Lovestorys in der Bibel

Auch in der Bibel kommt das romantische Literaturgenre zum Vorschein
«Die Bibel ist mehr als ein Buch.» Das wird deutlich, wenn du siehst, dass sie zu fast jeder literarischen Form etwas beizutragen hat – auf Bestseller-Niveau. In dieser kleinen Reihe entdeckst du die Bibel neu: vom Krimi bis zur hohen Literatur.

Irgendwie haben Liebesromane ein schlechtes Image: seicht, gefühlig, weltfremd seien sie. Dieses (Vor-)Urteil begleitet sie schon sehr lange. Und genauso lange werden sie trotzdem gelesen. Immerhin gehört ein Viertel unserer Romane und Erzählungen zu den Liebesromanen. Diese lassen sich allerdings nicht genau eingrenzen, denn manche werden als Science Fiction verkauft, andere – wie die Bücher von Jane Austen – findest du bei den Klassikern. Wieder andere sehen schrill bunt aus und bedienen den Markt der New Romance oder New Adult Bücher, die sich in erster Linie an junge Menschen richten. Ein Verlag, der eher einfach gestrickte Heftromane anbietet, begründet das Interesse an Lovestorys auf seiner Website: «Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass wir nicht nur Liebesromane brauchen, sondern ganz einfach Liebe!» Ist es so einfach? Wohl schon. Umgeben von Problemen suchen Leser und vor allem Leserinnen eine Flucht aus ihrem Alltag. Wenn die eigene Beziehung stressig ist, freuen sie sich daran, dass es anderen auch so geht – aber am Schluss alles gut wird. Und sie erleben lieber grosse Gefühle mit, als über anstrengende Konzepte nachzudenken. Das Herz gewinnt bei ihnen. Kein Wunder, dass Lovestorys boomen.

Und die Bibel?

Selbstverständlich gibt es längst Frauenausgaben der Bibel, die mit einem romantischen Covermotiv in zartem Rosa fast dem Klischee eines Liebesromans entsprechen. Und ist die Bibel als Ganzes nicht ein grosser Liebesbrief Gottes an seine Menschen? Doch hier geht es nicht um die übertragene oder geistliche Version von Liebe, sondern um das starke Gefühl und die enge Verbindung zwischen zwei Menschen. Es geht um Nähe, Sex, Zugehörigkeit, ein echtes Gegenüber. Spannenderweise hat die Bibel viel Raum dafür. Obwohl die grosse Zeit der romantischen Beziehungen noch nicht gekommen ist – Frauen werden in der Regel von ihren Eltern verheiratet und suchen sich nicht selbst einen Partner –, strahlen in diesem alten Buch immer wieder grosse Gefühle auf. Sie gehören schliesslich zum Leben und zum Menschsein dazu, deshalb erzählt die Bibel von Abgründen wie Vergewaltigung, Ehebruch und Eifersucht genauso wie Geschichten von Treue, erwachender Sexualität und manches Mal auch vom Happy End. Die Bibel ist kein Liebesroman, aber sie enthält Erzählungen mit Herz, die sich vor keiner modernen Lovestory verstecken müssen.

Herz und Schmerz

Welche Lovestorys kennt die Bibel nun? Besonders im ersten Mosebuch werden einige Partnerschaften über viele Jahre beschrieben. Und die von Abraham und Sara hat einen besonderen Charme. Die beiden können streiten und sich versöhnen, sie erleben Hochs und Tiefs. Im Exil in Ägypten gibt sich die alternde Sara als Abrahams Schwester aus und macht dem Pharao schöne Augen, um ihrem Mann das Leben zu retten. Beeindruckend ist vor allem, dass ihre Liebe zueinander durch jahrzehntelange Kinderlosigkeit nicht abnimmt – und schliesslich werden die beiden doch noch Eltern. Eine besonders zärtliche Liebesgeschichte ist die von Ruth. Die Moabiterin wird früh zur Witwe und verliert eigentlich alle Zukunftsaussichten, doch sie hält zu ihrer Schwiegermutter Naemi, verspricht ihr sogar: «Wo du hingehst, da will ich auch hingehen, und wo du bleibst, da will ich auch bleiben.» Und schliesslich lernt sie Boas kennen, der sie versorgt, heiratet und liebt. Sogar Erotik hat ihren Platz in der Bibel, denn im Hohelied finden Körperlichkeit, Sehnsucht nacheinander und Zärtlichkeit einen ganz besonderen Ausdruck. Wer dieses Buch rein allegorisch und bildhaft verstehen will, muss sich fragen, warum man es dann früher erst als erwachsene Person lesen sollte. All diese und noch viele weitere Bibelstellen unterstreichen, dass die Bibel zwar keine rein menschliche Liebesgeschichte ist, aber grosse Gefühle unbedingt dazugehören.

Mehr als ein Happyend

Die Liebe von Simson und Delila im Richterbuch bleibt unerfüllt und endet als Tragödie. Die Liebe von Maria und Josef im Neuen Testament übersteht grösste Herausforderungen. Auch wenn das Konzept der Liebesehe in biblischen Zeiten nicht vorkommt, zeigen die Lovestorys der Bibel die gesamte Bandbreite des partnerschaftlichen Gegen- und vor allem Miteinanders. Abgründe warnen dich, ähnliche Fehler zu begehen, und schöne Momente zeigen immer wieder: Liebe lohnt sich. Das wird besonders dadurch deutlich, dass biblische Lovestorys zu keiner Zeit ins Triviale abgleiten. Selbst wenn manche Beziehungen scheitern, zeichnen sie insgesamt ein Bild zum Träumen und zum Nachleben: Liebe heisst, dass da jemand ist, der dich in all deiner Gewöhnlichkeit, mit deinen Eigenarten und Unvollkommenheiten sieht und dir treu bleibt, egal was passiert. Und diese Person bleibt nicht nur bei dir, sondern kümmert sich um dich, vergibt dir, segnet dich und liebt ohne Ende, während du im Gegenzug das Gleiche tust.

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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