Wenn das Christentum die Massenmedien erschreckt
«Deutsche Fernsehnachrichten zu schauen, fühlt sich zunehmend an wie Satire. Es wäre amüsant – wäre es nicht ein ernstzunehmender Missbrauch von Steuergeldern. Kritische Berichterstattung über religiöse Gemeinschaften ist selbstverständlich legitim und notwendig», sagt Anja Tang-Hoffmann, Direktorin der «Beobachtungsstelle für Intoleranz und Diskriminierung gegen Christen in Europa» (OIDAC Europe). «Doch jüngste Sendungen und Artikel öffentlich-rechtlicher Medien vermitteln den Eindruck, dass sich manche Journalistinnen und Journalisten weniger als Berichterstattende und mehr als Aktivisten mit eigener Mission verstehen.»
Es scheine inzwischen zu genügen, seinen Glauben offen zu leben, um als Christ unter Verdacht zu geraten. «Als ein christlicher Fussballspieler vergangenen Juni nach einem Spiel auf dem Platz betete und wenig später vor Schülerinnen und Schülern über seinen Glauben sprach, warnte die ‘Tagesschau’ die deutsche Öffentlichkeit prompt vor der ‘Gefahr’. Mit bemerkenswerter Ernsthaftigkeit verkündete die Moderatorin: ‘Manche Fussballer leben ihren Glauben ganz offen. (…) Auf den ersten Blick mag das harmlos erscheinen. Doch Kritiker warnen, dass es sich in einigen Fällen um gezielte Missionierung handeln könnte.’ Welch ein Schock!»
Warnung vor «Hallow» und «O’Bros»
Mehrere Sender und Medien – darunter «ARD», «BR», «Der Spiegel» und «Deutschlandfunk» – sprachen seither ernste Warnungen über die katholische Gebets-App «Hallow» aus, die angeblich von konservativen Amerikanern finanziert werde, sowie über die christlichen Rapper «O’Bros».
Als die «O’Bros» Platz eins der deutschen Charts erreichten, «informierte die ARD-Sendung Brisant die Zuschauer über die vermeintliche Bedrohung. Obwohl sich ihre Texte um Liebe, Bibelworte und den Heiligen Geist drehen, seien sie ‘alles andere als harmlos’. ‘Der Heiligenschein täuscht’, warnte die junge Reporterin mit ernster Miene, denn ihr eigentliches Ziel sei es, ‘junge Menschen zurück in die Kirche zu locken und andere von ihrem Weltbild zu überzeugen – also: zu evangelisieren’. Der dramatische Ton liess wenig Zweifel: Das muss eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sein. Und noch schlimmer: Die Rapper hätten einst an einer Konferenz teilgenommen, bei der LGBTQI-kritische Ansichten geäussert wurden», bilanziert Anja Tang-Hoffmann.
Nur ein Thema, wenn es Christen sind
Was dabei auffällig unerwähnt bleibt: Das Recht, seinen Glauben weiterzugeben – also zu evangelisieren – ist in Artikel 18 (wie im Beitrag zum Weltverfolgungsindex 2024 erwähnt) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ausdrücklich geschützt.
Anja Tang-Hoffmann: «Und offenbar ist den Reporterinnen und Reportern auch nicht bewusst, dass Evangelisation sowie das Verständnis von Ehe zwischen einem Mann und einer Frau seit 2’000 Jahren Teil des christlichen Glaubens sind.»
Merkwürdig ist ausserdem, dass die Sorge vor «missionarischem Einfluss» offenbar nur dann aufkommt, wenn Christen beteiligt sind. Als ein Foto des muslimischen Fussballers Antonio Rüdiger viral ging, der zu Beginn des Ramadan die Tawhid-Geste zeigte, wurde er zwar kritisiert, weil viele darin ein islamistisches Symbol sehen. «Doch die ‘Tagesschau’ beeilte sich, die Kritik als ‘antimuslimischen Hass’ von rechtsradikaler Seite zu verurteilen. Eine Soziologin wurde eingeladen, die Zuschauer zu beruhigen: Es sei ‘eindeutig’, dass Rüdiger nicht radikal sei, und die Geste müsse ‘in den Kontext eingeordnet werden’.»
Immer mehr anti-christliche Hassverbrechen
Noch surrealer wirken die Warnungen vor christlicher Missionierung, wenn man bedenkt, was derzeit tatsächlich in Deutschland passiert, so Anja Tang-Hoffmann: «Laut Polizeistatistik nahmen antichristliche Hassverbrechen zwischen 2022 und 2023 um 105 Prozent zu und stiegen zwischen 2023 und 2024 um weitere 22 Prozent.»
