Samuel Escobar gestorben
Escobar war eine führende Persönlichkeit der evangelikalen Theologie in der zweiten Hälfte des 20. und im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts. Er war eine der wichtigsten spanischsprachigen Stimmen in der Entwicklung der ganzheitlichen Mission und von grundlegender Bedeutung für den Aufbau der internationalen evangelikalen Studentenbewegung IFES (CIEE in Lateinamerika).
«Ausserordentlicher Einfluss»
Die Lausanner Bewegung in Europa erinnerte an Samuel Escobar als «einen der Väter der Lausanner Bewegung», dessen «Einfluss auf die weltweite evangelikale Bewegung ausserordentlich war», und hob seine «bescheidene und prophetische Stimme» hervor, «die die Kirche zu einer ganzheitlichen Vision von Gottes Mission aufrief». Auch der spanische Zweig der Lausanner Bewegung hob seine Leidenschaft für die Mission, seine Liebe zur Ortsgemeinde, die Förderung der christlichen Literatur und seinen Einsatz für die Studentenarbeit hervor: «Danke, Samuel, dass du uns gezeigt hast, wie man Leiter mit einem dienenden Herzen sein kann».
Balance des Evangeliums bewahren
Unter anderem kämpfte Escobar dafür, dass nicht nur liberale, sondern auch konservative Evangelikale sich der sozialen Aktion widmen: «In Lateinamerika besteht die Tendenz, die Beschäftigung mit sozialen Fragen mit theologischem Liberalismus oder mit einer Abkühlung des Kampfes um das Evangelium gleichzusetzen. Wir müssen dieser bedauerlichen Verwechslung ein für alle Mal ein Ende setzen.» Dabei wandte er sich einerseits gegen den Liberalismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit seinem «sozialen Evangelium, in dem ein Gott ohne Zorn einen sündlosen Menschen durch einen Christus ohne Kreuz retten wollte». Am Lausanner Kongress kritisierte er auf der anderen Seite einen «triumphalistischen Evangelikalismus», der Menschen bekehren will, billig in den Himmel zu kommen, ohne sich der Forderungen von Jesus für diese Welt bewusst zu sein, einschliesslich sozialen Einsatzes. US-amerikanischer Evangelikalismus war in den 70er Jahren von einem starken Anti-Kommunismus geprägt und betrachtete soziale Arbeit als minderwertig – eine Position, die Escobar in Zusammenarbeit mit John Stott (GB) im Laufe der Jahre erfolgreich korrigierte.
Theologe und Aktivist
Carlos Martínez García, Soziologe, Schriftsteller und Forscher am Zentrum für das Studium des mexikanischen Protestantismus, hob hervor: «Samuel ist in vielen Bereichen ein Vorbild. Er war ein Intellektueller und Aktivist, ein Theologe des Weges, ein Lehrer, der uns lehrte, über den Glauben nachzudenken, ein Anreger von Berufungen, ein brillanter Ausleger des Wortes Gottes, ein unterhaltsamer Gesprächspartner, ein strenger Schriftsteller, ein Pastor, ein Bruder, ein Freund, ein geliebter Ehemann, Vater und Grossvater.
Samuel Escobars Artikel, Bücher, Predigten und Vorträge haben den Glauben und den Intellekt mehrerer Generationen hispanoamerikanischer Evangelikaler gestärkt. Wie kein anderer lateinamerikanischer evangelikaler Theologe und Intellektueller seiner Generation hat Samuel Escobar die Berufung zum Schreiben sehr ernst genommen.»
Von 1985 bis 2005 lehrte Escobar als Professor für Missionswissenschaft am Eastern Baptist Theological Seminary an der Eastern University bei Philadelphia, USA. Danach lebte er in Valencia und lehrte an der Facultad Protestante de Teología in Madrid. Seine Frau Lilly Artola verstarb im Jahr 2015. Samuel hinterlässt eine Tochter und einen Sohn sowie drei Enkelkinder.
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