«Mit Jesus immer ein Kassenschlager»

Jesus aus der Serie «The Chosen»
Es gibt fast unzählige Jesusfilme und -Serien. Die Doku «Jesus goes to Hollywood» gibt einen guten Überblick, was Filmschaffende kreiert haben. Von schwarzweissen Anfängen bis zum postmodernen Serien-Messias. Welchen Jesus hat Ihr Nachbar im Kopf?

Denn von der wohl berühmtesten Persönlichkeit der Welt hat jeder seine eigene Idee, wie er war, wie er aussah. Dazu haben Gemälde und nicht zuletzt auch Filme beigetragen. Zu Beginn sagt ein Film-Mitarbeiter: «Ich stelle mir Jesus als einen sehr grossen Mann mit magnetischen Augen vor.»

Der Titel bezieht sich auf die provokante Aussage des Erfolgs-Regisseurs Paul Verhoeven (Robocop, Total Recall), der findet, dass ein Jesusfilm immer Leute ins Kino lockt.

Die «alten Schunken» lassen schmunzeln. Treffend auch die Darstellung bei «Messiah» auf Netflix: ein Jesus, der vieles offen lässt und nicht wirklich konkret sein will; ein aktuelles, gesellschaftliches Spiegelbild. Wenn man über den Glauben ins Gespräch kommt, ist die Frage doch interessant, welches Bild mein Gegenüber von Jesus hat. Das könnte auch von einem Film geprägt sein.

Gewänder und die Mutter aller Drehorte

Gleich am Anfang zeigt der Streifen, wie in einer Werkstatt Roms Gewänder mit künstlichem Blut bearbeitet werden; nicht ganz unwichtig, weil das Blut Jesu in der Geschichte eine wesentliche Rolle spielt. Und wie mehrmals im Film, kippt der Schauspiel-Alltag in die wirkliche Dimension von damals, wie die Mitarbeiterin der Schneiderei erklärt: «Als ich die Jesus-Kostüme sah, hat mich das schon sehr beeindruckt. Sie erweckten eine gewisse Ehrfurcht. Ich weiss, sie wurden nur für das Kino gemacht, aber 'Mamma Mia', es sind die Kleider von Jesus.»

Ausgerechnet der Atheist Pasolini findet den cineastischen Bibel-Ort schlechthin: die italienische Stadt Matera. Die Doku zeigt die Umstände, weshalb gerade dieser Flecken als Kulisse für das Heilige Land hinhalten musste. Klar, das Städtchen ist sehr pittoresk und ebenso ursprünglich erhalten, dass man sich sofort in die biblische Zeit zurückversetzt sieht. Auch wählte Pasolini ortsansässige Laiendarsteller mit markanten Gesichtszügen.

«Jesus kommt oft nach Matera… die Zeit vergeht, und es ist immer möglich, sich zurückzuversetzen, zu jenen Bildern und Gefühlen, um Frieden mit Gott zu machen», so eine Produzentin.

Grabtuch, Pest-Gelübde und Ben Hur

Das bekannte Grabtuch von Turin ist eine frühe Abbildung, welche die Gesichtszüge Jesu tragen soll. Ebenso wichtig waren die 1634 initiierten Passionsspiele von Oberammergau. Sie entstanden aus einem Gelübde, weil das Dorf damals von der Pest verschont wurde. Später konnte das Kino sein Image des Jahrmarktes aufbessern, indem es Jesusfilme zeigte. So erschien 1927 «König der Könige», wo kein Rauchen, kein Alkohol und Ausgehen vom Hauptdarsteller verlangt wurden.

«Gesegnet seien, die nach Gerechtigkeit dürsten und hungern, denn sie sollen gesättigt werden…» Bibelzitate und die Gewänder prägten die Bilder, und mit Ben Hur entstand eine der teuersten Produktionen seiner Zeit. Der Erfolg war riesig und konnte die Filmfirmen vor dem Konkurs retten.

«Skandal-Filme» vs. Nichts als die Wahrheit

Klar fragt sich, wo der Wahrheitsgehalt aufhört und wo der Skandal anfängt... Wohl kein anderer Film wie der Jesus-Film von Campus für Christus ist dem Dilemma so stark ausgewichen. Er verwendet zu 100 Prozent nur Bibelworte aus dem Lukas-Evangelium. Aber sonst ist es immer eine Frage der Interpretation und des Ausschmückens von historisch-biblischen Fakten.

1973 erschien das Hippie-Musical «Jesus Christ Superstar» mit Welthits wie dem Titelsong. «Life of Brian» mit der Comedy-Truppe Monty Python stichelte erneut, und 1998 hatte «Die letzte Versuchung Christi» von der Regielegende Martin Scorsese, ein zutiefst frommer Katholik, als Ziel, «…dass Liebe von Gott, zu dir selbst und den Nächsten erfahrbarer wird. Und den Mann zeigt, der kämpft und mit der menschlichen und göttlichen Natur ringt; der am Ende die Berufung annimmt. Es macht diesen Gott, unseren Gott, zugänglicher für das Publikum.» Für viele hatte Scorsese den Provokations-Bogen überspannt. Auch eine Nonne sagt empört: «Ich glaube fest, dass der Staat Kalifornien in das Meer stürzt, wenn dieser Film erscheint!»

Nach 9/11: Mel Gibson und Übernatürliches

2004, im Zeitgeist nach den schrecklichen Attacken in New York, hatte Gibson die Vision, einen Jesus-Film über dessen letzte Lebensstunden zu drehen. «Er wurde geschlagen für unsere Missetaten. Er wurde verletzt für unsre Sünden. Und durch seine Wunden sind wir geheilt. Es geht im Film um Glauben, Liebe, Hoffnung und Vergebung. (…) ich tat es mit Gottes Hilfe,» erzählt der Regisseur.

Einmal wurde er wütend und verliess das Set. Als er am andern Morgen zurückkehrte, entschuldigte er sich über das Megaphon bei allen, dann beteten sie zusammen. Auch ein Priester war dort. Es habe eine mystische Stimmung geherrscht, dann sei ruhig weitergedreht worden, erzählt ein Beteiligter. Schlussendlich resultierte das 20fache an Einnahmen, was Gibson zuvor investierte. Die Filmkritikerin sagt, das Erfolgsgeheimnis sei die Kombination aus Sensation und Attraktion. Ein Folgefilm aus Gibsons Feder steht bereits in den Startlöchtern.

Neuer Jesus auf Netflix

Messias – al-Masih. «Wir erfahren nie, wer er wirklich ist. Nur durch die Augen der Anderen», erklärt der Jesus-Darsteller. Dem es auch wichtig war, einen eigenen Weg zur Figur zu finden und alle existierenden Quellen beiseitezulegen; passend zum postmodernen Zugang.

The End

Wie bei Filmbeginn machen am Schluss diverse Statements die Runde, eines davon: «Wir alle können Jesus Christus sein, um alles zu bringen, was die Welt braucht…» Das klassische Dilemma halt, Torheit und Wahrheit zugleich – menschlich und göttlich.

Bei einem provokativen Film wird der Hauptdarsteller auf dem Höhepunkt der Proteste privat angesprochen: «He, du spielst doch Jesus? Du hast deswegen Probleme, nicht? Das passiert, wenn man die Story ändert!»

Zur Doku:
«Jesus goes to Hollywood» mit 60 Minuten Laufzeit. Produziert von SRF und ZDF/Arte: Jesus goes to Hollywood – Sternstunde Religion – Play SRF

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Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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