Auf dem Wasser gehen

Das Wasser überqueren
Wer Wunder erleben will, muss sich die Füsse nass machen. Und bereit sein, Schritte zu wagen. Über den Jordan mit Josua.

Nein, das wird keine theoretische Abhandlung. Ich will gleich ehrlich mit dir sein: Ich gehe gerade auf dem Wasser. Seit zehn Jahren bin ich in meiner Gemeinde Pfarrer und habe ihr vor Kurzem mitgeteilt, dass ich zum Sommer 2026 gehen werde. Warum? Meine Frau und ich haben den Eindruck, dass Gott etwas Neues mit uns vorhat. Was? Keine Ahnung. Wohin geht die Reise? Wenn wir das wüssten…

Gefährlich und bedrohlich

Du siehst: Ich schreibe nicht (nur) als Schreibtischtäter, sondern als jemand, der «auf dem Wasser geht». So nennen wir das ja gerne in Anlehnung daran, dass etwas physikalisch nicht möglich ist, wenn wir vor einer Herausforderung stehen, deren Bewältigung aber so was von noch überhaupt nicht auf unserem Schirm ist. Vielleicht stehst du auch vor einer grossen Herausforderung, die sich wie ein «Auf-dem-Wasser-Laufen» anfühlt. Oder du weisst, dass die Herausforderung kommen wird. Oder aber dein Leben plätschert so vor sich hin – lass mich dir sagen: Das ist a) nicht cool und b) wird sich das bald ändern, wenn du Gott die Kontrolle über dein Leben (wirklich) gibst. Und schon ist Wasser weniger erfrischend und lebensspendend. Eher gefährlich, herausfordernd und bedrohlich. Ich denke an den Song «Oceans», zu deutsch «Meer», von Hillsong:

Du rufst mich raus aufs weite Wasser, wo Füsse nicht mehr steh’n.
Da finde ich dich im Verborg’nen. Mein Glaube trägt im tiefen Meer.
Und deinen Namen ruf’ ich an.
Ich schau so weit ich sehen kann und kommt die Flut,
hältst du mich fest in deinem Arm, denn ich bin dein und du bist mein.
Die Gnade strömt wie tiefes Wasser und deine Hand zeigt mir den Weg.
Wenn Angst mich lähmt und ich versage, lässt du nie los und gibst niemals auf.

Wie gut! Dieses Lied wird vielleicht meine Hymne in dieser Zeit, jetzt wo ich so darüber nachdenke – wer weiss. Lass uns gemeinsam einen Blick in den ersten Teil der Bibel werfen. Dort findet sich eine für mich so faszinierende Stelle, in der es um «auf dem Wasser laufen» geht.

Eine Reise in vergangene Zeiten

Wir reisen ungefähr 3'500 Jahre zurück. Das von Gott auserwählte Volk Israel war in Ägypten. Dort mussten sie als Sklaven über Generationen hinweg die übelsten Arbeiten verrichten. Freiheit kannten sie nicht. Nach langer, langer Zeit hat Gott sie jedoch genau da hineingeführt: in die Freiheit. Diese sah zunächst sandig aus. Sehr sandig. Denn erst einmal war das Volk Israel in der Wüste. Sidekick: Manchmal muss ich schon schmunzeln, wenn ich die Bibel lese: Da hungert und dürstet ein Volk generationenübergreifend danach, nicht mehr Sklaven sein zu müssen, kommt endlich frei – und landet in der Wüste. Dass dort jede Menge Wunder geschehen, überspringen wir jetzt einfach mal und spulen die Zeit 40 Jahre nach vorne – so lange musste das Volk Gottes durch die Wüste ziehen.

Dann kam der grosse Tag des Auf-dem-Wasser-Laufens. Nachzulesen in Josua Kapitel 3, Verse 8 und 13-17. Schon viele Generationen zuvor war ihnen ein Land verheissen worden, an dessen Schwelle sie nun stehen: Das gelobte Land, das verheissene Land, das Land, in dem Milch und Honig fliessen. Bevor wir zum Showdown kommen, lass uns hier mal kurz einen Break machen. Denn ich möchte dir ein paar Fragen stellen:

  • Glaubst du, dass Gott es gut mit dir meint?
  • Glaubst du, dass Herausforderungen und «auf dem Wasser laufen» dazu dienen, Gott näherzukommen?
  • Vertraust du Gott auch in den herausfordernden Zeiten deines Lebens?
  • Weisst du, dass Gott dich so sehr liebt, dass er dir niemals, niemals, niemals etwas Schlechtes tun würde?

Nachdem du nun mehrere Stunden über diese Fragen nachgedacht hast, freut es mich, dass du hier weiterlesen willst. Denn wir kommen nun zum Höhepunkt der Szene. Das Volk Israel soll den Jordan überqueren. Das Problem ist nur: Der Jordan war zu diesem Zeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so voll und reissend, dass absolut kein Durchkommen möglich war für ein Millionenvolk.

Den ersten Schritt tun

Ja, das ist das Herausfordernde bei der ganzen Geschichte: Erst als die Füsse nass waren, geschah das Wunder. Wenn du ähnlich tickst wie ich, dann wünschst du dir auch, dass Gott in herausfordernden Situationen eingreift und ein Wunder tut. Dann, wenn sich das Leben nach «auf dem Wasser laufen» anfühlt, ist irgendwann nämlich mal die Kraft nicht mehr da und die Nerven sind zerrissen. Gott, wo bist du? Was soll ich tun? Rechts oder links? Gehen oder bleiben? Ansprechen oder schweigen? Alter Job oder neuer Job? Alles wie immer oder die Herausforderung annehmen? KSC oder VfB? Ok, Letzteres ist nicht wirklich eine Frage – KSC natürlich!

