«Ich habe immer Hoffnung für diese Welt»
Ihre Durchlaucht Nora von Liechtenstein, Sie feierten am 31. Oktober 2025 Ihren 75. Geburtstag. Erzählen Sie uns eine schöne Kindheitserinnerung!
Da gab es einige. Weihnachten war immer ein Riesenfest – allerdings mit gemischten Gefühlen verbunden, solange ich noch ans Christkind glaubte … Kaum hatte das Glöckchen geläutet und ins Zimmer mit dem geschmückten Christbaum geladen, wäre ich am liebsten ans Fenster gesprungen. Zuerst hiess es jedoch «Stille Nacht» zu singen und dem Weihnachts-Evangelium zu lauschen. Natürlich war das Christkind danach längst abgefahren (lacht).
Was verbindet Sie mit der Schweiz?
Die Schweiz ist für mich fast eine zweite Heimat. Ich bin in Zürich geboren, habe in Genf studiert (Internationale Beziehungen, A. d. R.) und mich der Schweiz immer sehr nah gefühlt.
Sie machen sich seit Jahrzehnten stark für den Sport – als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees IOC und besonders für die Special Olympics. Was bedeutet Ihnen letzteres Engagement?
Es bereitet mir grosse Freude und wird oft verwechselt mit den Paralympics. Ich begleite das ganze Jahr über Sportlerinnen und Sportler mit geistiger Beeinträchtigung. Deren Einstellungen dem Sport gegenüber und die Atmosphäre sind unvergleichlich. Diese Menschen sind so spontan, voller Liebe und kennen keine Filter. Wir können viel von ihnen lernen. Sie zeigen uns, dass es mehr gibt als Leisten und Gewinnen.
Erinnern Sie sich an ein konkretes Erlebnis?
Ein junger Schwimmer hatte gerade erst eine Goldmedaille gewonnen und soeben einen weiteren Wettkampf bestritten, ohne gross zu brillieren. Seine Mutter meinte zu ihm, er hätte doch das Zeug gehabt für eine zweite Goldmedaille. Der Sohn antwortete: «Ich habe doch schon eine – und der andere hatte noch keine!» Das zeigt die gegenseitige Hilfe und wie wichtig es für den Aufbau und die Unabhängigkeit dieser Sportler ist, unter ihresgleichen Wettkämpfe zu bestreiten.
Wie halten Sie sich persönlich fit?
Ich bin früher sehr gern Ski gefahren. Seit längerer Zeit besuche ich zweimal wöchentlich eine Gymnastikstunde. Und – ich hätte es selbst nie gedacht, aber es ist sehr effektiv – seit einem Jahr stemme ich Gewichte, um meine Muskulatur zu stärken.
Als Sportseelsorger kümmere ich mich um die mentale Stärke von Athletinnen und Athleten. Spitzensport und Glaube – passt das für Sie zusammen?
Natürlich! Glaube passt zu allem. Es erleichtert das Leben, mit einem gefestigten Glauben zu leben. Gerade für Spitzensportler, die unter Stress stehen und extremen Situationen ausgesetzt sind, ist der Glaube schon wichtig.
«Gerade für Spitzensportler, die unter Stress stehen und extremen Situationen ausgesetzt sind, ist der Glaube schon wichtig.»
Sie leben seit 1988 in Spanien und haben mit Ihrem verstorbenen Mann Vicente Sartorius y Cabeza de Vaca (1931–2002) eine Tochter: Was war Ihnen in der Erziehung von María Teresa (33) das grösste Anliegen?
Ihre Geborgenheit und der Zusammenhalt zwischen den Familien. Meine Tochter ist mit Stiefgeschwistern aufgewachsen, Kinder aus der ersten Ehe meines Mannes. Gute Freunde, ein positives Umfeld waren mir für María Teresa wichtig. Ich habe auch auf ihre religiöse Erziehung geachtet. Es war mir ein Anliegen, ihr durch die Religion ein solides Fundament zu geben; wir sind römisch katholisch. Sie sollte wissen, was im Leben zählt, um später nicht in eine innere Leere zu fallen.
Sie haben für internationale Organisationen wie die Weltbank gearbeitet und sich für Entwicklung und Umwelt eingesetzt. Welche Werte leiten Sie?
Die Umwelt war schon als Kind sehr wichtig für mich. Meine Eltern waren sehr naturverbunden, wir gingen jeden Tag raus. Mein Vater hatte als junger Mann in Wien Bodenkultur studiert. Von ihm lernte ich viel, so auch die Namen der Pflanzen. Ich habe die Natur immer im Zusammenhang mit dem Menschen gesehen, als Ganzes. Als Schöpfung, in der alles zusammenhängt, für die wir verantwortlich sind und innerhalb derer sich viel Positives umsetzen lässt. Ich habe selbst einige Jahre regenerative Landwirtschaft betrieben. Der Boden ist der grösste CO2-Schlucker. Leider wird die Umweltfrage heute oft auf extreme Weise betont. Den Menschen in der Natur nur noch als Störfaktor zu sehen und ihn zur Untätigkeit zu verdammen – das entspricht nicht meiner Sichtweise. Wir müssen uns in der Natur auskennen und auf sie hören. Dann kommen wir auch weiter.
Wie verbinden Sie persönliche Überzeugungen mit der Verantwortung, die Ihre Rolle als Mitglied einer traditionsreichen Familie mit sich bringt?
