Samstag, 4. Mai 2024

«Unser Einsatz trägt Früchte»

Yves Zellweger
Yves Zellweger aus St. Gallen war lang der beste Schweizer im Weitsprung. Nach seiner aktiven Karriere als Leichtathlet baute er mit Gleichgesinnten ein Leichtathletik-Leistungszentrum für die Ostschweiz auf. Heute leitet er die Sportschule Appenzellerland in Teufen und engagiert sich für den Nachwuchs.

Wie seine Schwester und die beiden Brüder war Yves Zellweger schon als Kind begeistert von verschiedenen Sportarten. Aufgewachsen ist er in Altstätten, im St. Galler Rheintal. «Als Bub besuchte ich die Jugendriege und lernte so die unterschiedlichsten Disziplinen kennen», erklärt der 37-Jährige. Er übte sich im Mehrkampf und Dreisprung, konzentrierte sich schliesslich auf den Weitsprung.

Als Profi betrug seine persönliche Bestleistung 8,03 Meter. 2014 nahm er an der Heim-EM in Zürich teil, wo er den Finaleinzug im Letzigrund nur um wenige Zentimeter verpasste. Mehrmals wurde er Schweizer Meister, so auch im Dreisprung. Dazu nahm er an Team-Europameisterschaften teil. 2016 zog sich Zellweger eine massive Knieverletzung zu. Anstatt an der nächsten EM teilzunehmen, beendete er seine aktive Karriere als 30-Jähriger ein Jahr früher als geplant.

Spitzenathleten unter den Fittichen

Seit 2011 hatte der ehemalige Sekundarlehrer zum Trainerteam bei Appenzellerland Sport gezählt. Nach dem Ende seiner Karriere als Leistungssportler konnte er hier vollamtlich einsteigen. Mittlerweile leitet er die Sportschule, sein Kollege René Wyler das Sportleistungszentrum. Ein ganzes Team von Trainern, darunter René Wyler und sein Bruder Karl wie auch Yves Zellweger, trainieren seit mehreren Jahren den Mehrkämpfer Simon Ehammer. Gemeinsam haben sie es geschafft, dass der 22-Jährige heute zu den internationalen Spitzenathleten zählt. Noch immer arbeiten sie in Teufen mit ihm.

Jede Woche sind es 49 Trainingsgefässe, die den altersdurchmischten Sportlerinnen und Sportlern zur Verfügung stehen. So kann es sein, dass ein Sekundarschüler zusammen mit Europameister Simon Ehammer in der Halle schwitzt und sich von seinem Vorbild motivieren lässt. Der 184 cm grosse Appenzeller absolviert bei Wettkämpfen jeweils am ersten Tag einen 100-Meter-Lauf, Weitsprung, Kugelstossen, Hochsprung und einen 400-Meter-Lauf. Am zweiten Tag 110-Meter-Hürdenlauf, Diskuswurf, Stabhochsprung, Speerwurf und 1'500-Meter-Lauf.

Schulen und Behörden mit im Boot

Appenzellerland Sport unterstützt junge Sportlerinnen und Sportler dabei, ihr Potenzial auszubauen. Sie sollen auf ihrem gesamten Karriereweg vom Nachwuchs bis zum Spitzensport begleitet werden. Dazu bietet Appenzellerland Sport die Rahmenbedingungen und hochqualifiziertes Personal, das auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft basierendes Know-how einbringt. Um die schulische oder berufliche Ausbildung optimal mit dem sportlichen Engagement zu verbinden, arbeiten sie mit den Sekundarschulen Teufen, Herisau, Trogen/Wald/Rehetobel, der Kantonsschule Trogen und dem Berufsbildungszentrum Herisau zusammen. So ist eine erfolgreiche Bildungs- und Förderinstitution entstanden, die Jugendlichen ermöglicht, durch angepasste Stundenpläne zwei berufliche Standbeine aufzubauen. In der Schweiz können nur wenige Spitzensportler von ihren Erfolgen leben. Die meisten brauchen einen Rückhalt im Beruf, um ihr Leben zu finanzieren.

Inklusion ist selbstverständlich

Yves Zellweger ist seinem Turnverein in Altstätten bis heute treu geblieben. Er trifft dort seine Freunde und hält sich auch mit ihnen zusammen fit. «Die Vereine und Clubs machen viel für die Jugend», betont er. Sie organisieren Mannschaftssporttrainings, Wettkämpfe und arbeiten mit seinem Team zusammen.

Zuweilen suchen die Verantwortlichen gemeinsam nach guten Lösungen für ihre Schützlinge, wenn Schule, Berufsausbildung, Athletik- und Sporttraining oder eine Unterkunft organisiert werden müssen. «Unsere Sportschule arbeitet mit öffentlichen Partnern zusammen und ist zu einem Drittel vom Kanton und den Schulgemeinden finanziert», erklärt Yves Zellweger.

Alle vier Jahre werden die Leistungsvereinbarungen erneuert, weil die öffentlichen Schulen nicht alle Angebote selbst erbringen können. Hier delegieren sie an die Profis. Jugendliche mit Handicap gehören ebenfalls zu den Nutzniessern. So findet das Krafttraining des sehbehinderten Mark Bleiker hier statt. Auf der Piste wird er vom Swiss Paralympic Ski Team begleitet. Auch die querschnittgelähmte Leichtathletin und Cyclerin Sandra Graf trainierte lange hier. Inklusion ist selbstverständlich für das Team von Appenzellerland Sport.

Eine Schule fürs Leben

Auch wenn er nicht mehr als Leistungssportler aktiv ist: Die Freude an sportlicher Betätigung ist Yves Zellweger geblieben. Und die gibt er an Gleichgesinnte weiter. «Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer Arbeit Werte vermitteln und junge Menschen positiv beeinflussen», hält er fest. «Alle, die zu uns kommen, machen das freiwillig.» Sie seien motiviert, selbst oder als Mannschaft vorwärtszukommen. Immer wieder würden aus ehemals aktiven Athletinnen und Athleten später auch Trainerinnen oder Schiedsrichter. «Sie wollen etwas von dem zurückgeben, was sie bekommen haben.»

Nebst Fitness-, Ausdauer- und Krafttraining wurden ihnen Werte wie Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Hilfsbereitschaft vermittelt und vorgelebt. Gemeinsam zu trainieren, zu spielen und Siege zu feiern, Wettkämpfe zu erleben und Niederlagen zu überwinden, sei eine Schule fürs Leben, hält Zellweger fest. Jede Woche 5-10 Trainings zu absolvieren, zum Teil schon ab sechs Uhr morgens oder dann bis spät abends, lasse Resilienz wachsen. «Unser Einsatz trägt Früchte», ist der einstige Leistungssportler überzeugt. «Dem ganzen Team bereitet es grosse Freude, sich für andere einzusetzen.»

Autor: Mirjam Fisch
Quelle: HOPE-Regiozeitungen