Mehr als «Noch eine Konferenz»
«Jesus 25 – Ankern und Aufbrechen» sollte diese beiden Zielsetzungen auf den Punkt bringen. 600 Männer und Frauen aus einer grossen Bandbreite von Denominationen, Verbänden und Werken im D-A-CH-Raum arbeiteten intensiv an theologisch-biblischen Klärungen und versuchten, «Einheit in Vielfalt» neu zu definieren. Ein fünfköpfiges Leitungsteam hatte die Tagung zwei Jahre lang vorbereitet.
Der Hurrikan der Säkularisierung
Prof. Dr. Stefan Schweyer (Basel) ging in einem markanten Referat auf die Säkularisierung ein, die «wie ein Hurrikan Gesellschaft und Gemeinden durcheinanderwirbelt». Ein säkularer Lebensstil und ein «ahnungsloser Gewohnheits-Atheismus» seien zur Normalität geworden. Die grossen Kirchen hätten durch ihre Selbst-Säkularisierung die Ewigkeitsdimension verloren; auch der Postevangelikalismus sei ein «Sturmausläufer» des Hurrikans Säkularisierung.
Evangelikale hätten die Frömmigkeit zu oft auf das Persönliche und «meinen Glauben» reduziert. Aus diesem evangelikalen Individualismus brächen heute viele aus. Dabei könne die «evangelical community» neue, starke Brücken für das Evangelium in die säkulare Gesellschaft bauen. Nötig seien dazu «Orthodoxie» (eine klare Lehre), «Orthopraxis» (ein dem Evangelium entsprechendes Handeln) und «Orthokardia», ein brennendes Herz für Jesus. Die christliche Gemeinde lebe immer vom Doppelpack «Brennendes Leben» und «Offene Türen». Auf den Punkt gebracht: «Feuer an – und Türen auf».
Warum die Stellvertretung am Kreuz unverzichtbar ist
Dr. Martin P. Grünholz sprach ein zentrales Thema in der Auseinandersetzung mit einer «progressiven» Theologie an: Ist am Kreuz Jesu Christi eine reale Versöhnung zwischen Gott und Menschen geschehen, indem Jesus für die Schuld der Menschen bezahlt hat? Diese «vertikale Dimension» des Kreuzestodes werde – nicht erst heute, aber heute immer mehr – in ein «horizontales», immanentes Geschehen verändert, in dem Jesus heilend, vorbildhaft, befreiend, solidarisch, motivierend wirkt. Die Frage «Wie werden wir vor Gott gerecht» komme nicht mehr vor.
In einem menschenorientierten Weltbild müsse Gott immer lieber und positiver werden, erklärte der kanadische Philosoph Charles Taylor. Der Zorn Gottes «passe da nicht mehr rein». Grünholz fragte provozierend: «Hat das Evangelium jemals in diese Welt gepasst? Passte es in die Antike? Das Mittelalter? Die Moderne? Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit.» Der evangelikale Theologe John Stott habe es festgehalten: «Es gibt unterschiedliche Bilder fürs Kreuz: Opfer, Strafrecht, Kriegswesen usw. Aber Stellvertretung ist keine Sühnetheorie für sich, als separates Bild unter anderen, sondern die Essenz jedes Bildes. Es gibt nur eine Bedeutung des Kreuzes, die auf verschiedene Arten illustriert wird: Jesus Christus starb stellvertretend für uns.»
Weitere Akzente von Jesus25 in Kurzform
- Paul Bruderer (CH-Frauenfeld) beschrieb, «warum christliche Ethik heilsam ist». Bruderer: «Sexualethik, die auf der ganzen Offenbarung Gottes aufbaut, kann unmöglich menschenfeindlich sein, sondern ist gesund, herrlich und wohltuend.» Für frühe Christen – besonders Frauen – war das Christentum eine Erlösung aus Doppelbödigkeit der heidnischen Sexualethik: «Nicht der soziale Status, sondern der Schöpfer definiert meinen Wert.» Einvernehmlichkeit und Gleichberechtigung sei eine Folge dieser «sexuellen Revolution».
- Evangelist Ulrich Parzany betonte, wie Paulus inhaltliche Festigkeit – «wenn jemand ein anderes Evangelium bringt, verflucht sei er, wenn jemand rumspielt mit Jesus» – mit methodischer Freiheit verband: «Ich bin allen alles geworden, in der Methode bin ich absolut flexibel.» Heute würden wir häufig das Gegenteil erleben. Parzany: «Viele sind inhaltlich postmodern beliebig, aber kulturelle Betonköpfe, z.B. was den Musikstil betrifft.»
- Dr. Roland und Elke Werner gaben einen bewegenden Einblick in die Realität vieler Christen auf der Südhalbkugel: «Was verfolgte Gemeinden uns sagen.»
Inputs über Schönheit und Kraft des Evangeliums, über das Gebet und gemeinsame Gebetszeiten gaben der Konferenz eine innere, auch emotional packende Dynamik. Und: Rund um die Uhr wurde in einem separaten Raum für die Konferenz gebetet.
Foren
Die beiden Nachmittage der Konferenz waren 14 themenbezogenen Foren «zu den heissen Fragestellungen unserer Zeit» gewidmet, in denen intensiv an Themen wie Dekonstruktion, Glaube und Wissenschaft, Umwelt und Klima, Sexualität oder Gebet gearbeitet wurde.
Fazit und Ausblick
Dr. Markus Till erklärte in einem Schluss-Statement des Veranstaltungsteams: «Wir waren zwei Jahre unterwegs zu Jesus25. Viele Türen sind leicht aufgegangen – offenbar sind wir `in Werken gelaufen, die Gott vorbereitet hat`. Es hat sich angefühlt, als wenn Gott hier am Werk ist.» Er habe einen erwecklichen Geist gespürt.
Mitorganisator Frank Hinkelmann, Vorsitzender der Europäischen Evangelischen Allianz, erklärte: «Der konspirative Geist ist stärker geworden. Wenn wir als Evangelikale spüren, was möglich ist, müssen wir das zusammenlegen. Wir reden so oft, wie klein wir sind – hier war die Konferenz eine Ermutigung.» Hinkelmann hob die grosse Vielfalt von Gemeinden hervor – und das «Highlight, D-A-CH abzudecken: Das ist etwas Neues.» Man werde auch gemeinsam als deutschsprachiger Raum weitermachen.
Dem – nicht in allen Ländern gleich akzeptierten – Begriff «Evangelikalismus» soll durch diesen Prozess eine Aktualisierung und vielleicht auch eine neue Akzeptanz gegeben werden. Als schriftliche Basis und zur Vertiefung wurden in vier Sammelbänden (!) Aufsätze und Texte zu den zentralen Themen der Konferenz abgegeben, die auch zum Kauf erhältlich sind. Für die Zukunft wolle man keine grosse Organisation bilden, so die Veranstalter; man denke aber über eine Fortsetzung – eventuell im April 2027 – nach.
Die Konferenz schloss, gelesen vom Theologen, Sprachwissenschaftler und Missiologen Dr. Roland Werner, mit dem gemeinsam im Stehen gesprochenen «Nicaenum-Konstantinopolitanum», dem christlichen Grundbekenntnis, das dieses Jahr 1700 Jahre alt ist und als einziges Bekenntnis von allen christlichen Kirchen anerkannt wird.
Zum Thema:
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