Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind
Wir leben in einer Zeit des massiven Gottesdienst-Sterbens. Das wird in unseren Landeskirchen kaum thematisiert, doch der Rückgang ist deutlich sichtbar. Früher wöchentlich gefeiert, finden viele Gottesdienste heute nur noch alle zwei Wochen oder sogar monatlich statt. Bei Reformen im Gottesdienst-Plan fallen sie immer häufiger ganz aus. Dabei gibt es so viele kreative Möglichkeiten, auch mit nur wenigen Menschen schöne Gottesdienste zu feiern. Das zeigt ein Beispiel aus meinem pfälzischen Nachbardorf. Eine Presbyterin wollte sich nicht damit abfinden, dass in ihrem Ort mit 1000 Einwohnern kaum noch Gottesdienste stattfinden. Sie begann, zu einem einfachen Gottesdienst mit Bibelgespräch einzuladen.
Einmal im Monat, abends
Einmal im Monat und immer abends. Und gemäss dem Bibelwort «Wo zwei oder drei …» fragt sie dazu immer eine andere Person im Dorf: Machst du mit? Sie wohnt schon lange im Dorf, kennt viele Menschen – und diejenigen, die sie anspricht, sind meist keine regelmässigen Gottesdienstgänger – und erst recht keine geübten Gottesdienstgestalter. Ausdrucksformen und Ablauf ändern sich – je nachdem, wer mitmacht und was diese Person einbringen mag. Manchmal sind sie nur zu zweit. Aber immer öfter kommen diejenigen, die schon mal dabei waren und schauen sich interessiert an, wie die anderen es so machen. Einmal waren sogar fünf Personen versammelt.
Kleine Gottesdienste werden mehr und mehr zum Normalfall. Bisher sind wir schlecht vorbereitet auf solche Situationen. Orthodoxe Priester feiern auch ohne Gemeinde Gottesdienst – im Wissen um die Engel und unsichtbaren Mächte, die anwesend sind. Aber wir Protestanten? Unsere fantasielose Idee ist leider, den konkreten Gottesdienst ausfallen zu lassen – und irgendwann das gottesdienstliche Angebot am meist kleinen Ort ganz aufzugeben. In meiner ländlich geprägten Landeskirche ist es gerade eine Herausforderung, Gemeindemenschen, die ihre Ortskirche und den Gottesdienst lieben, zu ermutigen, auch ohne die «Profis» Gottesdienste zu feiern. Dazu braucht es nicht viel. Zunächst nur einen Menschen mit Herz. Und eine Pfarrperson, die Rückenwind gibt und Freiheit in der Frage, wie der Gottesdienst konkret aussehen kann.
Einfach feiern statt aufgeben
Denn es geht ja nicht einfach um eine Kopie des agendarischen Gottesdienstes, sondern um eine Feier, die dem Rahmen und den Feiernden, ihren Bedürfnissen, Möglichkeiten und auch Grenzen entspricht. Ist das klar, stellen sich Kreativität und Fantasie fast von selbst ein.
Gunter Schmitt ist Pfarrer und Systemischer Coach (EASC) beim Missionarisch-Ökumenischen Dienst der pfälzischen Landeskirche und ist dort u.a. zuständig für Gemeindeentwicklung. Ausserdem ist er ehrenamtlicher Mitarbeiter in einem Erprobungsraum seiner Landeskirche.
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