Mein Herz schlägt gelb-blau
«Aufgewachsen bin ich in den 60er/70er-Jahren im ländlichen Ursenbach», erzählt Walter Ryser aus Langenthal. «Das hat mich geprägt – alle lebten nach den gleichen Werten; der Nachbar, der Lehrer, der Pfarrer.» Dass Lehrer heute nicht mehr mit dem Lineal auf die Finger schlagen, sei gut. «Doch wenn es ein Problem gab, ging er auch zu den Eltern nach Hause, um mit ihnen zu reden», stellt Ryser klar. «Es war ein Lehrer, der mich ermutigt hat, in den Journalismus einzusteigen.» Als es seinen Beruf des Schriftsetzers nach der Rekrutenschule nicht mehr gab, etablierte er sich als Journalist, war aktiver Fussballer und berichtete begeistert über Sportanlässe. Mit seiner Frau Jeannette – sie ist Luzernerin – besuchte er die Spiele des FC Luzern, später auch des SC Langenthal, dessen Verwaltungsratspräsidium er vor zwei Jahren übernommen hat.
Angesprochen auf dieses jüngste Abenteuer mit dem SC Langenthal, sagt Ryser: «Kein anderer wollte es machen, und wir sind knapp am Untergang vorbeigeschrammt.» Durch viel persönlichen Einsatz gelang die Wende. «Es hat mich alles gekostet», gesteht er. «Ich wachte manchmal nachts um zwei auf und wälzte Probleme.» Doch Ryser kann gut loslassen: «Ich überlege, was ich tun kann. Nichts – um diese Zeit geht niemand ans Telefon. Und die Welt geht auch nicht unter.» Dann schlafe er wieder ein und gehe das Problem am Morgen an.
«Es war ein Lehrer, der mich ermutigt hat, in den Journalismus einzusteigen.»
«Menschen haben Sehnsucht nach Beachtung und Wertschätzung», stellt der 64-jährige Oberaargauer fest. «Ich führte ein, dass wir jeden Sponsor, der den Klub mit 1000 oder mehr Franken unterstützt, persönlich besuchen.» Sie liessen Teigwaren in den Klubfarben herstellen und er brachte sie vorbei. «Die Reaktionen waren durchwegs positiv, der persönliche Kontakt ist sehr wichtig», betont der Macher. So baute er im Lauf der Jahre ein grosses Netzwerk auf.
Warnzeichen
Er macht den Eindruck, als sei er immer mit Vollgas unterwegs. 1995 erlitt Walter Ryser ein Burnout. Er nahm es als Warnung wahr, hört heute besser auf seinen Körper, sucht Ruhe und relativiert: «Ich muss nicht alles können – manchmal passt etwas nicht für mich, aber jemand anderes ist dafür geeignet.» Abstand zu gewinnen, das Büro zu verlassen, sich etwas anderem zuzuwenden, bedeute manchmal, dass sich neue Lösungen auftun oder das Problem bereits erledigt sei, wenn man zurückkomme. Er scheue sich auch nicht, um Hilfe zu bitten und diese anzunehmen. Heute achtet er darauf, dass er geschäftliche Probleme loslässt und sich nach der Arbeit mit Dingen beschäftigt, die ihm Freude bereiten. «Ich habe ein schönes Zuhause, eine tolle Familie, geniesse es, ein Buch zu lesen, im Liegestuhl ein Nickerchen zu machen oder einen guten Hockeymatch zu schauen.»
«Die Endlichkeit des Lebens wurde uns sehr bewusst.»
Auch der Hirnschlag, den seine Frau vor Kurzem erlitt, war ein Hinweis auf die eigene Vergänglichkeit. «Er kam aus heiterem Himmel, es gab keine Anzeichen dafür», erklärt Walter. «Um sechs Uhr früh brach meine Frau zusammen. Gott sei Dank war ich zuhause und konnte sofort reagieren – die Ambulanz war in kürzester Zeit da.» Dass Jeannette Ryser zehn Tage später das Spital verlassen und bald darauf an die Arbeit zurückkehren konnte, ist für die ganze Familie ein grosses Geschenk. Auch Tochter und Sohn waren sehr erleichtert, dass sie keine Folgen davontrug, weder ihr Sprach- noch das Bewegungszentrum waren betroffen. «Doch die Endlichkeit des Lebens wurde uns sehr bewusst.»
Gute Werte leben
Walter Ryser schätzt die christlichen Grundwerte, auf denen unsere Gesellschaft aufgebaut ist. «Wenn sich jeder an die Zehn Gebote halten würde, hätten wir keine Probleme mehr in der Welt», ist er überzeugt. Das beinhalte, auch kritisch hinzuschauen und zu handeln. Während seiner Zeit als Fussballtrainer verfolgte er eine klare Linie und war «fadegrad» ehrlich. Er habe seine Spieler hart drangenommen, wenn etwas nicht passte, zeigte damit echtes Interesse an ihrer Entwicklung. Im Sport funktioniere der Grundsatz «Zuckerbrot und Peitsche». Doch Rysers Kritik war immer mit einer zweiten Chance verbunden. «Später haben mir etliche für diesen fairen Umgang gedankt und gesagt, mit mir hätten sie die beste Zeit im Club erlebt.»
«Wenn sich jeder an die Zehn Gebote halten würde, hätten wir keine Probleme mehr in der Welt.»
Er halte sich ans Prinzip, als Chef mit gutem Beispiel voranzugehen: «Wenn ich etwas von den Leuten verlange, muss ich auch etwas leisten, sonst geht die Glaubwürdigkeit verloren.» So sind ihm Engagement, Vertrauen, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sehr wichtig. Das überträgt sich auf alle Bereiche: kein Mail, das nicht innerhalb von 24 Stunden beantwortet wird, kein Anruf, bei dem nicht innert 48 Stunden zurückgerufen wird.
Selbstständigkeit
Nach jahrzehntelanger Tätigkeit für verschiedene Regionalzeitungen, auch in leitender Position, machte sich Walter Ryser selbstständig. Er gründete eine Werbefirma, die stetig wuchs. «Vor fünf Jahren konnten sich mein Geschäftspartner und ich nicht einigen, wie wir mit der Digitalisierung umgehen wollten.» Da verkaufte er seine Anteile durch ein Management-Buyout. «Viele meiner Freunde erklärten, ich sei verrückt, das Geschäft kurz vor der Pensionierung aufzugeben.» Doch er zog es durch, gründete danach die «textwerk langenthal GmbH», eine Agentur für Kommunikation, die er nun mit Unterstützung seines Sohnes Leroy führt. Um nach der Pensionierung runterzufahren, hat er viele grössere Mandate abgegeben. «Geld, Ruhm und Macht kannst du nicht mitnehmen», stellt Ryser klar. «Ich möchte Spuren hinterlassen in dem, was ich für andere bewirkt habe.»
«Ich möchte Spuren hinterlassen in dem, was ich für andere bewirkt habe.»
ZUR PERSON
Was bringt Sie zum Lachen?
Humorvolle Leute, Alltagskomik und eine gute Filmkomödie.
Worüber denken Sie oft nach?
Ich bin ein Kopfmensch und habe immer 1000 Gedanken über das Leben, über Projekte, meine Gesundheit, über persönliche und berufliche Ziele und vieles mehr.
Was würde uns an Ihnen überraschen?
Dass ich als Kind Astronaut werden wollte, ein grosser Katzenfan bin und unter schrecklicher Höhenangst leide.