«Seit drei Jahren hoffen wir vergeblich»

Trauerndes Paar (Symbolbild)
Es ist eine grosse Herausforderung, wenn der Wunsch nach einem Kind gross ist, aber (noch) nicht erfüllt wird. Wie geht man damit um?

Eins von sieben Paaren in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Tendenz steigend. Mein Mann und ich sind eines dieser Paare. Warum ich nicht schwanger werde, kann medizinisch bisher nicht erklärt werden. Mein Mann und ich sind gesund, mehrere Untersuchungen von uns beiden brachten bisher keine Erkenntnis, woran es liegt, dass wir seit drei Jahren jeden Monat vergeblich zwei Striche auf dem Teststreifen erhoffen. Schon seit ich im Teenager-Alter bin, wünsche ich mir, irgendwann Mutter zu sein. Lange dachte ich, dass dieser Wunsch sich nie erfüllt, weil mir schlicht ein passender Vater für meine Kinder fehlte. Umso glücklicher war ich, als ich mit 32 meinen heutigen Mann kennenlernte. Wir heirateten 2022 und freuten uns darauf, nun bald ein Kind in unserer Familie willkommen heissen zu dürfen. Doch das erste Jahr verstrich, ohne dass sich Nachwuchs ankündigte, und auch ein zweites Jahr liessen wir vergehen, bevor wir uns ärztlichen Rat suchten.

Alleine schaffen

Lange haderte ich damit, dass wir eine Kinderwunschbehandlung «brauchen». Ich wollte das «alleine schaffen». Ein Kind zu zeugen, kann ja wohl nicht so schwer sein! Ich misstraute meinem Körper und auch dem meines Partners, ehrlich gesagt. Wieso kriegten wir das nicht hin? Sollte es vielleicht einfach nicht sein? Hinzu kamen weitere Fragen, die ich mir zwangsläufig im Laufe des Prozesses stellte: Warum will ich denn eigentlich Kinder? Ist das nur eine alte, womöglich religiös angehauchte Prägung, die ich seit meiner Jugend mit mir herumschleppe und die eigentlich schon längst überholt ist? Ist es, weil ich «Familie» bisher ohne es zu hinterfragen als «Mutter, Vater, Kind(er)» definiert habe? Es ist Zeit für eine neue Definition: Mein Mann und ich sind auch ohne Kind eine Familie; wir haben drei Neffen, die uns sehr wichtig sind, und viele Freunde mit Kindern, mit denen wir oft und gerne Zeit verbringen.

Ich sehe auch Vorteile eines kinderfreien Lebens: mehr Geld übrighaben, sich mit niemandem abstimmen müssen, durch- und sogar ausschlafen können! Wir gehen nun mit grossen Schritten auf die 40 zu. Wollen wir so spät Eltern werden? Und ist Kinder haben zu wollen nicht egoistisch? Ein Gedanke, mit dem ich mich bis dahin nie befasst hatte, aber ja: Das Kind wird schliesslich nicht gefragt, ob es auf die Welt kommen will. Und überhaupt: Wäre es nicht grob fahrlässig, ein Kind in diese Welt zu setzen? Eine komplexe, von Krieg und politischen Krisen betroffene Welt, die mit hoher Geschwindigkeit immer weiter in die Klimakrise rast?

Vorläufige Antworten

Ich habe noch nicht auf alle diese Fragen eine Antwort für mich gefunden, doch mir ist klar geworden: Mein Wunsch nach einem Kind ist echt, er ist mehr als nur ein Relikt aus einer christlichen Kinderstube. Er ist gross und er darf sein. Ausserdem weiss ich nun, dass ein Kind zu zeugen nichts mit Leistung zu tun hat. Niemand kann das «schaffen». Gott allein schenkt Leben. Er hat alle Anlagen, die ich zum Mutter-Sein brauche, in mich hineingelegt.

Gleichzeitig darf ich wissen: Ich bin auch eine wertvolle und vollständige Frau, ohne Mutter zu sein. Falls mein Wunsch nicht erfüllt wird, werden mein Mann und ich einen anderen Lebensentwurf für uns beide entwickeln. Einen, der nicht schlechter ist als ein Leben mit eigenen Kindern. Doch noch haben wir Hoffnung, dass uns in den nächsten Jahren ein oder sogar mehrere Kinder geschenkt werden. Wir sind dankbar für die Möglichkeiten der modernen Medizin und nutzen diese inzwischen gerne.

Phase des Wartens

Ja, diese Welt ist komplex und die Zukunft je nach Blickwinkel wenig verheissungsvoll. Aber es braucht neue Generationen von Menschen, die sie gestalten und Hoffnung in die Welt tragen. Mein Mann und ich haben die besten Voraussetzungen, unsere Kinder so zu begleiten, dass sie die Zukunft selbstbewusst und verantwortungsvoll mitgestalten können. Bis dahin freuen wir uns aneinander und sind dankbar für Freunde und Familie, sowie medizinisches Fachpersonal, die uns liebevoll und mit viel Expertise durch eine schwere Phase des Wartens begleiten.

Die Autorin ist der Redaktion bekannt, möchte aber anonym bleiben. Ähnliche Impulse gibt es im Magazin JOYCE. Infos zum günstigen Jahresabogutschein des Magazins findest du hier.

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Autor: Anonym
Quelle: Magazin Joyce 03/2025, SCM Bundes-Verlag

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