...und heute verbreitet er gute Stimmung
Die Freude bei Familie Tschanz ist gross, als Karin Tschanz 2012 schwanger wird. Sie erklärt: «Wir hatten schon zwei Jungs, aber das Gefühl, dass unsere Familie noch nicht komplett sei.» Die Schwangerschaft verläuft gut – jedenfalls bis zum Organscreening in der 23. Schwangerschaftswoche. «Da stimmt etwas nicht», äussert der Arzt den Verdacht auf eine schwere Hirnfehlbildung und zeigt auf die Fehlstellung der Füsse. Für Karin und ihren Mann Lukas ist das ein Schock.
Vernichtende Diagnosen
Der Arzt sagt sogar, das Kind könnte bald sterben, und überweist Karin für weitere Untersuchungen ins Inselspital. Es folgen zahlreiche Abklärungen. Sie erinnert sich: «Wir hatten jedes Mal versucht, optimistisch zu sein, waren dann aber immer am Boden zerstört. Wir hörten viele Diagnosen, viele beunruhigende Nachrichten.» Um das Ungeborene nicht zusätzlich zu gefährden, entscheiden sie sich gegen eine Fruchtwasserpunktion; Trisomie 21 wird nur einmal in der Aufzählung der Diagnosen genannt. «Für uns war klar, dass wir unser Kind so
nehmen, wie es ist», bekräftigt die Mutter. Dass ihr Kind wegen einer Fehlbildung theoretisch bis zum letzten Tag vor der Geburt abgetrieben werden kann, erschreckt sie damals. «Wir haben nach einer Perspektive für das Kind und uns als Familie gesucht. Es ging uns nicht um die Frage, ob wir die Schwangerschaft fortsetzen wollen», erklärt Lukas. Erst eine Professorin für Neuropädiatrie macht ihnen Mut für die Zukunft.
Die Sache mit dem Glauben
«Wir alle haben eine Vorstellung davon, wie das Leben verlaufen sollte», sinniert Lukas. «Wenn dieses Bild einen Riss bekommt, kann das unser Leben völlig auf den Kopf stellen.» Fragen schiessen ihm in jenem Frühjahr durch den Kopf: Was wird wohl auf sie zukommen? Würden sie jemals wieder glücklich sein? Und bliebe genug Zeit für die anderen Kinder? «In all dem zu glauben, dass Gott keine Fehler macht, hat mich herausgefordert», fügt Karin an.
Ein schwieriger Start ins Leben
Dann wird Levio geboren. Die Ungewissheit ist belastend, Karin weint viel. «Nach der Geburt ist klar, dass er das Down-Syndrom hat.» Nur eine Stunde später wird Levio für weitere Untersuchungen weggebracht. «Ich hatte das Gefühl, diese Situation nicht bewältigen zu können. Zwischendurch durfte ich Levio in den Arm nehmen, dann wurde er mir erneut weggenommen. Es war ein emotionales Chaos.» Nach einigen Tagen in der Neonatologie wird Levio ins Kinderspital verlegt und darf erst nach gut drei Wochen nach Hause. «Das war kräfteraubend», sagt Lukas, schliesslich mussten auch die älteren Jungs versorgt werden. Er erzählt: «Im ersten Jahr hatten wir durchschnittlich zwei Arzttermine pro Woche. Zuerst ging es um die Behandlung von Levios Klumpfüssen. Es folgten eine Herzoperation, viele Therapietermine, Untersuchungen zur Diagnose Wasserkopf und aufgrund seiner Schilddrüsenunterfunktion. Zudem entdeckten die Ärzte bei ihm ein Augenleiden.»
Familie Tschanz ist nicht allein
Karin und Lukas schöpfen Kraft aus ihrer Verbindung mit Jesus. Karin gibt offen zu: «Es gab Zeiten, da habe ich Gott nicht gespürt.» Rückblickend überwiegt die Dankbarkeit: «Unsere Eltern, Geschwister und Freunde haben uns enorm unterstützt.» Lukas ergänzt, damals hätten viele Menschen für Levio und die ganze Familie gebetet. Das Elternpaar ist sich einig: «Das Vertrauen, dass jemand einen Plan mit uns hat, liess uns an der Hoffnung festhalten.» Und so geht Familie Tschanz Schritt für Schritt vorwärts. Auch wenn sie noch nicht wissen, wie selbstständig Levio einmal leben wird, staunen Karin und Lukas über seine Entwicklung und sind dankbar, dass zehn Jahre später viel mehr möglich ist, als anfänglich vorausgesagt wurde.
«Wir können viel von Levio lernen»
«Levio entspricht intellektuell vielleicht nicht dem, was wir normal nennen. Aber ist es das, was letztlich zählt?» fragt sich Lukas. «Unser Sohn hat dafür Qualitäten, die uns manchmal abhandenkommen. Er ist endlos begeisterungsfähig, hat viel Liebe zu verschenken und verbreitet gute Stimmung. Multitasking ist hingegen nicht seine Sache. Das hat aber den Vorteil, dass er einem die volle Aufmerksamkeit schenken kann. Dies wiederum bedeutet eine hohe Qualität in der Beziehung.» Karin ergänzt: «Levios Leben ist nicht leistungsorientiert. Er erfreut sich an dem, was gerade ist.» Es gibt auch Unangenehmes. Karin ist nicht der Typ, der gerne die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Sie
erklärt: «Levio ist sehr kontaktfreudig und manchmal stehe ich mit ihm in den unpassendsten Momenten im Mittelpunkt. Das fordert mich immer wieder mal heraus.»
Rücksicht und Beteiligung
Timo (15) und Jorin (13) sind stolz auf ihren kleinen Bruder und lieben ihn. Levio ist auch in ihrem Kollegenkreis sehr beliebt. Natürlich muss auf Levio oft besonders Rücksicht genommen werden. Er braucht mehr Hilfe und seine Ämtli sind meist kleiner. Trotzdem müsse er im Familienalltag seinen Teil beitragen, sagen Karin und Lukas. Es ist ihnen sehr wichtig, dass Timo und Jorin nicht zu kurz kommen. Sie sind überzeugt: «Durch das Aufwachsen mit Levio können unsere Jungs viele wertvolle Erfahrungen für ihr Leben mitnehmen.»
Über hope21
Der Verein hope21 ist überparteilich und konfessionell neutral. Er vernetzt Eltern, welche die Diagnose Trisomie 21 für ihr Kind erhalten haben, mit Familien, die bereits mit einem Kind mit Extrachromosom leben. Sie kommen aus allen Regionen der Schweiz, bieten Einblick in ihren Alltag und stehen bei Fragen, Sorgen und Ängsten unterstützend zur Seite. Über die Website können interessierte Familien Kontakt mit einer HopeFamily aufnehmen. hope21 koordiniert die Vernetzung und begleitet die Familien im Hintergrund.
Des Weiteren steht hope21 medizinischen Fachpersonen rund um das Thema Diagnoseübermittlung zur Seite. Als sehr hilfreich erwiesen hat sich die Broschüre «Diagnoseübermittlung – die richtigen Worte finden». Sie kann über die Website heruntergeladen oder auch kostenlos bestellt werden