Nicaraguas Kirchen unter Druck
Open Doors dokumentiert, wie Nicaraguas Präsident Daniel Ortega und seine Ehefrau, Vizepräsidentin Rosario Murillo, Verfassungsänderungen, Polizeikräfte und restriktive Gesetze nutzen, um abweichende Meinungen zu unterdrücken, insbesondere gegen religiöse Führungspersönlichkeiten und Organisationen.
«Nicaragua befindet sich inmitten einer sich verschärfenden Menschenrechtskrise», steht im Bericht. «Freiheiten wie Religions- und Meinungsfreiheit sowie das Recht auf abweichende politische Ansichten werden zunehmend eingeschränkt.»
Die gezielte Verfolgung christlicher Gemeinschaften habe sich insbesondere seit den regierungskritischen Protesten im Jahr 2018 verschärft. Damals unterstützten katholische und protestantische Kirchenführer die Demonstrierenden und leisteten humanitäre Hilfe.
Kirchen unter Druck
Als Reaktion darauf startete die Regierung eine mediale Diffamierungskampagne gegen die katholische Kirche und bezeichnete kirchliche Vertreter als politische Feinde. Gleichzeitig wurden regimekritische protestantische Pastoren verhaftet und Kirchen geschlossen.
Seither werden Gotteshäuser streng von paramilitärischen Einheiten und regierungsnahen Informanten aus der Bevölkerung überwacht. Öffentliche religiöse Veranstaltungen wie Weihnachts- und Osterprozessionen wurden verboten, christliche Radiosender mussten schliessen, wenn sie sich kritisch zur Regierung äusserten.
Raub und Vandalismus
Im Bericht heisst es weiter: «Sowohl in katholischen als auch protestantischen Gemeinden wurden Gottesdienste in ihrer Dauer, ihrem Ort und ihrer Häufigkeit eingeschränkt. Maskierte Männer drangen in Kirchen ein, es kam zu Raub und Vandalismus religiöser Gegenstände.»
Kirchliche Führungspersonen müssen ihre Worte mit Bedacht wählen: «Jede regierungskritische Äusserung kann zu Verhaftung, Kirchenschliessung oder beidem führen. Viele Gläubige meiden aus Angst vor Angriffen die Kirchen und versammeln sich stattdessen in Hausgemeinden oder lesen allein im Privaten die Bibel.»
Exekutive kontrolliert Staatsorgane
Eine weitreichende Verfassungsänderung vom Januar 2025 schaffte die Unabhängigkeit der Justiz und der Wahlbehörden ab und ernannte Ortega und Murillo gemeinsam zu Co-Präsidenten, womit die Exekutive die vollständige Kontrolle über alle Staatsorgane erhielt.
Zudem rief das Regime eine staatlich unterstützte «Freiwilligenpolizei» ins Leben – bestehend aus ehemaligen Strafgefangenen und Parteitreuen – um religiöse Gemeinschaften einzuschüchtern und Widerstand zu unterdrücken. Neue Änderungen der Strafprozessordnung erlauben es den Behörden nun, Personen bis zu 90 Tage ohne Anklage festzuhalten.
Viele kirchliche Leiter inhaftiert
Zahlreiche katholische und protestantische Kirchenführer wurden inhaftiert, oft ohne Zugang zu rechtlicher Unterstützung. Einige wurden unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten, es gibt Berichte über sexuellen Missbrauch weiblicher Gefangener.
Ein Gesetz aus dem Jahr 2022 ermächtigt das Innenministerium, die Rechtspersönlichkeit von NGOs aufzuheben, wenn diese angeblich die öffentliche Ordnung gefährden. Infolge dessen mussten lang etablierte christliche Organisationen wie «Caritas Nicaragua», die 1612 gegründete «Episkopalkirche» und die 1847 gegründete «Herrnhuter Brüdergemeine» ihre Tätigkeit einstellen.
Religiöse NGOs sahen sich mit Vermögensbeschlagnahmungen, dem Verlust steuerlicher Privilegien und Drohungen gegen ihre Mitarbeitenden konfrontiert.
Forderung nach Freiheit
«Open Doors» fordert die Regierung Nicaraguas dringend auf, die anhaltenden Verstösse gegen die Religionsfreiheit zu beenden. Die Organisation verlangt die sofortige Freilassung aller inhaftierten Glaubensführer sowie die Wiederherstellung des rechtlichen und finanziellen Status religiöser Organisationen. Zudem fordert sie die Rückgabe beschlagnahmter Kirchenbesitztümer und ein Ende der flächendeckenden Überwachung religiöser Einrichtungen.
Darüber hinaus verlangt «Open Doors» die Abschaffung jener Gesetze, die die Religionsfreiheit und das Recht auf friedliche Versammlung einschränken, und appelliert an die Regierung, ihren internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.
Der Bericht ruft ausserdem die internationale Gemeinschaft dazu auf, diplomatischen Druck auf das Ortega-Regime auszuüben.
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