Gott spricht meine Sprache

Durch die Herzenssprache des Gebets kann man als Familie Gottes Stimme hören (Symbolbild)
Wie können wir Gott (zu-)hören? Und welche Rolle spielen unsere Kinder dabei? Erfahrungen und Anregungen von Stefanie Diekmann.

In der ersten Zeit unserer Familienphase habe hauptsächlich ich mit Gott gesprochen: um Nächte voller Schlaf gefleht, um Senkung des Fiebers gebeten, um Geduld gerungen oder mich von Herzen für diese Chance der Mutterschaft bedankt. Je älter unsere Kinder wurden, desto mehr wurde mir bewusst, dass Gott schon längst zu den Kindern spricht. Meine Aufgabe ist nicht, ihnen zu erklären, was Gott zu uns sagt. Meine Aufgabe als Begleiterin der Kinder ist es, Raum dafür zu schaffen, dass wir Gott wahrnehmen können.

Praktisch bedeutete das für mich, dass wir bei unseren täglichen Spaziergängen zum Auslüften unserer Emotionen immer wieder bewusst über Gott nachgedacht haben. Wir haben Blätter bestaunt, Regenwürmer betrachtet, Nebel angestarrt oder Regentropfen gezählt. Zu Beginn habe ich oft ein kurzes Lied gesungen oder laut gerufen: «Danke Gott, das hast du richtig schön gemacht.» Irgendwann haben unsere Kinder diese Begeisterung eigenständig in ihre Worte gefasst und mich dabei mit hineingenommen in ihr Staunen über Gott.

Nicht manipulieren

Mir hat mal jemand vorgeworfen, meine Kinder zu manipulieren, ihnen keine Wahl zu lassen, als Christen zu werden. Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich habe mich hinterfragt, bin in Distanz gegangen und zu dem Schluss gekommen: Ich möchte Gott und den Kindern diese heiligen Momente nicht absprechen.

Gott ist verstehbar – natürlich biete ich unseren Kindern dieses Framing für eine Gottesbegegnung an. Ich lebe als Christin und präge dabei mein Umfeld. Leichter gefallen ist mir meine Art, mit den Kindern Gott zu entdecken, nachdem ich bewusst manipulierendes Verhalten von christlichen Eltern wahrgenommen habe: Wurde zum Beispiel gestritten, wurde von den Eltern direkt eingeflochten: «Uiii, jetzt ist Gott aber enttäuscht von dir, dass du deinen Vater nicht ehrst.» Oder nach einem Malheur mit einer Deko-Vase hat die Mutter dem Kind nicht nur ihre Enttäuschung über den Verlust der Vase zum Ausdruck gebracht, sondern noch Gottes Wahrnehmung eingeflochten: «Ach, wie traurig Gott jetzt ist, dass du so unvorsichtig warst …»

Gottes Wesen näher kennenlernen

Ich empfinde es als Anmassung, wenn Eltern meinen zu wissen, wie Gott fühlt, was er denkt oder in dieser Situation sagen würde. Gottes Reden zu entdecken, ist für mich eine vorsichtige persönliche Suche. Ich erlebe es auf unterschiedlichen Ebenen:

Da gibt es Menschen, die unbewusst durch einen Satz, eine Erzählung oder eine Geste in mir etwas Heiliges auslösen, wie eine Bestätigung. Gott kann seine Sprache in «Menschisch» ändern – für mich.

An manchen Tagen hilft es mir, in der Bibel zu lesen. Nicht immer finde ich in den Abschnitten direkte Anweisungen oder klare Statements von Gott zu meinen persönlichen Problemen. Ich finde aber ein Versprechen von Treue in diesen Worten. Ich finde eine Ahnung, wie ich Gott und sein Wesen näher kennenlernen kann. In meinen Augen ist es nicht möglich, von klar umrissener Wahrheit zu sprechen. Alles, was ich erkenne über Gott, was ich als Reden zu mir wahrnehme, ist eine Momentaufnahme. Stückwerk, das ich in meinem Menschsein erfassen kann und das noch lange nicht der Grösse Gottes gerecht wird.

Ich erlebe Gottes Reden auch im Beten. Für mich ist Beten Ein- und Ausatmen in Gottes Nähe. Manchmal nehme ich mir bewusst Zeit, mein Herz vor ihm auszuschütten. Manchmal atme ich kraftlos betend ein und aus, weil mir keine Worte einfallen und die Sorge mein Herz schwer macht. An manchen Tagen sage ich Gott bewusst, wie grossartig er ist, weil ich dadurch Kraft tanke. Und manchmal kann ich plötzlich spüren: Hier bewegt sich etwas in meinem Herzen. Das Bild wird klarer, meine Frage bekommt eine antwortende Umarmung. Ich liebe es, mit anderen und auch mit Kindern im Gebet bewusst auf Gott zu hören. Gibt es in der Stille Bilder in meinem Kopf? Fallen mir Lieder oder Bibelverse ein? Helfen diese Wahrnehmungen mir? Was können sie mir bedeuten?

Herzenssprache

Ich möchte noch eine weitere Ebene hinzufügen, wie ich mit Gott spreche: Manchmal höre ich einem Vortrag oder einer Predigt zu, und plötzlich macht es in mir «Klick». Es muss gar nichts mit dem Gesagten oder dem Thema zu tun haben, aber ich spüre, dass ein Gedanke sich herausarbeitet, mir weiterhilft und nur für mich bestimmt ist.

