Zwei Fäuste und ein Halleluja

Eine unkonventionelle Therapie
Boxring statt Couch lautet die Maxime des Therapeuten Christopher Boy. In seinen Beratungen am Sandsack fliessen neben Schweiss auch Tränen und Worte.

Hast du heute schon geboxt?
Christopher Boy: 
(lacht) Ja – aber eher innerlich! Da ich mit drei Teenagern unter einem Dach lebe, gibt es da auch den einen oder anderen Kampf – manchmal schon früh morgens. Aber die Boxhandschuhe bleiben dabei «kalt».

Du bist Boxtherapeut. Dürfen Männer bei dir andere auf Rezept verprügeln?
Nicht ausschliesslich Männer, möchte ich anfügen, sondern gerade weibliche Klientinnen stehen diesem Angebot sehr offen gegenüber und lassen sich herausfordern. Das therapeutische Boxen, wie ich es anbiete, eignet sich wunderbar, um sich den eigenen Themen zu stellen und diese zu bearbeiten.

Welche heilsamen Erfahrungen machen Menschen bei dir am Sandsack?
Statt Sandsack biete ich in der Regel ein Schlagpolster an, auf das geboxt wird. Zudem tease ich meine Klienten häufig mit Sätzen, die mit dem eigenen Thema zu tun haben – indem ich «dagegenhalte» und herausfordere. Dabei fliessen häufig auch Tränen, immer dann, wenn ein innerer Schmerzpunkt getroffen wurde. Dann begleite ich mein Gegenüber sehr behutsam, reflektiere mit ihm die inneren Prozesse und Gefühle – und stehe ihm fortan ermutigend zur Seite. Beim Netzwerktreffen der «Männerreise – Abenteuer Identität» haben wir kürzlich mit etwa 40 Männern geboxt – und viele von ihnen haben tiefgehende und zugleich heilsame Erfahrungen machen dürfen.

Christopher Boy

Was war dein Knock-out im Beruf des Sonderschullehrers? Warum hast du den (Box-)Stall gewechselt?
Ich habe mit ganzem Herzen meinen Lehrberuf gelebt. Gerade die Begleitung von Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung hat mir viel Freude bereitet und mein Leben sehr bereichert. Im Klassenzimmer haben wir sinnbildlich auch so manchen Kampf ausgefochten. Aber es wurde auch viel gelacht, gefeiert und das Leben geteilt. Warum habe ich also «den Stall» gewechselt? Weil ich etwas anderes noch viel lieber machen wollte als das. Es war so, als hätte mir (und meiner Frau) Gott etwas aufs Herz geschrieben, eine Leidenschaft in uns hineingelegt, die zu dem Wechsel geführt hat. Dadurch hat sich unser Leben um 180 Grad gedreht – auch eine grosse Herausforderung und nicht selten ein Kampf.

Welche Empfehlung gibst du Männern im Blick auf die Lösung von Konflikten?
Haltet erst mal einen Moment inne. Häufig laufen wir davon, decken uns zu mit Terminen und nehmen uns zu wenig Zeit, um wirklich hinzusehen und uns zu fragen: «Was ist der eigentliche Konflikt? Wo liegt das Problem?» Wenn ich da nicht weiterkomme, ist das Gespräch mit einem Freund häufig hilfreich. Und manchmal ist es auch einfach gut, sich Rat, Unterstützung und Begleitung bei einem Seelsorger oder Therapeuten zu suchen.

Du hast deinen Boxring ins Allgäu verlegt. Was bietet ihr mit eurem Projekt «ATEMPAUSE» an?
«ATEMPAUSE» ist ein Ort für Menschen, die sich in einer Krise befinden – wie auch immer diese aussehen mag. Für 1-2 Wochen kann man eine Auszeit in einer unserer Wohnungen im Allgäu machen, wird von uns versorgt und in täglichen Gesprächen begleitet – und manchmal fliegen auch die Fäuste!

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Autor: Rüdiger Jope
Quelle: Magazin MOVO 02/2025, SCM Bundes-Verlag

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