Ehe ist kein Auslaufmodell

Es heiraten weiterhin viele Menschen
«Totgesagte leben länger», heisst es oft. Für die Ehe gilt diese Aussage auf jeden Fall, denn entgegen vieler Befürchtungen oder Prognosen heiraten die Menschen immer noch.

Oscar Wilde bemerkte spitz: «Die Ehe ist ein Versuch, zu zweit wenigstens halb so glücklich zu werden, wie man allein gewesen ist.» Nicht erst seit seiner Zeit wird die Ehe deshalb von vielen totgesagt. Sie sei nicht zeitgemäss, stärke traditionelle Rollenmuster und wäre überhaupt zwanghaft. Immer wieder hiess es schon: «In wenigen Jahren wird niemand mehr heiraten.» Interessanterweise urteilen manche wertkonservativen Christen ähnlich. Nicht, dass sie gegen die Ehe wären – ganz im Gegenteil –, aber auch sie kommen zum Schluss, dass sich immer weniger Menschen trauen und gleichzeitig immer mehr scheiden liessen. So halten sie die Ehe zwar besonders hoch, sehen sie als Sakrament (also etwas, das eine unsichtbare Wirklichkeit Gottes sichtbar macht) und betonen ihre Wichtigkeit von der Bibel her – gleichzeitig haben sie sich damit abgefunden, dass all dies kein gesellschaftlicher Konsens mehr ist. Ehe könnte tatsächlich ein Auslaufmodell sein, wenn… ja, wenn nicht viele junge Leute gern heiraten würden.

Der Hochzeitswunsch ist da

Junge Menschen suchen tragfähige Beziehungen und verbindliche Partnerschaften. Das ist nicht neu, aber immer noch gültig. So hat die letzte Shell Jugendstudie wie schon ihre Vorgängerinnen festgestellt: «Von all ihren Lebenszielen räumen Jugendliche stabilen Beziehungen, Freundschaften und Familie den höchsten Stellenwert ein.» Das bezieht sich nicht nur aufs Heiraten, doch mit einem Blick zum Nachbarn Österreich und in die Ö3-Jugendstudie hält der Standard fest: «Die Generation Z will heiraten und Kinder bekommen…» Passiert das auch oder bleibt es beim Wunsch? Es heiraten längst nicht mehr alle – rund die Hälfte der Deutschen sind verheiratet –, doch die Hochzeitsrate ist seit 30 Jahren fast konstant. Entgegen ihrem schlechten Ruf scheint Ehe nach wie vor für viele interessant zu sein. Sie steht für Liebe, Sicherheit und Verbindlichkeit.

Ehen sind besser als ihr Ruf

Immer wieder ist in den Medien davon die Rede, dass inzwischen jede zweite Ehe geschieden würde, doch das stimmt so nicht. Tatsächlich ist es ungefähr jede dritte Ehe und die Zahl der Scheidungen geht seit 20 Jahren kontinuierlich zurück. Momentan ist sie in Deutschland auf dem Niveau von 1950. Niemand heiratet, um sich scheiden zu lassen! Allerdings ist die Hemmschwelle dazu schon geringer als in früheren Zeiten, wo das gesellschaftliche Umfeld eine Trennung nur schwer akzeptiert hat und das Leben oder sogar Überleben besonders für geschiedene Frauen extrem schwer war. Leicht ist es auch heute noch nicht. 

Der Theologe Martin Dreyer – bekannt durch sein Projekt der Volxbibel – ist auch als freier Trauredner unterwegs. Er stellte in einem Interview mit dem Pro Medienmagazin wenig überraschend fest, dass die meisten Menschen aus Liebe heiraten würden. Verbindungen von Christen gibt der Pastor dabei eine deutlich bessere Überlebenschance: «Wer als Christ lebt, hat sich seiner Sünd- und Fehlerhaftigkeit hoffentlich irgendwann einmal gestellt. Wir brauchen Vergebung, immer wieder neu. Damit Ehen überleben können, braucht es auch genau das. Ein immer wieder neues Eingeständnis, dass man Fehler macht und die Bitte, dies zu verzeihen.»

Das Eheverständnis wandelt sich

Die einen sagen, dass schon auf den ersten Seiten der Bibel ein klares Bild von Ehe entstünde, wo es heisst: «Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei…» An dieser Aussage (die sich gar nicht ausschliesslich auf Ehe bezieht) hat sich tatsächlich nichts geändert. Doch vieles sieht heute anders aus: vom Rollenverständnis bis zum Kennenlernen, denn die aktuelle Hochzeitsstudie hält fest, dass sich in unseren Breiten seit zwei Jahren die meisten Menschen online kennenlernen und nicht mehr am Arbeitsplatz oder über Freunde. Ehe heute ist anders als Ehe vor 30 oder 300 Jahren. Tobias Faix und Thorsten Dietz schreiben in ihrer Ethik «Wege zur Liebe» denn auch: «Es führt kein Weg zurück zu arrangierten und von Familienoberhäuptern abgestimmten Eheschliessungen der alten Welt. Und die historisch immer noch recht jungen Ansprüche der Romantik, eine Beziehung nicht einzugehen ohne das wechselseitige Gefühl ganzheitlicher Anziehung, verändert die Logik partnerschaftlichen Beziehungen sehr grundsätzlich. Es gibt in der Bibel wie in der christlichen Tradition keine Ratschläge für Dating oder den Umgang mit Verliebtheit überhaupt.» Gleichzeitig betonen sie: «Es gibt ein Leben in Orientierung an der Bibel, das auch auf neuen Wegen Halt findet an alten Weisungen. Wechselseitige Liebe, Rücksicht und Vergebungsbereitschaft, Ehrlichkeit und Treue – all das sind Werte, die den Test von Jahrtausenden bestanden haben.» Ja, das Eheverständnis hat sich in vielem gewandelt und es wird sich weiterhin verändern. Aber sowohl christlich orientierte Menschen als auch solche, die mit Glaubensfragen nicht so viel anfangen können, können solche Werte in der Ehe erleben – und genau diese suchen sie.

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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