Warum es nicht egal ist, wie wir unsere Gottesdienste gestalten

Den Gottesdienst einladend machen
Oft entscheiden sich Menschen aus sehr menschlichen Gründen für oder gegen unsere Gottesdienste. Die Motive des Kommens oder Gehens sind zumeist sehr handfest: Predigt, Musik, Gemeinschaft, Angebote für Kinder und Jugendliche, Parkplätze...

Sicher muss man hier unterscheiden: Langjährige Gemeindemitglieder können viel verkraften und auch mal Dürrezeiten im Miteinander überstehen. Doch Erstbesucher sind skeptischer: Sie nehmen sich die Freiheit, unsere Gottesdienste und andere Veranstaltungen zu beurteilen. Passt das, passt das nicht? Dann treffen sie ihre Entscheidung.

«Ist das nun fair?», mag man einwerfen. «Ja, ist das überhaupt geistlich?», lässt sich fortfahren. Wahrscheinlich nicht, aber danach fragt auch niemand. Die Menschen entscheiden sich so, wie sie es sonst im Leben gewohnt sind. Und Hand aufs Herz: Viel anders tun wir es in anderen Lebensbezügen ja auch nicht. Wir wägen ab und treffen dann die Wahl. Unsere Gäste entscheiden sich also – entweder zum Weiterkommen oder fürs Fortbleiben.

Kirchliche Konkurrenzen

Nicht selten kommt es auch zur Konkurrenz unter Gemeinden und Kirchen. In den 1970er- und 1980er-Jahren soll es so gewesen sein, dass Freie evangelische Gemeinden immer eine hervorragende Adresse waren. «FeG» – das war so etwas wie die freikirchliche Edelalternative.

Doch diese Zeiten sind längst passé. Angesagte Gründungsgemeinden, kuschelige Sofagemeinschaften, kraftvolle Jugendkirchen, bunte Pfingstler und fröhliche Migrantengemeinden tummeln sich alle auf dem Markt der religiösen Möglichkeiten. Da sind die lebendigen Kirchengemeinden und landeskirchlichen Gemeinschaften noch gar nicht einbezogen. Und auch der digitale Raum sendet den hippen Gottesdienst aus dem australischen Melbourne direkt ins Wohnzimmer. Wo findet man da noch seinen Platz?

Gottesdienstbesucher benehmen sich wie Kunden

Wichtig ist es, sich klarzumachen, wie sich viele Menschen im Gottesdienst verhalten, egal ob sie nun christlich ticken oder nicht. Der Gottesdienst-Forscher Folkert Fendler sagt es so: «Der Mensch möchte im Gottesdienst kein Kunde sein, aber er verhält sich wie einer.» Damit meint er, dass kein Mensch von einem Gottesdienst die hundertprozentige Perfektion erwartet, dass aber die meisten Gäste gewisse Erwartungen an die Durchführung und die Qualität stellen. Wenn Gäste in unserer Gemeinde positiv überrascht werden, kommen sie tendenziell eher wieder. Werden sie jedoch enttäuscht, bleiben sie meist fort.

Nun ist es auch klar, dass kein Gottesdienst alle Erwartungen erfüllen kann. Möglicherweise möchten wir manche Wünsche auch bewusst in Frage stellen. Aber an der Frage nach der Qualität kommen wir nicht vorbei. Die Frage ist: Wie sind die Veranstaltungen unserer Gemeinde für die Menschen geschaffen? Da gab es immer schon massive Unterschiede: So beschreibt Lukas die Treffen der ersten Gemeinde sehr positiv (Apostelgeschichte Kapitel 2), der Gottesdienst in Korinth kommt dagegen bei Paulus eher schlecht weg (1. Korinther Kapitel 11). Wie kann es nun praktisch werden? Als hilfreich empfinde ich die Unterscheidung der Gottesdiensterwartungen von Folkert Fendler. Folgt man Fendler, gibt es drei Ebenen:

1. Was stimmen muss

Die erste Ebene: Dazu gehören unbewusste Grunderwartungen. Die Liste enthält viele Selbstverständlichkeiten. Gesprochen wird über sie selten, weil sie einfach vorausgesetzt werden. Probleme beginnen immer dort, wo sie nicht erfüllt werden. So gehen viele Gäste davon aus, dass Gottesdienste einigermassen pünktlich beginnen, die Raumtemperaturen nicht zu eisig sind oder die Toiletten benutzt werden können. Es ist dieser Bereich der «stillen Voraussetzungen», wo Enttäuschungen am ehesten auch mal laut geäussert werden.

2. Was wesentlich ist

Die zweite Ebene: Hierzu zählen die bewussten Leistungserwartungen an einen Gottesdienst. Sie differieren von Person zu Person, aber es gibt hier auch ein paar Dauerbrenner, die viele teilen: eine angenehme Willkommenskultur, ein attraktives Parallelprogramm für Kinder, die gute Predigt, das mitreissende Singen oder die Einladung zum Gemeinde-Café. Werden diese Erwartungen nicht erfüllt, kommt es selten zu Beschwerden, aber bei wiederholter Enttäuschung werden die Gäste wohl eher fortbleiben. Darum ist in der Gemeinde hier die ehrliche Selbstanalyse so ungemein wichtig. Gibt es berechtigte Erwartungen und Wünsche an unsere Gottesdienste, wo wir einfach noch zulegen müssen?

3. Was begeistert

Die dritte Ebene «Was begeistern kann»: Hier passieren Dinge, die man so aus anderen Gottesdiensten nicht kennt. Die Erwartungen der Menschen an den Gottesdienst werden einfach getoppt! Wer hier ein wenig nachdenkt, dem fallen manche solcher Beispiele ein: das rührende Lied des Kinderchors, die Live-Schaltung zum Missionsehepaar in Japan, das bewegende Zeugnis eines Täuflings oder das frisch gebackene Osterlamm in XXL-Grösse nach dem Ostergottesdienst zum Anschneiden. Hier sollte eigentlich jeder Gottesdienst einen solchen Überraschungsfaktor besitzen.

Qualitätssensible Gottesdienste

Im Einzelhandel heisst es manchmal: «Qualität ist, wenn der Kunde wiederkommt.» So einfach ist es im Gottesdienst sicher nicht. Dass aber der Heilige Geist durch qualitativ gute Formate oft besser wirkt als durch eine nachlässige Beschaffenheit, will wohl auch niemand ernsthaft bestreiten.

Um noch einmal das Bild der Kundschaft aufzugreifen: Das Ziel ist es, dass die Menschen in Kontakt zu unseren Gemeinden kommen – und aus unseren Laufkunden später mal Gelegenheitskunden und irgendwann dann auch Stammkunden werden. Üblicherweise verfügen Gemeinden hier über unterschiedliche Startvoraussetzungen.

Deshalb sollte man sich mit dem Vergleichen auch zurückhalten. Aber lernen lässt sich immer voneinander. Ich träume von Gemeinden, die ihren Möglichkeiten entsprechend hochwertige Angebote machen. Sie wissen: Qualität ehrt Gott und ist für Menschen oft anziehend.

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Autor: Dr. Arndt E. Schnepper
Quelle: Magazin Christsein Heute 05/2025, SCM Bundes-Verlag

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