Warum es schwerer wird, Mitarbeiter zu finden

Ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde
Viele Kirchen und Gemeinden kämpfen damit, Mitarbeiter zu finden. Ist das ein Zeitgeistproblem oder steckt mehr dahinter? Welche Lösungen kann es geben?

Kannst du dir vorstellen, dass Gemeinde in der Bibel mit einer blinden Rollstuhlfahrerin verglichen wird? Nein? Das passiert auch nicht direkt, indirekt allerdings schon. Paulus zeichnet das Bild der Kirche als «Leib Christi» und weist dabei auf gegenseitige Abhängigkeit und Zusammenarbeit wie in einem Körper hin. Dabei erklärt er zum Beispiel: «Ihr aber seid der Leib des Christus, und jeder ist ein Glied daran nach seinem Teil. Und Gott hat in der Gemeinde etliche eingesetzt, erstens als Apostel, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer; sodann Wunderkräfte, dann Gnadengaben der Heilungen, der Hilfeleistung, der Leitung, verschiedene Sprachen.» Was geschieht nun, wenn die Mitglieder einer Gemeinde immer weniger mitarbeiten? Wenn die im Text davor als «Fuss» oder «Auge» bezeichneten Funktionen nicht mehr wahrgenommen werden?

Tatsächlich scheint dies ein wachsendes Problem der meisten Kirchen und Gemeinden in Europa zu sein: Nicht nur hauptamtliche Pfarrer, Priester oder Pastoren, sondern auch ehrenamtlich Mitarbeitende sind schwerer zu finden. Eine ganze Weile war die Rede davon, dass vieles davon noch Nachwehen der Coronapandemie seien, doch das sagen drei Jahre nach deren Ende immer weniger. Woran könnte der Mitarbeitendenschwund nun liegen?

Prioritäten und Enttäuschung

Bei den Gewohnheiten vieler Christen zeigt sich die Covid-Zeit tatsächlich als Wendepunkt. Etliche, die vorher regelmässig ihre Gottesdienste besuchten, tun das inzwischen nicht mehr. Mit ziemlicher Sicherheit ist die Pandemie nicht der direkte Auslöser dafür, sie hat aber neue Gewohnheiten gefestigt. Und sie hat vielen gezeigt: Es geht auch ohne Gottesdienst. Einige (nicht unbedingt die Engagierten) geniessen einfach ruhige Sonntage, ohne sich als gesamte Familie auf den Weg in den Gottesdienst zu machen. Andere (besonders die Aktiven in den Gemeinden) haben durch die Pandemie gemerkt, dass das gewohnte Gemeindeleben nicht besonders erfüllend war. Sie haben gehofft, dass es danach zu Kursänderungen, Bewegung und einer neuen Praxis kommen würde. Doch weil die Gemeinden so schnell wie möglich zum Verhalten vorher zurückgekehrt sind, sind sie nun enttäuscht oder schlicht gelangweilt, weil sie wissen: Es ginge auch anders. Mitarbeiten tun beide Gruppen nicht mehr.

Angst vor Versagen

Das Gemeindeleben hat in den letzten Jahrzehnten eine starke Professionalisierung erfahren. Dafür stehen grosse Gemeinden mit einem bühnenreifen Programm genauso wie zum Beispiel die Willowcreek-Bewegung mit ihrem Streben nach «Exzellenz». Normale Mitarbeitende werden von diesen Konferenz- und YouTube-Vorbildern nicht nur motiviert: Viele fühlen sich unsicher und unfähig und weder kompetent noch heilig genug zur Mitarbeit. Wenn du sie dazu «herausfordern» möchtest, wirst du ihre Angst nur noch verstärken.

Weil Gegenwind und harte Kritik nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch in der Gemeinde wächst, ist es nötig, hier Gegenakzente zu setzen: Du musst sie ermutigen und erklären, dass Gott genau mit ihnen sein Reich aufbauen möchte. Es gilt, das in die heutige Situation zu übersetzen, was Paulus an Timotheus schrieb: «Niemand verachte dich wegen deiner Jugend, sondern sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Geist, im Glauben, in der Keuschheit!»

Die Zeitfrage

Für viele Menschen hat sich die Beanspruchung im Beruf im Laufe der letzten Jahre deutlich verstärkt – und wieder sind es eher die Engagierten, die das betrifft. Diese Engagierten bei der Arbeit sind meist auch die Leistungsträger in der Gemeinde. Dass die Belastung gestiegen ist, ist für viele ein Grund, nach einem Ausgleich zu suchen und nicht nach einer weiteren Verpflichtung. So meldet sich der Buchhalter nicht mehr automatisch, wenn die Gemeinde einen Kassierer braucht und die Lehrerin möchte nicht unbedingt an ihrem freien Tag auch noch für Kinder im Kindergottesdienst verantwortlich sein. Wenn sie sich doch für eine Mitarbeit anbieten, dann ist es ihnen wichtig, dass es kein Posten «für Zeit und Ewigkeit» ist, sondern einer mit Anfang und Ende. Dann gehören auch klare Grenzen dazu. Damit kannst du eher Mitarbeitende gewinnen als mit der «Berufungskeule», die unterstreicht, dass Gott das Gegenüber ganz und gar für seinen Dienst möchte.

Fehlende oder unpersönliche Infos

So banal es sich anhört, aber viele Christen sind sich nicht bewusst, wie wichtig ihr Beitrag zu einem funktionierenden Gemeindeleben sein kann. Gerade eine gut organisierte Gemeinde mit anspruchsvollem Programm vermittelt schnell das Bild: Es läuft! Du wirst nicht gebraucht… Oft ist auch nicht klar, wie man in ein Team der Gemeinde hineinkommen kann. Wenn du auf der einen Seite zeigst, wo die Gemeinde Bedarf hat, und auf der anderen unterstreichst, wie viel Freude es macht, sich im Bereich der eigenen Stärken und Fähigkeiten einzusetzen, ist schon einiges gewonnen. Dazu kommt ein weiterer banaler Grund: Viele haben es verlernt herauszuhören, dass sie gefragt sein könnten. Wenn ein Bedarf formuliert wird, hören sie: Da wird jemand gesucht – mal sehen, welche andere Person sich dafür meldet. Wenn du hier konkret nachfragst, wirst du nach einem erstaunten Blick oft genug die Bereitschaft zum Mitarbeiten finden.

Und die anderen Gründe?

Das sind längst nicht alle Gründe, sondern nur eine kleine Auswahl. Die meisten davon hat es auch schon vor der immer wieder beschworenen Coronapandemie gegeben. Zwei Eckpunkte aber bleiben festzuhalten: Erstens hatte und hat jede Zeit ihre Herausforderungen an die Mitarbeit. Die Leute haben nie Schlange dafür gestanden, sonst hätte Jesus nicht erklärt: «Die Ernte ist gross, aber es sind wenige Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte aussende!» Zweitens sind genau dieses Gebet und kreative Ideen absolut sinnvolle Schritte, denn Gott baut seine Gemeinde nun einmal mit uns Menschen und nicht ohne sie.

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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