Die Bibel, ein Bilderbuch?

Die Bibel ist kein Kinderbuch, aber sie ist ein Buch auch für Kinder (Symbolbild)
Die Bibel mehr ist als ein Buch. Das wird deutlich, wenn du siehst, dass sie zu fast jeder literarischen Form etwas beizutragen hat – auf Bestseller-Niveau. Heute geht es in dieser Reihe um Kinder: Ist die Bibel kindgerecht oder -gefährdend?

Ich lese gern. Und ich lese auch gern vor. Als ich am Vorlesetag Ende November in einer Grundschule vor 20 Erst- und Zweitklässlern sass, schaute ich in grosse Augen und offene Münder. Ich sah Begeisterung und nicht, wie man es mir prophezeit hatte, Chaos und Desinteresse. «Kinder heute lesen nicht mehr», heisst es. «Kinder heute können nicht mehr zuhören», sagt man. Es geht mir nicht darum, überzogenen Medienkonsum schönzureden, aber immer noch lieben Kinder Geschichten. Die dürfen lustig oder nachdenklich, spannend oder fantasievoll sein, aber sie sollten «echt» sein und sie berühren. Viele solcher Geschichten bleiben scheinbar immer jung. Kaum zu glauben, dass Pippi Langstrumpf gerade 80 Jahre alt geworden ist, denn sie macht sich ihre Welt immer noch «widdewidde wie sie mir gefällt…».

Und die Bibel?

Die Bibel kämpft an dieser Stelle mit ihrer Wahrnehmung. Die einen würden sie gern als Märchenbuch in die Kinderabteilung stellen, die anderen eher in den Giftschrank verbannen, weil ihre Inhalte angeblich FSK 16 sind und unter den Jugendschutz fallen sollten. Diese Kritik hat ihre Wurzeln jedoch eher in einer grundsätzlichen Ablehnung der Bibel und weniger in der Frage, was darin kindgerecht wäre. Und da ist einiges zu finden, obwohl es das Konzept der «Kindheit», wie sie heute verstanden wird, zur Zeit des Alten und auch Neuen Testaments so nicht gab. Trotzdem richtet sich die Bibel in manchen Aussagen explizit an Kinder. Mehr noch: Sie gibt ihnen Würde, bestätigt ihren Schutz und zeigt sie damit in besonderer Weise als Gottes Ebenbild. Kein Wunder, dass David in Psalm 139 im Blick auf Geburt, Wachstum und Erwachsenwerden festhalten kann: «Ich danke dir dafür, dass ich erstaunlich und wunderbar gemacht bin.»

Aber was enthält die Bibel, das sich konkret an Kinder und Jugendliche richtet? Wo wird sie selbst zum Bilderbuch der Liebe Gottes?

Auf Augenhöhe mit Kindern

Klassische Appelle in der Bibel, die scheinbar Kinder ansprechen, tun das in Wirklichkeit gar nicht. Wenn es in den Zehn Geboten heisst «Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!», dann ist dies weniger ein erhobener Zeigefinger gegenüber Minderjährigen, sondern die Aufforderung an längst erwachsene Kinder, ihre alten Eltern zu versorgen. Typisch ist gleichermassen, dass da, wo Erwachsene über wichtige Themen der «Grossen» reden, Jesus lächelnd ruft: «Lasst die Kinder zu mir kommen!» Diese Spannung zieht sich durch die ganze Bibel.

Klassische Kinderbibel-Geschichten wie die vom Jona im Fisch richten sich tatsächlich in erster Linie an Erwachsene, aber sicher haben sie schon immer auch Kinder begeistert. Dafür findest du Illustrationen für Kinder an Stellen, wo du vielleicht nicht damit rechnest wie zum Beispiel vor der Eroberung Jerichos durch Josua. Als das Volk Israel trockenen Fusses durch den Jordan gezogen ist, bauen sie nämlich ein Bilderbuch der besonderen Art. Zwölf Mann holen dafür grosse Steine aus dem Fluss und richten sie am Ufer als Denkmal auf, während Josua ihnen erklärt: «Wenn eure Kinder künftig fragen und sagen werden: ‹Was haben diese Steine für euch zu bedeuten?›, so sollt ihr ihnen sagen, dass das Wasser des Jordan vor der Bundeslade des Herrn abgeschnitten wurde; als sie durch den Jordan ging, sind die Wasser des Jordan abgeschnitten worden; so sollen diese Steine den Kindern Israels zu einem ewigen Gedenken dienen!» Das ist viel mehr als eine Gutenachtgeschichte, es holt Gottes Handeln mit den Menschen mitten in die Welt der Kinder herein.

Mehr als David und Goliath

Die Bibel ist kein Kinderbuch, aber sie ist offensichtlich ein Buch auch für Kinder. Ein Buch, das die Kleinen genauso wenig aus dem Blick verliert wie andere Alters- und gesellschaftlichen Gruppen. Und viele ihrer Geschichten sind so berührend und bildgewaltig, dass sie schon immer gemalt und erzählt wurden – generationsübergreifend. Wirklich typisch für gute Kinderbücher ist nämlich nicht eine darin verwendete Kindchensprache, sondern dass Kinder (und Erwachsene) darin etwas finden, was ihnen zu Herzen geht, selbst wenn man es nicht sofort erkennt. Wie meint der Fuchs im «Kleinen Prinzen», dem erfolgreichsten Kinderbuch aller Zeiten, dazu noch einmal? «Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.»

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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