Von «Schwarze Spinne» bis «Ueli der Knecht»
Der berühmteste Spruch im Schweizer Volksmund und somit Kulturgut ist: «Wie zu Gotthelfs Zeiten» – wie damals… «Als Schriftsteller», so beschrieb ihn Walter Muschg 1954, «ist dieser Aussenseiter… fraglos nicht nur der grösste, sondern der einzige Erzähler ersten Ranges in der deutschen Literatur, der Einzige, der sich mit Dickens, Balzac oder Dostojewskij vergleichen lässt.»
Die Werke des Pfarrers sind heute noch treffend zeitgemäss. Dieses umfassende Nachschlagewerk des Ausnahmekönners Gotthelf bietet eine Sammlung von Romanen, Quellen, Notizen inklusive Briefen und anderem, die zugänglich gemacht wurden.
Fast alles per Klick und Triebfeder-Glaube
Gemeinsam mit einem Team der Hochschule der Künste in Bern und dem Programmierteam der Firma Pagina GmbH hat die Forschungsstelle Jeremias Gotthelf diese digitale Gesamtausgabe umgesetzt. Dahinter steckt viel Arbeit. Die öffentliche Vernissage fand am 23. Mai statt.
Das digitale Sammelsurium, das interaktiv bedienbar ist, stellt sich wie folgend vor: «Nun können hier noch mehr Texte des Lützelflüher Pfarrers Albert Bitzius (Jeremias Gotthelf), etwa seine Auffassung von der Rolle des Pfarramtes, erkundet werden… Der christliche Glaube ist die bestimmende Triebfeder im Leben von Albert Bitzius. Auch seine politische Publizistik, sein Engagement für die Armen und sein Kampf gegen gesellschaftliche Missstände lassen sich in erster Linie auf seine theologischen Überzeugungen zurückführen.»
Als Pfarrsohn von Murten nach München
Albert Bitzius wurde am 4. Oktober 1797 in Murten als Sohn des reformierten Pfarrers Sigmund Bitzius und dessen dritter Frau Elisabeth geboren. Jeremias Gotthelf (Pseudonym) liess sich nach dem Studium in der Schweiz auch einige Jahre in Deutschland theologisch ausbilden. Gotthelfs Gedenktag im Namenkalender der Evangelischen Kirche in Deutschland ist der 22. Oktober.
Zu seinen Ehren wurden in vielen Ortschaften wie Zürich, Bern und Basel Strassen nach ihm benannt, wobei in Basel ein ganzes Quartier, das Gotthelf-Quartier, seinen Namen trägt. Im August 2012 wurde das «Gotthelf Zentrum Lützelflüh» im ehemaligen Pfarrhaus und in den dazugehörigen Gebäuden eröffnet.
«Der Spinner» – mit den Grössten verglichen
Einzelne Werke wurden bereits zu Lebzeiten etwa ins Französische, Englische, Holländische und Lettische übersetzt; nach seinem Tod kam Chinesisch und Spanisch dazu. Die Novelle «Die Schwarze Spinne» von 1842 ist so populär, dass es nebst Musicals seit 2021 eine Neuverfilmung als Kinoversion gibt.
Weitere Verfilmungen folgender Werke gehören zu den Schweizer Klassikern: Uli der Knecht, 1954 mit Darsteller Hannes Schmidhauser und Liselotte Pulver; Uli der Pächter, 1955; Die Käserei in der Vehfreude, 1958 mit Margrit Rainer; Anne Bäbi Jowäger, 1960 mit Ruedi Walter; Geld und Geist, 1964; Die schwarze Spinne, 1983 mit Walo Lüönd und 2021 mit Anatole Taubman, Lilith Stangenberg und Marcus Signer.
«Anmächelig» zum Eintauchen
Die Macher von «Gotthelf digital» animieren: «Warum nicht einmal ‘Die schwarze Spinne’ im Wortlaut der Originalhandschrift von Gotthelf erkunden?» Jeweils mit dem passenden Link.
Oder zu «Kirchliche Schrift»: «Du bist vor allem historisch interessiert? Der Schriftsteller Jeremias Gotthelf war unter seinem eigentlichen Namen Albert Bitzius ein Pfarrer und gehörte zu den liberalen Kreisen…» So kann man sich in unzählige Hintergrund-Infos und Originalpapiere vertiefen.
Gotthelf-Zitate
Diverse Zitate Gotthelfs sind ebenfalls wiedergegeben, etwa:
«Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland.»
«Vor dem Essen stören die Gedanken des Magens die Gedanken der Seele.»
«Wie oft verglimmen die gewaltigsten Kräfte, weil kein Wind sie anbläst!»
«Es dünkte ihn, Gott könne fast nicht anders, er müsse das Meitschi ihm in den Weg führen, wie er einst die Rebekka an den Brunnen geführt, wo Elieser wartete.»
«Das wahre Glück des Menschen ist eine zarte Blume; tausenderlei Ungeziefer umschwirret sie; ein unreiner Hauch tödtet sie.»
Auf dem Zeitstrahl surfen
Es gibt einen grafischen Zeitstrahl, auf dem man die Dokumente in der Chronik lesen kann. Der Leser steigt so in den Alltag des Pfarrers ein. Zu den Papieren führen Beschriebe wie:
- Februar 1836: Der Bruder Fritz stirbt als Söldner in griechischen Diensten am 16. Februar in Rumelien im Kampf gegen die ‚Räuber‘ (Klephten, die Unabhängigkeitskämpfer).
- Mai 1836: Der Pädagoge Friedrich Fröbel verlässt nach mehrjährigem Aufenthalt und pädagogischem Wirken die Schweiz.
- Juli 1836: Am 20. Juli stirbt die Mutter Elisabeth Kohler.
- Dezember 1836: Der Roman «Der Bauern-Spiegel» erscheint im Dezember 1836 im Burgdorfer Verlag Langlois.
Die Plattform bietet also umfangreiche Infos zum Forschen oder gesamte Literaturwerke, die man einfach geniessen kann.
Zum Online-Portal:
Gotthelf-digital.ch
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