Wer schreibt, der bleibt …

Persönliche Erfahrungen dokumentieren bedeutet Geschichte zu schreiben
Tagebuch schreiben ist keine weit verbreitete Tugend. Doch es ist entscheidend, eigene Erfahrungen festzuhalten. Für uns selbst – und im Blick auf nachfolgende Generationen.

Im Alltag ist das Gespräch das Kommunikationsmittel Nummer eins. Richtig wichtige Dinge werden aber aufgeschrieben, zum Beispiel Urkunden oder Verträge. Oder Schwimmabzeichen. Zum Angeben im Schwimmbad gibt es Aufnäher, aber es gibt auch ein unterschriebenes Dokument dazu, das man selbst in 50 Jahren noch lesen kann.

Zur ganzen Wahrheit gehört: Alles, was für die Generationen nach uns einmal über unsere Zeit zu lesen sein wird, das muss hier und heute von uns geschrieben werden. Deswegen hier die Einladung, Erfahrungen aufzuschreiben und sie anderen zugänglich zu machen. Oder andere zu bitten, das Wichtigste aus ihrem Leben aufs Papier zu bringen: Den meisten von uns fällt das Formulieren nicht zu, aber einmal begonnen geht es oft besser als gedacht.

So bei meinen Eltern. Sie haben beide in ihren Sechzigern ihr Leben als Buch aufgeschrieben. Meinem Vater hatten wir zu seinem Einstieg in den Ruhestand ein handgeschriebenes Buch gebastelt. Gemeinsam mit den meinen Kindern, damals im Grundschulalter, haben wir Fragen über sein Leben herausgesucht und formuliert, die er handschriftlich beantwortet hat. (Für meine Mutter gab es dann schon ein gedrucktes Buch zum Hineinschreiben.)

Fragen zu ihrem ganz normalen Leben, früher und heute. Und Fragen zu ihrem Innenleben, ihren Gotteserfahrungen und den Herausforderungen ihrer Zeit. Das sind echte Zeugnisse ihres Lebens, und auf die hoffentlich unrealistische Frage: «Ihr Haus brennt, was nehmen Sie mit?» – diese Bücher wären dabei.

Mut zur Öffnung

Manchmal ist der Stoff auch schon da und es braucht nur den Mut, sich zu öffnen und zu zeigen. Viele haben Tagebücher, die festhalten, wie ihr äusserer und innerer Weg durch das Leben verlaufen ist. Die meisten, die schon mal in ihren alten Tagebüchern gelesen haben, erleben, dass ganz viel Kraft und Freude beim Entdecken der Aufzeichnungen zu finden sind. Manchmal kommen auch beklemmende Gefühle dabei hoch. Wenn es um Krisenmomente oder Krankheitsphasen oder Konflikte geht. «Ja, das gehörte alles dazu.»

Tagebücher entfalten ihren Wert oft Jahrzehnte später. Manchmal haben sie im Nachklang eine besondere Kraft für die nachfolgende Generation. Meine Frau fand das Tagebuch ihres Vaters nach dessen Tod. Er hatte jeden Tag knapp notiert, was geschehen war. Und während sie dachte, dass ihr Vater an ihr als Teenagerin kaum interessiert war, merkte sie jetzt, wie er Tag für Tag an sie gedacht, über sie geschrieben und sie auf seine Art geliebt hatte.

Wem es zu persönlich ist, seine kompletten Tagebücher zu öffnen, kann immerhin einzelne Passagen vorlesen, Abschnitte herauskopieren oder wichtige Sätze noch mal abschreiben und teilen. Es wäre zu schade, wenn diese Schätze nie für die Kinder und Enkel und nachfolgende Generationen gehoben würden und irgendwann im Altpapier landen.

Der Wert dieser Bücher? Sie sind oft eine Erinnerung, dass Gott mit seiner Kraft und seinem Trost da war. In «normalen» Phasen, aber auch besonders in Ausnahmesituationen. Beim Feiern und beim Kämpfen.

Auch andersrum

Meine Nachttisch-Schublade ist voll von Briefen und Zetteln meiner Kinder. Von den Bildern der Dreijährigen bis hin zu den Briefen der inzwischen Erwachsenen. Von humorigen Bildcollagen bis hin zu sehr ernsthaften Schreiben. An allen diesen Schriftstücken freue ich mich, sie berühren mein Herz.

Auch die Jüngeren sind eingeladen, den Dialog aufzunehmen. Sie haben das Potenzial durch das, was sie schreiben, so viel Einfluss zu nehmen: Denn viele der Älteren freuen sich über kaum etwas mehr als über eine Rückmeldung aus der «jungen Generation». Und wenn die dann noch positiv ist …

Und wem das alles zu gross ist: Hängt euch wichtige Sätze an die Wand. An den Kühlschrank. Bibelverse, die für euch gerade wichtig sind. Zitate von Menschen, die ihr euch unbedingt merken wollt. Der Dreiklang heisst: Aufschreiben. Sichtbar machen. Weitergeben.

Bei Gundlachs hängt 2025 das Grundgesetz als Kalender an der Wand. Monat für Monat erinnert uns ein Ausschnitt aus dem Grundgesetz an die Freiheit, in der wir leben dürfen. Das ist auch ein Text, der unsere Gesellschaft seit Generationen (genau seit 1949) prägt. Ein Text, in den die Erfahrungen des Weltkriegs ebenso eingeflossen sind wie die Jahrzehnte davor. Überlegungen, Enttäuschungen und Hoffnungen. Wir staunen jeden Monat, wenn wir umblättern, wie aktuell viele Formulierungen sind. Und die ersten Worte des Grundgesetzes lauten: «Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen …» Eine gute Hinterlassenschaft auf stabilem Fundament.

Deswegen: Wichtiges aufschreiben und sichtbar machen. Für uns selbst als Erinnerung und für andere Generationen als Ermutigung.

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Autor Markus Spieker im Talk: Wie schreibt man ein 1'000-seitiges Buch über Jesus?
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Autor: Martin Gundlach
Quelle: Magazin Aufatmen 4/2025, SCM Bundes-Verlag

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