Keulen gegen Kanonen
Nach dem 30-jährigen Krieg (1618–1648) brach der Handel mit dem Ausland zusammen, was in der Schweiz eine Wirtschaftskrise auslöste. Die wiedererstarkten Nachbarländer zeigten kaum noch Interesse an Schweizer Agrarprodukten. Für die exportorientierten Bauern aus dem Emmental und dem Entlebuch war das ein Schock. Kulturelle, soziale und politische Faktoren verschärften die Spannungen zwischen Stadt und Land zusätzlich.
Als der Funke übersprang…
Misstrauen, Gewalt, Verrat, Verbannung, Unterdrückung und neue Steuern prägten das Klima. Für die luzernischen und bernischen «Untertanen» im Entlebuch und Emmental war dies Grund genug, sich gegen die städtische «Obrigkeit» zu erheben.
…und auch im Emmental das Fass explodierte
Die Aufstandsbewegung griff bald auf das Emmental über. Bauernversammlungen in Langnau, Signau und Sumiswald fanden im März 1653 fast wöchentlich statt. Der Widerstand organisierte sich schnell. An der ersten Landsgemeinde der Bauernkriegsbewegung in Sumiswald mit über 1000 Mann wurden politische und militärische Bündnisse geschlossen. Man gründete einen Kriegsrat und ernannte Niklaus Leuenberger gegen seinen Willen zum Obmann des Bauernbundes. Der 38-Jährige hatte sich in den Wochen vor seiner Wahl am 23. April 1653 als Vermittler für die Bauernsache engagiert. Seine Wahl war ihm unangenehm – noch am 4. April hatte er seiner Obrigkeit in Bern den Treueeid geleistet.
Schicksalstag 24. Mai 1653
Leuenberger zog mit einem unzufriedenen Bauernheer Richtung Bern. Kaum in Ostermundigen angekommen, lud er die Regierung zu Verhandlungen ein, die am 21. Mai begannen. Leuenberger wollte nie die Stadt erobern, sondern Streitpunkte klären. Anders sahen es Männer wie Uli Galli und viele Bauern, die Bern besetzen und plündern wollten. Am 24. Mai kam es im Murifeld zu weiteren Verhandlungen. Bern befand sich in Not, erkannte den Ernst der Lage und war zu Zugeständnissen bereit: Freigabe des Terminhandels, freier Salzverkauf, Klagerecht gegen Landvögte. Bern hätte einem Angriff kaum standgehalten. Leuenberger verzichtete jedoch darauf und glaubte an eine friedliche Lösung. Der «Murifeld-Friedensvertrag» vom 28. Mai wurde am 29. Mai von den Bauern akzeptiert und unterzeichnet. Im Glauben, Frieden geschlossen zu haben, zogen sich die Bauern zurück.
Verraten und gefangen
Die Obrigkeit nutzte den Waffenstillstand, um ihre Macht wiederherzustellen. Durch List und Gewalt schlug sie den Aufstand nieder. Die kriegerischen Ereignisse, die sich bis zum 9. Juni, dem Verrat Leuenbergers durch seinen Nachbarn Hans Bieri sowie seiner Verhaftung und Überführung nach Trachselwald zogen, seien hier nicht im Detail geschildert. Klar ist: Der Bauernhof im Schönholz war Zentrum der Bewegung. Boten der Regierung, der Tagsatzung und der Bauernräte gingen dort ein und aus. Weitere Hauptquartiere befanden sich unter anderem in Ramsei, Huttwil und Herzogenbuchsee. Heute fragt man sich, wie diese Koordination damals möglich war.
Vom Schloss in den Käfigturm nach Bern
Am 6. September 1653 wurde Niklaus Leuenberger in Bern öffentlich hingerichtet – trotz zweier Gnadengesuche. Bis zum Schluss hatte er seine friedlichen Absichten beteuert. So endete das bewegte Leben des vermeintlichen «Bauernkönigs» als Märtyrer, der sich stets für das Wohl seiner Mitmenschen eingesetzt hatte.
ZUR PERSON
Fritz von Gunten (77) hat Bücher über das Emmental geschrieben und war Projektleiter mehrerer Gedenkjahre (u.a. Gotthelf, Bauernkrieg, Täuferjahr).