Ich möchte bereit sein, auf Gottes Eingreifen und Gottes Zuwendung zu warten. Diese Haltung haben mein Mann und ich auch mit unseren Kindern eingeübt. Manchmal hat es zu Frust geführt, wenn wir gemeinsam gegen die Ohrenschmerzen gebetet haben. Manchmal sind jedoch kleine heilige Momente entstanden. Heilig, weil Gott Herzenssprache spricht. Heilig, weil es schwer in Worte zu fassen ist, wie Gott sich in diesem Moment dem Kind oder mir als Elternteil zuwendet. Heilig, weil für einen Moment klar ist: Gott ist jetzt hier.

Es war für mich eine Entwicklung, meinen Kindern nicht belehrend gegenüberzustehen und ihnen beizubringen, wer Gott ist. Zu Beginn meiner Mutterschaft ging ich fest davon aus, dass ich für die christliche Ausbildung unserer Kinder zuständig bin. Mehr und mehr habe ich verstanden, dass Kinder ihre eigene Verbindung zu Gott mitbringen. Und dass sie oft sensibler sind als ich. Kinder wollen und sollen nicht belehrt werden, sondern begleitet. Wir haben uns immer wieder mit unseren Kindern über das dreifache Gebot der Liebe unterhalten: Was heisst es, Gott zu lieben, sich zu lieben und die Menschen um uns herum? Wie kann das praktisch aussehen? Was macht das mit meinen Gefühlen wie Neid oder Zurückweisung? Wie kann ich Zugehörigkeit empfinden? Dabei gibt es verschiedene Ebenen: Wir können unsere Kinder sensibel machen, uns mit ihnen austauschen und ihnen dabei ihren Glauben glauben und schliesslich gemeinsam praktische Schritte für die Umsetzung finden.

Heilig genug?

Dass Gott meine Sprache spricht, ist ein grosses Geschenk. Ich brauche keine Vorqualifikation, ausser zu wissen, dass Gott mir nah sein will und mir diese Nähe durch Jesus anbietet. Vielleicht ist es an der Zeit, uns bewusst zu machen, dass dieses Geschenk unausgepackt in einer Ecke liegt. Wir müssen nicht die richtigen Entscheidungen treffen, um mit Gott in Beziehung treten zu können. Wir dürfen hoffend warten, dass er unser Herz berührt und bewegt.

Manchmal nehme ich die Angst wahr, die Inhalte eines Buches oder Films könnten uns von Gott so trennen, dass wir keine heiligen Momente mehr erfahren können. Sie könnten bewirken, dass wir der Ansprache Gottes nicht mehr würdig sind. Aber was sagen solche Gedanken über den Gott aus, den ich meinen Kindern als zugewandt, schöpferisch, begleitend und entwickelnd vorstelle? Ich habe mich bewusst dafür entschieden, dass Gott keine Instanz ist, die Erziehung übernimmt. Niemand, der straft, verärgert ist oder sich bei unerwünschtem Verhalten abwendet.

Ich persönlich habe lange damit gerungen, heilig genug zu sein, um dem heiligen Gott zu begegnen. Ich habe versucht, Gottes Sprache zu lernen, um mit ihm kommunizieren zu können. Dabei besteht Gottes Geschenk ja darin, dass er meine Sprache beherrscht und dass er in mein Herz spricht. Das begeistert mich bis heute! Vielleicht ist es an der Zeit, dieses Geschenk Gottes neu wahrzunehmen. Wir können miteinander Gott Fragen stellen und Bibelverse wirken lassen. Vielleicht ist es an der Zeit, andere Familien zu fragen, wie sie Gottes Reden in ihrem Alltag erleben. Vielleicht ist es an der Zeit, in der Familie mehr mit Gott zu reden als über ihn. Vielleicht hilft das gemeinsame Hören auf Gottes Reden in unserem Alltag, Gottes Sprachfähigkeit neu zu erfassen.

Gottes Zuspruch

Nach einer Jugendfreizeit fahren wir mit unseren zwei kleinen Kindern nach Hause. Auf der Freizeit haben wir jeden Morgen ein Morgenlob gemacht. Ein Lied aus der Liturgie war «Vater, bei dir bin ich zu Hause. Vater, bei dir berge ich mich…» Eine Aussage, die wir den Jugendlichen mitgeben wollen, weil sie in wilden Momenten Halt geben kann. Ob unser Investment in die Jugendlichen ihnen auf ihrem Weg mit Gott helfen kann? War unsere Mitarbeit hilfreich oder nutzlos? Während wir zweifelnd zurück in den Alltag fahren, beginnt unsere Vierjährige zu singen: «Vater … dir, bin ich Hause … Vater, dir berg mich …» Uns laufen die Tränen. Unsere kleine Tochter singt und summt uns Gottes Zuspruch ins Herz. Wir hören nicht über Gottes Trost hinweg, weil er von einem Kind kommt. Wir lassen uns trösten, weil Gott es kann – durch unser Kind.

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Autor: Stefanie Diekmann
Quelle: Magazin Family 05/2025, SCM Bundes-Verlag

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