Den Willen des Vaters tun
Mich wundert immer wieder, dass Jesus am Teich mit den vielen chronisch Kranken nur den einen Kranken heilte – ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Scheinbar war das der Wille des Vaters in dieser Situation. Er wusste sich in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters. Was soll ich als Nachfolger Jesu tun? Die Antwort heisst: Den Willen des Vaters tun. Das tönt ganz einfach, ist es aber bei weitem nicht. Drei Grundfragen helfen weiter.
Auftauchen aus der Gottvergessenheit
Zuerst müssen wir ehrlicherweise feststellen, dass wir nicht in dieser engen Beziehung mit dem himmlischen Vater leben, wie dies Jesus tat. Immer wieder handeln wir «gottvergessen». Daher sind wir auch nicht geübt im Hören auf die feine und leise Stimme Gottes. Auch sind unsere Sinne meist nicht genügend offen, um das Wirken Gottes in der Welt wahrnehmen und dabei mitwirken zu können. Die zentrale Übung unseres geistlichen Lebens besteht daher immer im «Auftauchen aus meiner Gottvergessenheit» – durch Gemeinschaft mit anderen, die auf demselben Weg unterwegs sind, durch Gebet, Bibellesen und Stille.
Frage: Wie übe ich das Leben in der Gegenwart Gottes ein?
Keine Abkürzungen nehmen
Es ist zweitens schwierig, den Willen des Vaters in konkreten Situationen zu erkennen, weil wir vermutlich zu oft denken, dass uns sein Wille in jeder Situation neu offenbart werden muss. In der Bibel, an Jesu Vorbild und auch in der langen Geschichte vieler Menschen mit Gott zeigt sich aber der allgemeine Wille Gottes meist schon genügend deutlich. Nur studieren wir diese Quellen zu selten und versuchen stattdessen mit dem Gebet «Herr, zeige mir, was ich tun soll» eine Abkürzung zu nehmen.
Wie haben wir es z.B. mit unserer politischen Einstellung? Folgen wir den Parolen unserer Lieblingspartei oder fragen wir bei Sachgeschäften: Was würde Jesus tun? Ist Jesus für oder gegen das Bankgeheimnis? Würde Jesus, wenn er heute unter uns leben würde, den Schweizern empfehlen, dass sie ihren Reichtum für sich behalten sollen? Oder würde uns Jesus raten, dass wir unser legitimes Sicherheitsbedürfnis mit der Anschaffung von neuen Flugzeugen stillen sollen? Damit wir hier entscheiden können – eben im Sinne des Vaters –, müssen wir Jesus kennen. Sonst schieben wir ihm nur unsere Überzeugungen unter. Und es ist etwas vom Ärgerlichsten, wenn Christen ihre Ängste und Knauserigkeiten mit frommen Sätzen tarnen.
Frage: Studiere ich die Quellen genügend, oder suche ich zu rasch eine «fromme» Abkürzung?
In der richtigen Grundausrichtung leben
Wie wir wissen, spricht Gott nicht immer zu uns. Es ist auch nicht so, dass die Bibel Gott enthält wie das Fass den Wein. Auch wenn Nachdenken und hörendes Gebet die Wahrscheinlichkeit steigern, dass wir Gott vernehmen, gibt es doch nie eine Garantie dafür. Viele Male geschieht es, dass, ganz gleich, wie sehr wir uns danach sehnen und wie inbrünstig wir beten, die erwünschte Offenbarung nicht kommt. Häufig ist es eben ganz und gar nicht klar, was das Richtige ist.
Gott richtet sich nicht nach unserem Stundenplan. Und er wäre ein seltsamer Gott, wenn er uns mit Gewissheit überschütten und uns damit von der Notwendigkeit befreien würde, Mut, Initiative und die Fähigkeit zu zeigen, das für uns Richtige selbst herauszufinden. So gibt es in solchen Situationen nur eines: Ausharren, den Weg anscheinend allein gehen und einfach das Beste tun, das wir in der Dunkelheit zu tun vermögen. Wenn wir von Herzen den Willen des Vaters tun möchten und die Richtung damit grundsätzlich stimmt, dürfen wir getrost ausschreiten.
Frage: Was ist meine Grundausrichtung im Leben?
Dieser Artikel erschien im Februar 2013 auf Livenet und zuvor im Magazin Insist.
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