Im vergangenen Sommer veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz – die selten der Alarmismus beschuldigt wird – eine öffentliche Warnung, dass «alle Tabus gebrochen» seien, wenn es um Kirchenvandalismus geht. «Anlass waren groteske Angriffe auf Kirchen: Brandstiftung in Gotteshäusern, mit Exkrementen beschmierte Altäre und enthauptete Jesusstatuen.»
Weihnachtsmarkt abgesagt
Die Lage hat sich seitdem kaum verbessert, analysiert Anja Tang-Hoffmann: «In den letzten Monaten wurde ein junger Mann in Berlin verprügelt und verletzt, nachdem er zugab, Christ zu sein. Ein Küster wurde mit einem grossen Kreuz, das aus seiner eigenen Kirche gerissen wurde, attackiert. Die Evangelische Tabernakel-Gemeinde musste ihren Open-Air-Gottesdienst absagen, nachdem der Pastor Todesdrohungen erhalten hatte. Und vergangene Woche sagte eine lutherische Gemeinde in Schleswig-Holstein ihren Weihnachtsmarkt wegen eines Drohbriefs ab.»
Doch solche Feindseligkeit passt offenbar nicht zur bevorzugten Erzählung: «Besonders deutlich wird das in der Berichterstattung zur weltweiten Christenverfolgung, die in denselben Medien kaum vorkommt, die unablässig vor christlicher Missionierung in Deutschland warnen. Und wenn sie vorkommt, dann meist in seltsam verzerrter Darstellung.»
Komplette Verzerrungen
Als im vergangenen Juni rund 200 Christen in Nigeria getötet wurden – Berichten zufolge unter Rufen wie «Allahu Akbar» –, veröffentlichte das «ZDF» einen ausführlichen Artikel, der erklärte, der Konflikt zwischen Bauern und Hirten sei vor allem eine Folge des Klimawandels: «Mitunter nimmt der Konflikt eine religiöse Färbung an», hiess es weiter. «Doch von Zusammenstössen zwischen Christen und Muslimen zu sprechen, sei irreführend, so Experten.»
Solche Verzerrungen beschränken sich nicht auf Deutschland, erklärt Anja Tang-Hoffmann. «In der gesamten westlichen Welt werden traditionelle christliche Vorstellungen von Ehe und Geschlecht als ‘homophob’, ‘fundamentalistisch’ oder sogar als ‘religiöser Extremismus’ bezeichnet; wobei völlig ausser Acht gelassen wird, dass Extremismus durch die Bereitschaft zur Gewalt definiert ist, während diejenigen, die so bezeichnet werden, in der Regel Vergebung und Demut predigen (und – ja – auch, dass die moralischen Massstäbe der Bibel ernst zu nehmen sind).»
«Gefährliche Verleumdungen»
Anja Tang-Hoffmann betont: «Diese Verleumdungen sind nicht nur ungerecht, sondern auch gefährlich. Erstens verharmlosen sie die tatsächliche Bedrohung durch religiösen Extremismus (der selten christlichen Ursprungs ist). Zweitens können feindselige Narrative laut einer aktuellen Leitlinie der OSZE zu erhöhter Aggression gegenüber Christen beitragen.»
Für überzeugte Christen ist es leicht, sich angesichts solcher Ungerechtigkeiten entmutigt oder verletzt zurückzuziehen und über die Schieflage der «Medien» zu klagen, erläutert Anja Tang-Hoffmann: «Doch das ist nicht Sinn dieser Überlegungen.»
Mit Humor reagieren
Anja Tang-Hoffmann ermutigt: «Stattdessen könnten wir uns fragen: Wie können wir unsere Kritik an solchen unfairen Darstellungen mit Gelassenheit und sogar einem Hauch Humor äussern – sei es in einem Leserbrief oder einem Gastkommentar – und damit dazu beitragen, unsere Medienlandschaft ein wenig weniger einseitig zu machen?»
Denn für Christinnen und Christen gehört es zu unserem Auftrag, «Salz und Licht» in der Welt zu sein, erinnert Anja Tang-Hoffmann. «Jesu Worte lassen keinen Zweifel daran, dass wir uns nicht immer inmitten Gleichgesinnter wiederfinden werden. Doch je enger wir uns an ihn halten und seine Liebe zur Welt erkennen, desto geduldiger und liebevoller können wir – durch Gottes Gnade – unseren Teil dazu beitragen, eine gerechtere und mitfühlendere Gesellschaft mitzugestalten.»
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