«Herausforderungen finde ich spannend»

André Bachmann
André Bachmann führt ein eigenes Treuhandunternehmen in Neunkirch. Es bietet neu einen Ausbildungsplatz. Zuvor war er Gemeindepräsident in Gächlingen. Mit seinem Engagement möchte er zur Entwicklung der Gesellschaft und der Region beitragen.

«Das war ein schrecklicher Schlag, als meine ältere Schwester an Krebs starb», erzählt André Bachmann. «Ihr Mann blieb mit den drei kleinen Kindern zurück.» Der damals 17-Jährige, seine Familie und zahlreiche Freunde hatten intensiv gebetet und Gott angefleht, die junge Mutter zu heilen. Gott reagierte anders, als sie es erhofft hatten. «Wir verstanden das nicht, aber wir vertrauten Gott trotzdem», sagt André rückblickend. Er wurde im christlichen Glauben erzogen und pflegt eine persönliche Beziehung mit Jesus Christus. In dieser schwierigen Zeit habe die Familie Gottes Nähe erlebt – Trost, Kraft und Mut, um weiterzugehen. «Das war eine eindrückliche Erfahrung», betont André und fügt an: «Gottes Fürsorge hat sich immer wieder als verlässlich erwiesen.» Heute seien die Kinder seiner Schwester fest im Leben verankert: «Sie sind an diesem Verlust nicht zerbrochen», sagt er dankbar.

Frühe Verantwortung

André wuchs mit vier Geschwistern im Aargau auf. Nach der kaufmännischen Lehre in der kantonalen Verwaltung folgte ein Praktikum bei der Kantonalbank und später die Weiterbildung zum Bankfachmann. Viele Jahre arbeitete er auf einer Regionalbank. «Ich durfte schon jung Verantwortung übernehmen und wuchs so in die Führungsrolle hinein», erklärt der 59-Jährige. Er leitete eine Bankfiliale, führte 15 Mitarbeitende und organisierte die Zusammenführung verschiedener Aussenstellen. Der Kundenkontakt und die Führungsarbeit erfüllten ihn – bis er 2015 die Branche verliess. 

Geschieden, aber versöhnt

1990 heiratete er seine Jugendliebe aus der Kirche. Vier Kinder wurden ihnen geschenkt, gemeinsam waren sie in einer Freikirche engagiert. Während er ausser Haus voll berufstätig war, führte seine Frau den Haushalt und kümmerte sich um die Kinder. Nach 15 Jahren zeigte sich, dass die Ehe nicht halten würde – eine enorme Herausforderung für ihn als Christ. «Was Gott zusammenfügt, soll der Mensch nicht scheiden» – dieser Bibelvers hatte ihn geprägt. Scheidung war in seinem Umfeld undenkbar, und nun stand er vor den Trümmern seiner Ehe. André fühlte sich schuldig, litt vor Gott und Menschen. In seelsorgerlichen Gesprächen setzte er sich ehrlich mit seinem eigenen Anteil auseinander, ging alte Verletzungen an und bat Gott um Vergebung. Die Geschichte vom verlorenen Sohn, nachzulesen in der Bibel im Lukas-Evangelium, Kapitel 15, Verse 11–32, ermutigte ihn. Dieser hatte sein Erbe verprasst und als eine Hungersnot ausbrach, landete er als Knecht im Schweinestall. Für einen Juden war das der absolute Tiefpunkt. Hungrig und völlig entmutigt kehrte er nach Hause zurück. Er wollte seinen Vater bitten, ihn bei sich anzustellen. Doch der nahm ihn mit offenen Armen auf und bekräftigte: «Du bist mein Sohn!» Ihm wurde vergeben und er bekam wieder die Würde und Stellung als Sohn. André ist überzeugt: «Gott vergibt gern, wenn wir unsere Schuld eingestehen. Er schenkt uns eine weitere Chance.»

«Gott vergibt gern, wenn wir unsere Schuld eingestehen. Er schenkt uns eine weitere Chance.»

