Helden des Alltags: Anita Vogel lernte von ihnen
Anita Vogels Start ins Leben war nicht einfach: «Tragischerweise starb mein Vater plötzlich, als ich elf Monate alt war. Meine Mutter blieb allein mit mir und meinem damals dreijährigen Bruder zurück.»
Zuhause liefen immer Nachrichten und schon früh war für Anita klar, dass sie eines Tages Nachrichtensprecherin werden wollte.
In der Highschool schrieb sie für die Schülerzeitung und nachdem sie 300 bis 400 Bewerbungsbänder verschickt hatte, meldete sich ein Sender in Erie, Pennsylvania bei der in Kalifornien lebenden Anita Vogel. «In den Fernsehnachrichten beginnt man üblicherweise als Reporter im Aussendienst, und genau das tat ich. Sehr schnell merkte ich, wie sehr es mir Freude bereitete, die Geschichten anderer Menschen zu erzählen.»
Gefährliche Einsätze
Anita Vogel beobachtete bald: «Als Journalisten geraten wir immer wieder in heikle und beängstigende Situationen; besonders meine Kolleginnen und Kollegen, die aus Kriegsgebieten berichten. Ihr Mut ist aussergewöhnlich, und ich bewundere sie zutiefst. Aber auch in den USA gab es Momente, in denen ich Angst um meine Sicherheit hatte.»
Einmal berichtete sie als Lokalreporterin in Sacramento über ein besonders grosses Feuer. «Mit meinem Kameramann und dem Fahrer des Übertragungswagens kamen wir dem Brand sehr nahe. Plötzlich begann das Feuer, uns einzukreisen. Ich sagte: ‘Leute, wir müssen hier weg, wir sind zu nah dran!’ Zum Glück stimmten sie mir zu, und wir fuhren so schnell wir konnten davon. Wären wir zehn oder zwanzig Minuten länger geblieben, hätte es schlimm enden können.»
Offenes Ziel vor 9/11
Ein anderes Mal, am 10. September 2001 (also einen Tag vor 9/11) hatte ein bewaffneter Täter in Sacramento ein Waffenlager geplündert und er war durch Wohnviertel gezogen, wo er auf Menschen schoss. «Wir begleiteten die Polizei, die kugelsichere Westen trug – im Gegensatz zu uns. Ich lief durch die Strassen und dachte: ‘Wenn der Schütze jetzt hinter einem Baum lauert, sind wir ein offenes Ziel.’ Ich begann zu beten: ‘Gott, bitte beschütze uns, lege Deinen Schild um uns.’ Am Ende wurde der Mann gefasst, und ich konnte Gott gegenüber dankbar einschlafen. Am nächsten Morgen wachte ich auf … und die Welt stand Kopf, weil das World Trade Center in Flammen stand.» Kurz darauf kollabierten die Twin Towers.
Diese Erlebnisse haben Anita Vogel erneut bewusst gemacht: «Am Ende hat Gott die Kontrolle. Wir Menschen können nur unser Bestes tun, um zu überleben, unsere Liebsten zu schützen und anderen beizustehen. Aber Gott ist gegenwärtig, und wir müssen darauf vertrauen, dass sich alles nach seinem Plan entfaltet.»
Helden des Alltags bewegen
Diese Erkenntnis hilft ihr, mit Familien zu sprechen, die gerade Unfassbares erlebt haben – etwa den Verlust durch ein Feuer oder ein Verbrechen. «Als Journalistin muss man sich ein Stück weit distanzieren, um berichten zu können. Danach bete ich jedoch stets dafür, dass Gott Trost spendet und diesen Menschen irgendwie Frieden schenkt. Oft versuche ich in meinen Berichten auch etwas Positives hervorzuheben: Sei es ein Helfer, ein Samariter oder Organisationen, die im Kriegsgebiet Hilfe leisten.»
Oft werde sie gefragt, wer sie in ihrer Karriere am meisten beeindruckt hat. «Viele erwarten, dass ich Prominente oder Politiker nenne. Doch die grössten Eindrücke hinterlassen meist Menschen, von denen man noch nie gehört hat.» Die Helden des Alltags.
In den späten 90er-Jahren arbeitete sie für «NBC» in Jacksonville, im US-Bundesstaat Florida. «Zum Veterans Day schickte man mich zu Everett Pope, einem der wenigen noch lebenden Träger der ‘Medal of Honor’, der höchsten militärischen Auszeichnung. Er erzählte mir, wie er im Zweiten Weltkrieg auf der Insel Peleliu mit einer Kompanie von Dutzenden Männern kämpfte und nur mit zwölf Überlebenden zurückkam, die er alle selbst gerettet hatte. Er sprach voller Demut, mehr über seine Frau als über sich selbst. Diese Begegnung hat mich tief geprägt.»
Ein anderer Mensch, der sie sehr beeindruckt hat, ist John Maceri. «Er leitet in Los Angeles die Organisation ‘The People Concern’, die obdachlose Menschen von der Strasse holt, ihnen Arbeit und ein Zuhause gibt. Es ist keine glamouröse Aufgabe, aber er macht sie aus echter Nächstenliebe. Jedes Mal, wenn ich ihn interviewe, bin ich erneut bewegt. Ich empfinde es als grosses Geschenk, Menschen wie diese kennengelernt zu haben. Solche Begegnungen sind wahre Höhepunkte meiner Laufbahn.»
Wenn die Katastrophe zu Hause einschlägt
Am 7. Januar brachen in der Gegend, in der Anita Vogel lebt, die Waldbrände aus, die weltweit für Schlagzeilen sorgten. «Mein Mann war zu Hause mit seiner Schwester, während ich an der Ostküste arbeitete. Ich rief sofort an und sagte: ‘Packt zusammen und fahrt los, das sieht gefährlich aus.’ In unserer Region gibt es viele Brände, aber diesmal spürte ich sofort: Das ist anders.»
Das eigene Haus blieb verschont, das Nachbarhaus jedoch brannte völlig nieder. «Die Asche, der Rauch, das zerbrochene Glas: Unser eigenes Haus war voller Russ. Die ‘Pacific Palisades’, wo wir so viele Jahre gewohnt haben, sind heute kaum wiederzuerkennen. Doch wir sind dankbar, dass alle Freunde, Nachbarn und Kollegen überlebt haben. Ein Haus kann man wieder aufbauen; ein Leben nicht.»
Ruhe und Zuversicht
Sie erinnert sich: «Als wir nach zehn Tagen zurück ins Haus durften, hatte ich eine Liste mit Dingen auf meinem Handy, die ich unbedingt retten wollte.» Ganz oben auf der Liste standen eine Reihe Andachtsbücher.
«Es ist erstaunlich, welche Dinge einem in solch einer Situation wirklich wichtig sind. Natürlich denkt man an Pässe und Dokumente – aber für mich sind diese Bücher unverzichtbar. Sie geben mir morgens oder abends Ruhe und Zuversicht.»
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