Faulheit? Na klar!

Das Faulsein üben
Nichtstun mit acht Buchstaben ist im Kreuzworträtsel «Faulheit». In der Realität ist sie eher verpönt, weil sich Menschen gern über das definieren, was sie tun, und nicht über das, was sie lassen. Gerade deswegen sollten wir das Faulsein üben.

Sie war eine gläubige Frau. Und genauso wichtig wie Gottes Meinung war ihr, was die anderen im Ort von ihr dachten. Wenn Elise also einfach mal einen Spaziergang machen wollte, war der alten schwäbischen Frau klar: «Des gohd nedd!» Und dann ging sie doch spazieren, allerdings legte sie sich sicherheitshalber die Hacke über die Schulter. So konnten es alle sehen: Sie ging aufs Feld. Oder sie kam von der Arbeit. Jedenfalls war sie nicht faul.

Vielleicht schüttelst du den Kopf, wenn du solche Geschichten hörst, doch tatsächlich fällt es vielen Menschen – gerade den gläubigen – nicht leicht, einmal ohne schlechtes Gewissen faul zu sein. Nichts zu tun.

Die Sache mit der Ameise

Stand dazu nicht auch etwas in der Bibel? Die konkrete Anweisung, nicht faul zu sein? Natürlich. Besonders Salomo versorgt uns reichlich mit Weisheiten zum Thema. «Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege an und werde weise», erklärt er in Sprüche, Kapitel 6, Vers 6. Und er ergänzt drastisch in Kapitel 26, Vers 14: «Die Tür dreht sich in der Angel und der Faule in seinem Bett.» Man kann noch nicht einmal entgegenhalten, dass das ja im ganz Alten Testament stehen würde, denn auch Paulus stellt in seinem zweiten Brief an die Thessalonicher klar: «Wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen!» Dieser Satz wurde übrigens sogar als Artikel 12 in die Verfassung der UdSSR aufgenommen.

Ein zweiter Blick auf all diese Bibelstellen zeigt jedoch, dass hier eine dauerhafte Haltung kritisiert wird, das permanente Sich-Hängenlassen auf Kosten anderer. Paulus reagiert mit seiner Aufforderung sogar auf die besonders Frommen seiner Zeit, die meinten, wenn Jesus sowieso bald käme, dann würde es sich nicht mehr lohnen, sich zu engagieren – schon gar nicht für andere. «Schwerer Fehler!», entgegnet der Apostel und ermutigt zu einem anderen Fokus: «Ihr aber, Brüder, werdet nicht müde, Gutes zu tun!» Ein permanent faules Leben mag einigen erstrebenswert scheinen – die meisten Menschen haben Schwierigkeiten damit und Gott scheinbar auch.

Getrieben und verzweckt

Die andere Seite ist jedoch das, was oft als «protestantisches Arbeitsethos» bezeichnet wird. Arbeit ist hierbei nicht nur notwendig, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern, sondern wird zur religiösen Pflicht. Damit hängen Tugenden wie Fleiss und Disziplin zusammen und die Idee, Gottes Reich zu bauen und seinen Willen zu erfüllen. All das ist sinnvoll, doch leider treibt dieses Denken auch Blüten wie die oben schon beschriebene Angst, beim «Müssiggang» erwischt zu werden. Es bewirkt Aussagen wie: «Pausen kenne ich nicht. Im Himmel ist noch genug Zeit, um mich auszuruhen.» Das hört sich aktiv an, für viele sogar geistlich, doch ist es das auch? Warum sprechen Menschen lieber vom Unruhestand als vom Ruhestand, wenn sie aufgehört haben zu arbeiten? Warum müssen dann all die Projekte verwirklicht werden, für die vorher keine Zeit war? Mehr noch als ein gesundes Engagement signalisiert dies ein Getriebensein, das als Wurzel oft genug den Gedanken hat: Ich genüge nicht. Ich sollte mehr tun. Gott kann nicht mit mir zufrieden sein…

Selbst scheinbare Freizeit und Erholung spielt hier mit hinein. Denn wozu mache ich Urlaub? Um wieder fit für den Job zu sein. Warum treibe ich Sport? Um in Form zu bleiben und … leistungsfähig. Erholung? Entspannung? Nichtstun? Fehlanzeige.

Und Gott?

Ein Blick in die Bibel zeigt schnell, dass Arbeiten und Handeln im christlichen Kontext völlig normal sind, dass Gott sie geradezu voraussetzt. Beim Überbetonen dieser Aktivitäten fragen biblische Autoren wie Paulus allerdings öfter nach dem tieferen Grund dafür. Ist es vielleicht das Streben nach Selbstgerechtigkeit? Nach dem, was Martin Luther als Werkgerechtigkeit ablehnt? «So kommen wir nun zu dem Schluss, dass der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt wird, ohne Werke des Gesetzes», unterstreicht Paulus in Römer, Kapitel 3, Vers 20. Offenbar fällt uns das gar nicht so leicht. Wenn du schon alles «aus Gnade» geschenkt bekommen hast, dann solltest du doch wenigstens anschliessend durch pausenlosen Einsatz unterstreichen, dass du es verdient hast, oder? Echte Faulheit kann hier ein gesundes Gegengewicht bilden. Natürlich ist es richtig, Gutes zu tun. Genauso richtig ist es aber, Pausen zu machen, nichts zu tun, faul zu sein. Ohne schlechtes Gewissen und ohne den Ansatz, dass diese Auszeit ihre Berechtigung nur hat, wenn sie deine Leistungsfähigkeit so schnell wie möglich wiederherstellt.

Stell dir vor, ein Journalist soll etwas über das christliche Arbeitsethos schreiben. Nachdem er zig Leute befragt hat, kommt ihm die Idee, sich direkt an den Urheber des Ganzen zu wenden. Überraschend schnell erhält er einen Termin bei Gott und interviewt ihn. Sie sprechen über Ameisenweisheit und Gutes-Tun. Gott berichtet auch von seiner eigenen Arbeit, zum Beispiel in der Schöpfung. Als sie zum letzten Tag dieser Schöpfung kommen, fragt der Journalist natürlich: «Was haben Sie eigentlich am siebten Tag getan? Irgendetwas müssen Sie doch gemacht haben?» Gott muss so stark lachen, dass er sich verschluckt. «Na, was wohl? Nichts! Ich war einfach faul.»

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Jesus.ch

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