Seit dem Scheitern seiner ersten Ehe habe er ein weites Herz für Menschen, denen nicht alles gelinge. Intakte Beziehungen entsprächen Gottes Wunsch – doch wenn sie zerbrechen, lasse er seine Kinder nicht fallen. Jahre später fasste André neuen Mut und heiratete seine heutige Frau. Sie wohnte mit ihren drei Kindern in Gächlingen. An Wochenenden kamen nun seine vier dazu, das Haus war voller Kinderlachen. Die Familie wuchs zusammen, bis heute verstehen sich alle gut. Mittlerweile gehören vier Enkelkinder dazu. Auch mit seiner Ex-Frau hat André Frieden geschlossen. Beide haben einander vergeben und treffen sich heute als versöhnte Grossfamilie.

Selbstständigkeit und Gemeindepolitik

Als alle Kinder ausgezogen waren, kündigte André seine Stelle bei der Bank. Er machte sich mit seinem Treuhandunternehmen selbstständig und übernahm zugleich das Präsidium der Gemeinde Gächlingen. «Während der aktiven Familienzeit hätte ich das nicht getan, das wäre zu viel gewesen», stellt er klar. Politisch war er zuvor nicht aktiv gewesen – ein Kaltstart. Lächelnd meint André: «Herausforderungen finde ich spannend.» Der vorherige Gemeinderatspräsident erklärte, die grossen Projekte seien abgeschlossen. Kurz darauf entstanden mehrere neue Wohnsiedlungen, junge Familien zogen zu, die Einwohnerzahl stieg von 800 auf über 1000. Die Schülerzahl verdoppelte sich beinahe. «Wir mussten rasch handeln, einen neuen Kindergarten und einen Schulhausanbau realisieren», erinnert sich André. Mit seinem Team packte er an – getragen von einer positiven Stimmung im Dorf.

Corona: Führung in der Krise

Parallel präsidierte er den Verwaltungsrat des regionalen Altersheims mit zwei Standorten. Er begleitete die Fusion der beiden Heime – als plötzlich die Coronapandemie ausbrach. «Ich sah im Fernsehen, wie in Italien Verstorbene per Militärlastwagen abtransportiert wurden …» Diese Bilder liessen André nicht los. Wie würde es der eigenen Bevölkerung ergehen?

Betend lief er damals ums Dorf, bat Gott um Weisheit. Er hatte nicht nur die Sicherheit der Einwohner, sondern auch jene der Heimbewohner und dortigen Mitarbeitenden zu gewährleisten. Es galt, Schutzmassnahmen umzusetzen und zu überwachen. «Wir mussten hinnehmen, dass trotz aller Vorsicht einzelne der Betreuten starben», sagt André leise. Entscheidungen zu treffen, war herausfordernd – Erfahrungswerte gab es keine. Im Gebet suchte er Rat bei Jesus und erlebte, wie er Kraft, Mut und Weisheit erhielt. «Wir Christen sind nicht besser als andere Menschen», betont er, «aber wir haben einen Horizont, der über den Tod hinausreicht.» Er wisse, woher er komme, wohin er gehe – und dass Gott ihn führe. 

«Ich werde nicht jünger und merkte, dass ich nicht mehr so viele Hüte tragen will.»

Viele Hüte, neue Prioritäten

Während zweier Amtsperioden diente André als Gemeindepräsident und baute zugleich seine Treuhandfirma auf. «Ich werde nicht jünger und merkte, dass ich nicht mehr so viele Hüte tragen will.» Ein 140-Prozent-Pensum sei auf Dauer nicht gesund. Heute konzentriert er sich voll auf seinen Betrieb und sein fünfköpfiges Team.

Gemeinsam mit seiner Frau liebt André das Campieren. «Manchmal fahre ich auch allein mit meinem Büssli weg, laufe an einem schönen Ort durch die Natur und geniesse die Schöpfung.» In diesen Momenten reflektiert er im Gespräch mit Gott seine Planung: «Die Welt dreht sich auch ohne mich», sagt André. Trotz der düsteren Weltlage vertraut er darauf, dass Gott alles in der Hand hat. Auch seinen Enkeln traut er zu, dass sie ihren Weg finden werden und ein erfülltes Leben gestalten können. Der gereifte Unternehmer bleibt zuversichtlich: «Aus Schwierigem kann Positives entstehen – ich habe es erlebt.»

ZUR PERSON

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Autor: Mirjam Fisch
Quelle: Hope Regiozeitung