Aber du merkst schon: Wir kommen nicht voran, wenn wir nicht selbst «in die Pötte kommen». Es geht einfach nicht. Jesus erwartet von mir und er erwartet es auch von dir, dass wir vertrauensvoll einen Schritt tun – oder im Bild der Geschichte gesprochen: Er erwartet, dass wir unsere Füsse nass machen. Welche Herausforderung und welch unsicheres Terrain du auch immer vor dir hast: Gib nicht auf! Verfall jetzt nicht in Lethargie – aber auch nicht in Panik! Bleib nicht stehen, sondern geh einen Schritt. Ja toll – und wie?

1. Bitte Gott um Weisheit

Es gibt keine Herausforderung, die für Gott zu gross wäre! Frag ihn, was seine Sicht der Dinge ist. Frag ihn, was er dir offenbaren möchte. Und dann sei still, höre hin und setze um, was Gott dir sagt. Der Heilige Geist wird reden – darauf kannst du dich verlassen. Recht eindeutig steht das im zweiten Teil der Bibel: «Wenn es jemandem von euch an Weisheit mangelt zu entscheiden, was in einer bestimmten Angelegenheit zu tun ist, soll er Gott darum bitten, und Gott wird sie ihm geben. Ihr wisst doch, dass er niemandem sein Unvermögen vorwirft und dass er jeden reich beschenkt.» (Jakobus Kapitel 1, Vers 5) Wenn du also vor einer grossen und schwierigen Herausforderung stehst, dann bitte als Erstes den Heiligen Geist um Weisheit. Und ganz sicher wirst du es noch mal tun, und noch mal und noch mal – aber das ist vollkommen gut. Wir können niemals zu viel um Weisheit bitten!

2. Keine spontane Reaktion

Ich habe dir am Anfang erzählt, dass ich Pfarrer bin. In meinen ersten Berufsjahren habe ich den Fehler gemacht, dass ich immer wieder mal viel zu schnell und spontan reagiert habe. Das war nicht immer gut, manchmal sogar richtig dumm. Denn im Affekt werden nicht unser Verstand und unser Sachwissen adressiert, sondern unsere Emotionen. Die sind voll gut – aber nicht immer die besten Ratgeber. Deswegen nimm dir Zeit. Es sei denn, es geht um Leben und Tod, gibt es wohl keine Entscheidung, über die man nicht auch mal (mindestens) eine Nacht drüber schlafen kann.

3. Berate dich mit anderen

Männer, wir müssen reden! Und du weisst genauso gut wie ich, dass Männer das auch richtig gut können. Manche sogar über die wirklich wichtigen Themen des Lebens. Und das ist so gut. Hab keine Angst und keine Scheu: Frag deine Freunde, Bekannten, Familie, Partner, was nun «dran ist». Sollten sie keine Idee haben, haben sie ja nichts zu verlieren – du hast sie ja auch nicht. Aber wenn sie eine haben, kannst du sie feiern und ihnen danken. Das wird sogar eure Beziehung stärken!

4. Nimm Expertenrat an

Wieso nicht einen Coach anheuern? Wieso nicht eine Fortbildung besuchen? Wieso nicht deinem Pastor eine Mail oder WhatsApp schreiben und ihn um Rat fragen? Nein, nicht dass Pastoren immer alles wissen – aber vielleicht ist es auch eine geistliche Challenge, vor der du stehst. Dann wäre dein Pastor eine gute Adresse.

5. Sei mutig

«Pecca fortiter, sed fortius fide!»Zu deutsch: «Sündige tapfer, aber glaube noch tapferer.» Diesen Rat hat Martin Luther seinem Weggefährten Philipp Melanchthon 1520 in einem Brief geschrieben. Was Luther – meines Erachtens – hier meint, ist nicht, sich bewusst gegen Gott zu stellen und so zu «sündigen». Ich glaube, er meint diesen einen besonderen Moment, in dem wir merken: Alle Argumente sind gehört und ausgetauscht, alles «Für und Wider» abgewogen und alle Worst-Case-Szenarien durchgespielt. Jetzt gilt es! Jetzt muss die Entscheidung getroffen werden: Gechillt am Strand liegen oder auf dem Wasser gehen? «Pecca!», ruft uns Luther zu. Und da passt es doch, wie das Zitat Luthers weitergeht: «…sed fortius fide et gaude in Christo, qui victor est peccati, mortis et mundi!» «…aber glaube noch stärker und freue dich in Christus, welcher der Sieger ist über die Sünde, den Tod und die Welt!» Sorry für die Lateinstunde (ich liebe Latein). Aber ich finde Luthers Ratschlag einfach so gut und hilfreich, wenn es um das Laufen auf dem Wasser geht.

Ich bin gespannt, wo ich mich (und meine Familie) ab Sommer 2026 wiederfinden werde. Aber ich weiss eines: Was auch immer ich entscheide – Gott geht mit. Er segnet. Er erfüllt. Er heilt. Er tröstet. Er stärkt. Und das alles nicht nur bei mir, sondern auch bei dir! Und jetzt hör dir noch mal «Oceans» an!

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Autor: David Brunner
Quelle: Magazin MOVO 02/2025, SCM Bundes-Verlag

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