«Der Himmel ist Realität!»
«Im Sommer 2008 machte mein älterer Bruder im Welschland einen Sommereinsatz als Dachdecker», blendet Tobias Weber zurück. Es sollte der letzte Tag im Leben des 15-Jährigen werden …
Schmerzvoller Verlust
An jenem heissen Sommertag war Tobias mit seiner Mutter zu Hause, der Vater an der Arbeit. Um 14 Uhr stand ein Polizist vor der Tür und erklärte: «Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Sohn während der Arbeit tödlich verunfallt ist.» Das war alles. Es folgten keine weiteren Informationen, es kam kein Care-Team. Lediglich zur Identifikation ihres Sohnes wurden die Eltern aufgeboten.
«Als Teenie denkt man nicht an den Tod, da will man das Leben entdecken!»
Tobias war damals 13 Jahre alt und erinnert sich: «Mit mir gingen die Emotionen durch. Mein Bruder und ich hatten eine sehr enge Beziehung. Wir waren uns sehr ähnlich, spielten beide leidenschaftlich gern Unihockey. Nun war er tot, und ich hatte mich nicht von ihm verabschieden können.» Die Hilfe durch einen Kinderpsychologen war kontraproduktiv: «Wir haben diese Übung schnell abgebrochen, da ich vom Herz her nicht bereit dazu war», erzählt der 30-Jährige. «Als Teenie denkt man nicht an den Tod, da will man das Leben entdecken!» Der offene Austausch innerhalb der Familie habe ihm in dieser Zeit geholfen – im Gegensatz zu Begegnungen ausserhalb.
Hilflose Helfer
Einige Leute zeigten sich überfordert, angemessen auf diesen Ausnahmezustand zu reagieren. Tobias kann das nachvollziehen. Manche hätten damals die Strassenseite gewechselt, um nichts sagen zu müssen. Andere mutmassten: «Vielleicht ist ihm ja viel erspart geblieben ...» Derartige Floskeln helfen nicht weiter. «Weniger ist oft mehr, eine Umarmung reicht», sagt der nun einzige Sohn der Familie. «Zu ignorieren, was passiert ist, war das Schlimmste», betont er. Man dürfe ruhig fragen, wie er mit der Situation umgehe. «Empathie zu spüren, das tut gut!»
Unehrliche Kollegen
Zwei Jahre lang blieben die Ursache und Umstände des tödlichen Unfalls im Dunkeln. Tobias präzisiert: «Der genaue Hergang wurde von den Arbeitern vertuscht. Es ist ein Fehler passiert und am Anfang stand der Verursacher nicht dazu.» Tobias erzählt: «Mein Bruder hatte sich auf einem 40 Meter hohen Gebäude mit einem Flachdach befunden, so gross wie ein Fussballfeld. Die Arbeiter mussten an jenem Tag Brandschutzschächte montieren und dazu die Holzabdeckung der Schächte entfernen. Weil ein Arbeiter beim Wegtragen der 2 x 2 Meter grossen Elemente nicht weit genug zur Seite trat, übersah mein Bruder den Abgrund und fiel hinein …» Der Teenager stürzte 40 Meter in die Tiefe und war sofort tot.
«Als das herauskam, stieg ein grosser Hass in mir auf, ich war tief verletzt», gibt Tobias zu. Zusammen mit seinen Eltern erkannte er jedoch bald: «Wir müssen ihm vergeben. Der Entscheid liegt bei uns, ob wir bitter oder barmherzig weiterleben wollen.» Der Jugendliche hatte alle Mühe, dem Mann zu vergeben, der seinen Bruder auf dem Gewissen hatte: «Ich habe es bestimmt 100 Mal versucht ...»
«Wir müssen ihm vergeben. Der Entscheid liegt bei uns, ob wir bitter oder barmherzig weiterleben wollen.»
Überirdische Begegnung
Während seiner Berufslehre stellte sich bei Tobias eine innere Unzufriedenheit ein, die der damals 17-Jährige nicht einordnen konnte. Er suchte sich einen Seelsorger und ging das Trauma mit diesem konsequent an. «Darüber reden ist sehr wichtig», betont der heutige Jugendpastor. Dass sein Bruder so abrupt aus seinem Leben gerissen wurde, setzte ihm noch immer zu. Er hatte in seiner Kindheit stets gehört: «Gott ist gut». Wie sollte er das mit dem Tod seines Bruders zusammenbringen? Anfangs sei er sehr wütend gewesen auf den Schöpfer allen Lebens, «aber dann kam er mir so nah wie nie zuvor. Er hat mein Herz berührt, ich spürte, dass Jesus lebt und sich eine Beziehung mit mir wünscht.» Dieses Empfinden gründet auf einem aussergewöhnlichen Erlebnis. Tobias war damals 18 Jahre alt. Er berichtet: «In einem sehr realen Traum habe ich nochmals meinen Bruder getroffen. Es herrschte eine himmlische Atmosphäre und wir redeten miteinander. Er sagte, es gehe ihm gut und er geniesse es an diesem Ort. Ich solle mich entspannen, wir würden uns ja wiedersehen …» Diese überirdische Begegnung sieht Tobias noch heute als Geschenk von Gott an. Sie markiert für ihn das Ende seiner Trauer- und Verarbeitungsphase.
Langer Prozess
«Ich wusste nun zweifellos: Mein Bruder ist bei Jesus. Auch ich werde einmal bei ihm sein, wenn ich mit Jesus unterwegs bleibe.» Der Tod seines Bruders habe sein Leben fundamental verändert – «zum Guten!», findet Tobias. «Ich hatte mich schon als Teenager gefragt, wozu ich lebe, welchen Sinn es macht, auf der Erde zu sein …» In dieser Welt habe man nichts in der Hand, deshalb entschied er damals: «Gott ist meine Versicherung, mit ihm habe ich eine Perspektive, er hat etwas vor mit meinem Leben.»
Etwa zehn Jahre später schrieb Tobias einen Brief an den Unfallverursacher und sprach ihm seine Vergebung zu. «Dem ist ein langer Prozess vorausgegangen», sagt er. «Man muss der Trauer Zeit und Raum geben, anders funktioniert es nicht.» Er habe Gott sein Herz ausgeschüttet, immer wieder seine Nähe gesucht und ihn auf völlig neue Weise erlebt. Überdies empfiehlt Tobias, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. «Man kann diese Emotionen nicht einfach ‹wegbeten›, man muss sie durcharbeiten!»
«Man kann diese Emotionen nicht einfach ‹wegbeten›, man muss sie durcharbeiten!»
Perspektive für die Ewigkeit
«Der Himmel ist Realität!», hält der Burgdorfer Jugendpastor fest. «Ich war im Traum an diesem Ort – das kann mir niemand absprechen. Und das hat meine Perspektive völlig verändert.» Tobias betont: «Wie wir auf der Erde leben – mit oder ohne Gott –, hat Konsequenzen.» Er fordert dazu auf: «Sei dankbar für dein Leben. Du weisst nie, wie lange du noch hier bist! Und vergiss nicht: Es gibt einen
Gott, der dich bedingungslos liebt, der dein Freund sein möchte.»
Sehen Sie sich hier den Talk an:
ZUR PERSON
Mein Lieblingsplatz in Burgdorf:
Flüeh
Meine Lieblingsbeschäftigung sonntags bei Regen:
Live Sport
Mein Hobby:
Unihockey
Dieses Buch liegt auf meinem Nachttisch:
Atomic Habits von James Clear
Dafür bin ich dankbar:
Eine lebendige Beziehung zu meinem Schöpfer zu haben