Ein stiller Kampf gegen den Alkohol

Chris Janssen erzählt, wie sie ihre Sucht im Alltag versteckte – und warum wahre Genesung mehr ist als Abstinenz
«Ich wusste, es wird mich umbringen.» Chris Janssen erzählt, wie sie ihre Sucht im Alltag versteckte – und warum wahre Genesung mehr ist als Abstinenz: Ein radikaler Lebensstilwechsel hin zu Präsenz, Klarheit und göttlicher Gnade.

Chris Janssen ist Ehefrau, Mutter von drei erwachsenen Kindern, Autorin und Lebenscoach. «Ich hatte eigentlich eine wunderbare Kindheit. Meine Eltern leben beide noch, ich habe einen jüngeren Bruder, wir stehen uns alle bis heute sehr nah. Ich erzähle das, weil bei Gesprächen über Alkoholsucht oft die Frage kommt: ‘Ist das vererbbar? Liegt das in den Genen?’ Ich bin keine Ärztin, ich weiss es nicht. Ich glaube nur: Ganz gleich, wie man aufwächst – jeder kann in die Falle der Sucht geraten.»

Sie wusste sofort nach dem ersten Schluck, dass Alkohol ein Problem für sie werden würde. «Ich war damals in der neunten Klasse, als ich auf einer Party mit älteren Schülern Bier probierte. Ich war ein sehr perfektionistisches Kind, ein verkopfter Mensch und plötzlich war alles wie verzaubert. Der Alkohol nahm mir diese innere Anspannung, dieses ständige Denken. Ich fühlte mich zum ersten Mal ruhig, entspannt, einfach ‘okay’. Aber das war nicht nachhaltig.»

«Glaubst du, ich habe ein Problem?»

Sie trank weiter, meist mit Freunden. «Ich wusste genau, dass es mir nicht guttat. Ich hasste das Gefühl am nächsten Tag, schämte mich, fühlte mich schuldig. Über 24 Jahre lang – von der ersten Erfahrung in der Highschool bis ich 37 war – versuchte ich, das Trinken allein aufzugeben.»

Nach aussen sah niemand ein Problem. Chris Janssen hatte drei kleine Kinder, war sportlich aktiv, hatte im Leben viel erreicht. «Ich fragte meinen Pastor, einen Arzt, meine Therapeutin, meinen Mann, enge Freunde: ‘Glaubst du, dass ich ein Problem habe?’ Alle sagten: ‘Nein, du brauchst keine Hilfe.’ Aber mein Bauchgefühl sagte etwas anderes. Ich wusste: Das könnte mich umbringen.»

«Ich bin kein Monster»

Sie trank zu viel, zum Beispiel während des Abwaschs. «Ich wusste, dass ich so nicht weitermachen konnte, aber ich wusste auch nicht, wie ich aufhören sollte.»

Am Ende war es göttliche Fügung: «Eines Abends hatte ich das starke Gefühl, online nach Hilfe zu suchen. Am nächsten Tag ging ich zu einem Frauenmeeting – das war der Anfang meiner Heilung.» In diesem Treffen sagte eine Frau zu ihr: «Es ist nicht deine Schuld. Es ist wie eine Allergie. Du bist Alkoholikerin. Aber du musst nie wieder trinken.»

In diesem Moment fielen Scham und Schuldgefühle von ihr ab. Sie glaubte zum ersten Mal nicht mehr, dass sie ein Monster ist, sondern «dass ich Heilung und Gemeinschaft verdiene und dass ich nüchtern leben darf».

Der Rückfall

Fast 14 Jahre lang rührte sie keinen Alkohol mehr an. 2020, während der Corona-Pandemie, zog die Familie von Kalifornien nach Colorado. «Ich war zum ersten Mal ‘Empty Nester’ (Anm. d. Red.: wenn die erwachsenen Kinder ausgezogen sind). In der neuen Stadt fand ich nicht sofort Anschluss in einer Genesungsgruppe. Und nach über 13 Jahren nahm ich meine Nüchternheit für selbstverständlich.»

Sie fing wieder an zu trinken – nicht aus einer Krise heraus, sondern aus einem Hochgefühl. «Mein Leben lief besser denn je, und ich dachte: Ich kann doch alles haben. Ich dachte, ich müsste es nur ‘besser machen’. Aber das war ein Trugschluss: Sucht ist eine fortschreitende Krankheit. Sie wird mit der Zeit schlimmer – nicht besser.»

Der Heilige Geist

Es kam zum Absturz, zu schlimmen Vorfällen. «Beim letzten Mal hatte ich grosses Glück, dass ich überlebt habe. Am nächsten Tag kehrte ich zurück in meine Community – mit offenen Augen. Ich wusste: Hier gehöre ich hin. Ich war zu Hause. Und das Wunderschöne ist: Menschen in Genesung sind nicht voller Scham.»

Für Chris Janssen beginnt seelisches Wohlbefinden mit körperlichem Wohlbefinden. «Ich laufe, trainiere, gehe spazieren oder wandern. Ich bleibe mit meiner Genesungsgruppe, meiner Kirchengemeinde und meinen Freundinnen verbunden – und mit Gott im Gebet. Meine stille Zeit ist mir heilig – erst bete ich, dann gehe ich joggen. Währenddessen höre ich zu. Ich mache mir Sprachnotizen auf meinem Handy, wenn ich spüre: Das war der Heilige Geist.»

Das Leben zurückgewonnen

Für sie ist Nüchternheit mehr als Abstinenz – sie ist ein Lebensstil. «Ich empfinde es nicht als Verzicht, sondern als Gewinn. Ich gewinne mein Leben zurück, meine Präsenz, meine Erinnerungen, meine Fähigkeit, Freude zu empfinden.»

Mit den Menschen, die sie coacht, arbeitet sie nach dem Prinzip der Abwägung: «Was sind die Kosten und der Nutzen dieses Verhaltens oder dieser Entscheidung? Wir müssen ehrlich sein: Was kostet es, nicht zu trinken? Vielleicht etwas. Aber was kostet es zu trinken? Bei mir ist der Preis viel zu hoch.»

Als junge Frau dachte sie: «'Ich bestimme, ob ich würdig bin oder nicht.' Ich glaubte, ich müsse mir alles verdienen. Doch das ist nicht Gnade. Wenn wir glauben, wir müssten unsere Würdigkeit kontrollieren, sind wir nicht offen für das, was Gott uns längst zugesagt hat: Wir sind geliebt. Einfach so. Ohne Leistung. Ohne Bedingung.»

Hast du Fragen, brauchst du ein offenes Ohr oder Hilfe in deiner persönlichen Situation? Nutze die Angebote der «Livenet-Beratung»: Seelsorge per E-Mail, Gebetsunterstützung und mehr. Weitere Adressen für Notsituationen findest du hier. Du musst in deinen Herausforderungen nicht allein bleiben! 

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Autor: Jesus Calling / Daniel Gerber
Quelle: Jesus Calling / gekürzte Übersetzung: Jesus.ch

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