Meine persönliche Überzeugung stimmt mehrheitlich damit überein. Hier spielt meine langjährige Familientradition, das Festhalten an gewissen Werten, eine grosse Rolle – ob Glaube, Lebensführung, Verantwortung der Umwelt oder dem Umfeld, also Menschen gegenüber. Gerade als junger Mensch gerät man weniger in Versuchung, Dummheiten zu machen, weil man weiss, dass dies höhere Wellen schlagen würde. Andererseits ist es auch unangenehm, so häufig beurteilt zu werden. Aber darüber kommt man hinweg.
Liechtenstein gilt als stabiles Land mit hoher Lebensqualität. Worauf ist dies Ihrer Meinung nach zurückzuführen?
Es gibt viele Gründe. Die Liechtensteiner gelten als familienorientierte und vernünftige Menschen. Sie lassen sich nicht leicht von haltlosen Ideen täuschen und verfügen über ein hohes Bildungsniveau. Als kleines Land können wir gesetzlich schnell und flexibel auf Veränderungen reagieren. Auch wenn sich nicht alle 40'000 Einwohner persönlich kennen, weiss man doch voneinander. Diese Verbundenheit wirkt sich positiv auf das politische Geschehen aus.
«Die Liechtensteiner gelten als familienorientierte und vernünftige Menschen.»
Unsere Zeitung thematisiert die Hoffnung. Was bedeutet Hoffnung für Sie persönlich – und wo schöpfen Sie Kraft in schwierigen Zeiten?
Meine Hoffnung mache ich grundsätzlich an meinem Glauben fest – auch weil ich die Hoffnung habe, dass dieser Weg einmal in den Himmel führt. Am Schluss ist immer Licht am Ende des Tunnels. Kraft schöpfe ich aus meiner religiösen Einstellung und meinem Gebet. Natürlich auch aus meinem Umfeld, meine Familie und Freunde, die auch für mich da sind, wenn ich mal «down» bin.
«Am Schluss ist immer Licht am Ende des Tunnels. Kraft schöpfe ich aus meiner religiösen Einstellung und meinem Gebet.»
Haben Sie (noch) Hoffnung für diese Welt. Wenn ja, worin gründet diese?
Ich habe immer Hoffnung für diese Welt! Ich hatte auch genügend Geschichtslektionen, um zu sehen, dass es ärgere Zeiten gab – sehr unangenehme Dinge, über die man heute vielleicht einfach mehr weiss. Mir ist es auch wichtig, mich mit hoffnungsvollen Inhalten auseinanderzusetzen: hilfreiche Neuigkeiten aus der Wissenschaft etwa oder Menschen, die Gutes bewirken. Angesichts der vielen negativen Dinge in der Welt brauchen wir einen globaleren Blick und sollten uns um positive Nachrichten und Einstellungen bemühen.
«Angesichts der vielen negativen Dinge in der Welt brauchen wir einen globaleren Blick und sollten uns um positive Nachrichten und Einstellungen bemühen.»
Welche Bedeutung hat die Kirche heute für die Menschen?
Die Kirche bietet einen grossen Halt. Ich glaube, man muss deren Grundsätze und Hintergründe sehen und Menschen selber verzeihen, wenn sie fehlgeleitet waren. Für mich persönlich hat die (katholische) Kirche eine grosse Bedeutung. Ich war acht Jahre lang in einem katholischen Internat mit Klosterschwestern. Nach dieser Zeit war Religion für mich während zehn Jahren äusserste Nebensache. Heute engagiere ich mich relativ stark in der Kirche.
Verraten Sie uns Ihr Gottesbild?
Mein Gottesbild ist ein sehr persönliches. Gott Vater spielt eine grosse Rolle bei mir, ich kann’s sehr gut mit ihm – auch mit Christus. Ich muss hinzufügen, seit ich die Serie «The Chosen» gesehen habe, hat sich mein Bild von Jesus erweitert. Plötzlich sah ich ihn nicht mehr als strengen Lehrer, sondern als jemanden, mit dem man auch lachen kann. Den Heiligen Geist bitte ich immer wieder um Erleuchtung, wenn ich nicht weiss, wie ich weitergehen soll. Auch mit der Muttergottes und mit den Heiligen habe ich ein gutes Verhältnis; sie gehören zu meiner Familie.
Haben Sie eine Lieblingspassage in der Bibel?
In Anlehnung an die «Chosen»-Filme berührt mich besonders die Begegnung zwischen Jesus und Matthäus, dem verachteten Steuereintreiber. Beeindruckend ist der Blick Jesu – ein Blick voller Tiefe, der über das Offensichtliche hinausreicht und frei von jeder Verurteilung ist. Auch ich bemühe mich, meinen Mitmenschen ohne vorschnelles Urteil zu begegnen und die Beweggründe hinter ihrem Verhalten zu sehen.
«Gott Vater spielt eine grosse Rolle bei mir, ich kann’s sehr gut mit ihm – auch mit Christus.»
Ihre Durchlaucht Prinzessin Nora von Liechtenstein, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch.
ÜBER UNSEREN HOPE-GASTREPORTER
Als Olympic Chaplain (Sportseelsorger) begleitet Jörg Walcher die Olympischen Winterspiele 2026 in Italien. Mit dem Beyond-Gold-Team wird er Hoffnung, Ermutigung und Gottes Nähe sichtbar machen - jenseits von Medaillen und Erfolgsdruck.