über beschäftigen. «Wir freuten uns immer über das Leben im Haus. Es war uns wichtig, den jungen Leuten vorzuleben, dass bei uns der Mensch im Mittelpunkt steht – nicht der Gewinn.» Weil es der Branche bis heute zunehmend an Nachwuchs mangelt, wurde das Alpina aus der Liste der Ausbildungshotels gestrichen. Diese Veränderung traf den Betrieb hart, und 2025 verzeichnet das Hotel zum ersten Mal selbst keine Interessenten für eine Ausbildung. Dazu kommen die Auswirkungen der Euro-Krise seit 2015. Etliche Gäste aus den umliegenden Ländern können sich Ferien in der Schweiz schlicht nicht mehr leisten.

Familien im Fokus

Das Alpina baute deshalb sein Angebot für Familien aus. Ein grosser Spielplatz mit Minigolfanlage, stundenweise Kinderbetreuung, ein Indoor-Bällebad und Geissen zum Streicheln sind Attraktionen, die auf Anklang stossen. Während der Pandemie verbrachten viele Schweizer ihre Ferien im eigenen Land, weil sie nicht ins Ausland reisen konnten. Auch dank der Kurzarbeitszeitregelung geriet das Hotel finanziell nicht in Schieflage. Nun bestehen weitere Pläne für das Haus. Es soll ein Neubau entstehen, der das Angebot an Ferienwohnungen von vier auf 16 erweitert.

Menschen vor «Maschinen»

Seit einem Jahr wirkt René Müller für die EVP im Grossrat in Bern. Auch hier stehen soziale Einrichtungen in seinem Fokus; die Unterstützung von Randständigen oder Flüchtlingen. «Von mir aus müsste man keine F-35 kaufen und könnte stattdessen mehr in die sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung investieren», hält er fest. Wie im Hotel versteht Müller es auch als Politiker, Entscheidungen gut abzuwägen. «Aber dann lege ich los und korrigiere die Richtung, wenn es sinnvoll ist.»

«Wenn ich nichts ändern kann, lasse ich los und warte darauf, dass Gott eine Lösung aufzeigt.»

Schlaflose Nächte kennt er kaum, sieht dies in seinem starken Gottvertrauen begründet. «Wenn ich nichts ändern kann, lasse ich los und warte darauf, dass Gott eine Lösung aufzeigt.» Seine Strategie habe sich schon oft bewährt, bekräftigt der Unternehmer. Auch bei der Personalsuche kenne er keine Eile. Kürzlich sei – nur einen Tag nach einer Kündigung – wieder eine passende Bewerbung ins Haus geflattert. «Das ist für mich ein Geschenk des Himmels», freut sich René Müller. Er blickt zuversichtlich in die Zukunft: «Uns geht es so gut! Im Kleinen, hier im Dorf, in der Region können wir uns engagieren, etwas beitragen, zum Wohl aller.» Das wirkt ansteckend und hat weitreichende Wirkung, davon ist der engagierte Mann überzeugt.

ZUR PERSON

Mein Lieblingsplatz in Adelboden:
«Fläckli» oberhalb der Alpina – früher «unsere» Skipiste, heute Rückzugsort mit Tourenskis oder Wanderschuhen


So entspanne ich nach einem anstrengenden Tag:
Am liebsten in der Sauna oder im Hotpot


Meine Lieblingsmusik:
Klassik und Brassband


Meine Hobbies:
Wandern, Skifahren, Pilzesuchen – alles, was in der Natur stattfindet


Eine unverzichtbare App für mich:
Wetter und Geo-Admin beim Wandern


Dafür bin ich dankbar:
Für meine Familie; Heidi und meine Kinder sind das grösste Geschenk meines Lebens

Autor: Mirjam Fisch
Quelle: Hope Regiozeitung