Auch fremden Kindern eine Chance geben

Philemon und Jasmin Schlumpf sind die Kinder des Gründerpaars vom Verein Mülibach
Vor 25 Jahren entschieden sich Birgit und Andi Schlumpf, nach zwei eigenen Kindern Pflegeeltern zu werden. Heute ist der Verein Mülibach in Dussnang eine Sozialalternative, wo bis zu 10 Kinder und Jugendliche leben, und begleitet Wohngemeinschaften.

«Ich bin ein Praktiker und Menschenfreund», sagt Andi Schlumpf. «Ich liebe es, Projekte zu entwickeln und durchzuziehen, bin gern mit Menschen unterwegs, unterstütze und begleite sie.» Seine Schwester lebt mit einer Behinderung, diese Erfahrung hat Andi geprägt. Der gelernte Landwirt und Landmaschinenmechaniker will etwas bewirken. Als junger Mann bildete er sich zum Sozialpädagogen weiter und kaufte zusammen mit seiner Frau Birgit einen Hof am Rand des Dorfes. Nach und nach bauten sie diesen um. Während einer gemeinsamen Alpzeit als junges Ehepaar hatten die zwei erlebt, dass sie auch unter erschwerten Umständen gut zusammenarbeiten können.

Rückzugsort

Der heute 56-Jährige bewegte schon länger den Gedanken, fremde Kinder in die Familie aufzunehmen. Für Birgit war es ein göttlicher Eindruck, der sie zum Ja finden liess. Ende 2000 war es soweit: Sie gründeten den Verein Mülibach, öffneten ihr Zuhause und ihre Herzen für Kinder, die nicht bei ihren Familien leben können. Auch Birgit nahm nun die Ausbildung zur Sozialpädagogin in Angriff. «Das war parallel zum Aufbau unserer Grossfamilie sehr anstrengend», erinnert sie sich. Ihr Glaube sei für sie eine Ressource im Alltag, sowohl für die Selbstfürsorge wie auch für die gelebte Liebe und das Engagement gegenüber den betreuten Kindern. «Es ist uns ein Anliegen, dass sie den liebenden Schöpfer kennenlernen und so Sinn und Perspektive in ihrem Dasein finden können», führt die begeisterte Pflegemutter aus. Nach einigen Jahren baute die Familie eine eigene Wohnung unter dem Dach, um einen Rückzugsort zu haben, wo vor allem Birgit zur Ruhe kommen kann.

Gemeinsam feiern

Ein Tag der offenen Tür zog diesen Sommer viele Ehemalige und ihre Angehörigen, Mitarbeiterinnen, Praktikanten und Unterstützer an. Sie besichtigten das Gelände mit Häusern, Ställen, Spielplatz, Wohnküche und Bewohnerzimmer, nahmen an der Kuhfladen-Olympiade und dem Stiefel-Werfen teil, kletterten eine mit grossen Netzen versehene Rampe zum Turm hoch, ruderten auf dem Teich und genossen Köstlichkeiten von Grill und Kuchenbuffet. Das Gelände des Mülibachs ist ein Paradies für die Grossfamilie, vieles wurde in Gemeinschaftsarbeit errichtet.

Und doch ist nicht jede Eingliederung geglückt. Ein Ehemaliger gesteht: «Ich musste nach vier Jahren wieder gehen – ich habe mich einfach nicht eingefügt.» Dennoch nimmt er am Fest teil, Groll ist nicht spürbar. Andere junge Menschen leben in Wohngemeinschaften, die zum Mülibach gehören, und werden so lange begleitet, bis sie selbständig unterwegs sein können.

Streng, aber gut

Pflegekind Rico und Pflegemutter Birgit Schlumpf

Rico war das erste Kind, das mit drei Monaten von ihnen aufgenommen und bis zur Volljährigkeit begleitet wurde. Er kam zurück, um das 25-Jahr-Jubiläum mit Birgit und Andi zu feiern. «Sie waren streng, aber das war gut», zieht er Bilanz. Er habe behütet aufwachsen dürfen und sei dankbar dafür. Zweimal pro Jahr verbrachte die ganze Familie Ferien zusammen, einmal am Meer, einmal in den Bergen. Fröhliche Bilder zeugen davon, schufen gute Erinnerungen an gemeinsame Abenteuer wie eine Bergbesteigung. «Ohne Birgit und Andi wäre ich nicht der, der ich heute bin», stellt der 25-Jährige klar. Er hat eine Lehre im Gastgewerbe abgeschlossen, eine eigene Wohnung und lebt aktiv seinen Glauben.

Der christliche Glaube gehört zum Alltag des Kleinheims Mülibach, klare Regeln ebenfalls. «Als ich ein Handy erhielt, wurde ich bald süchtig», gibt Rico zu. Mit der Hilfe einer Seelsorgerin konnte er die Sucht einige Jahre später hinter sich lassen und erlebt beim Thema Versuchungen bis heute die Hilfe von Jesus.

Ressourcen nutzen

«Mit Gott in Kontakt zu sein, zu jeder Tags- und Nachtzeit, ist für mich eine riesige Ressource», betont Birgit. «Er hat immer ein offenes Ohr für mich, und hat mein Leben und den ganzen Mülibach in seiner Hand – es ist ein riesiges Privileg, unter solchen Umständen zu arbeiten!» Sie liebt es, diese tiefe Geborgenheit ganz oft auch ohne Worte weiterzugeben. «Es ist so schön, gerade in dieser chaotischen Welt immer wieder zu vergeben, Vergebung zu erhalten, nach Verletzungen Heilung zu erfahren.» So sei sie in der Lage, die anvertrauten Kinder echt zu lieben. «Gott füllt mich immer wieder neu mit seiner überfliessenden Liebe!», erlebt die Christin. Die Beziehung zu Jesus Christus, Weisheit aus der Bibel und das Wissen, dass sie am richtigen Platz ist, stärken die 55-Jährige. Das ganze Team teile die christlichen Werte und ergänze und ermutige sich so täglich in den Herausforderungen des Alltags.

Es geht weiter

Das Paar ist nach wie vor motiviert, ein alternatives Betreuungsangebot zu schaffen. «Eine Gemeinschaftsform zu ermöglichen, wo das «Wir» noch eine Bedeutung hat und nicht im Individualismus untergeht. Den Kindern ein Zuhause zu bieten, einen sicheren Ort, wo sie Geborgenheit erfahren und geliebt werden. Und noch vieles mehr…», erklärt Birgit. Anfangs Herbst zogen drei weitere Kleinkinder im Mülibach ein. Für Schlumpfs ist es wichtig, bewährte Grundwerte hochzuhalten und als Ressource zu nutzen. Allen fachlichen Ansprüchen gerecht zu werden, sei immer wieder eine Herausforderung. Neu gehören auch ihre erwachsenen Kinder zum Team, sie bringen weitere Fähigkeiten ein. Gemeinsam mit allen Mitarbeitenden üben sie sich darin, auf Gottes Stimme und Antworten zu hören. Andi drückt es so aus: «Es ist schön zu wissen, dass uns eine höhere Macht begleitet und unterstützt, dass sie uns hilft, die Prioritäten richtig zu setzen.»

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Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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