Mittwoch, 8. Mai 2024

Bindeglied zwischen Stadt und Volk

Katholische Kirche Bruder Klaus in Bern
Knapp bei Kasse zu sein ist schwierig. Flüchtlinge unter dem Existenzminimum kämpfen mit gesetzlichen Hürden bei der Unterstützung seitens der Fürsorge. Die Katholische Kirche wurde nun als Partnerin für eine Problemlösung beigezogen.

Im reformierten Bern muss man wahrlich die Katholischen Kirchen auf Stadtgebiet etwas suchen, umso mehr ist es ein Privileg, dass die Stadt hier eine Zusammenarbeit angestrebt hat.

Es besteht ein finanzielles Dilemma, wenn Flüchtlinge zu wenig Geld für den Alltag haben und sie dies dem Sozialamt melden müssen. Denn sie könnten ihre Aufenthaltsbewilligung aus juristisch-strukturellen Gründen verlieren. Nun konnte die Stadt Bern mit Hilfe der römisch-katholischen Kirche eine Überbrückungshilfe installieren. Sie soll vor allem punktuell und zeitlich begrenzt unterstützen, damit Betroffene nicht in die Armutsfalle rutschen.

Betroffene bevorzugen unabhängige Stelle

Im Januar 2023 startete das Pilotprojekt. 2024 soll es dann durch die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) wissenschaftlich überprüft und evaluiert werden. Dabei soll auch geklärt werden, ob die Zielgruppen erreicht, welche Anschlusslösungen gefunden werden und aus welchen Gründen die Personen Anträge auf Sozialhilfe vermeiden.

Eine der Hauptzielgruppen der Überbrückungshilfen sind Migrantinnen und Migranten. Grund ist, dass gerade für sie der Sozialhilfebezug immer grössere Hürden und auch Risiken mit sich bringt. Seit 2019 ist der Sozialhilfebezug direkt mit dem aufenthaltsrechtlichen Status einer Person verknüpft. Das heisst, Ausländerinnen und Ausländer, die längerfristig viel Sozialhilfe beziehen, müssen damit rechnen, den C- oder B-Ausweis zu verlieren oder zurückgestuft zu werden.

Die Auslagerung an eine unabhängige, nicht-staatliche Stelle war auch ein bewusster Entscheid, um der verbreiteten Angst der Betroffenen vor behördlichen Stellen Rechnung zu tragen.

Beispiel einer Bezüger-Familie

Herr G. ist seit 2005 in der Schweiz. Er war langjährig in der Gastronomie tätig und hat seit seiner Einreise in die Schweiz nie Sozialhilfe bezogen. Seine Frau reiste 2015 in die Schweiz ein. Auch sie war seit ihrer Einreise in die Schweiz in der Gastronomie tätig, beide mit Festanstellungen. Aufgrund der Corona-Krise wurde beiden die Arbeitsstellen gekündigt. Herr G. fand daraufhin eine Stelle in der Lebensmittelproduktion. Doch auch da erhielt er die Kündigung, sodass er seit Januar 2023 arbeitslos ist und ALV bezieht. Seine Frau hat im September 2022 ihr zweites Kind geboren. Sie hat inzwischen eine Stelle im Stundenlohn bei McDonald gefunden, da verdient sie ca. Fr. 600.–.

Die vergangenen Jahre, mit Corona-Krise und Verlust der Arbeitsstellen, waren für die Familie schwierig zu bewerkstelligen. Eine Steuerrechnung und hohe Gesundheitskosten führten dazu, dass die Familie nicht mehr alle Rechnungen bezahlen konnte. Hinzu kam, dass der ältere Sohn vom Kindergarten wieder in die Kita zurückgestuft wurde, weil Sprachkenntnisse und Entwicklung für den Kindergarten noch nicht reichen. Die Kitakosten belasten das Budget der Familie zusätzlich.

Die Sozialberatung der Katholischen Kirche ist nun daran, im Umgang mit diesen Schulden eine Lösung zu finden. Beide Elternteile sind intensiv auf Stellensuche. Sollte es bis im Sommer nicht klappen mit einer Arbeitsstelle, ist vermutlich der Gang zum Sozialdienst unumgänglich. Dies möchte die Familie aber um jeden Preis verhindern.

Bern setzt auf die Kirche

Mathias Arbogast, Leiter Fachstelle Sozialarbeit FASA

«Das Projekt sieht eine niederschwellige Hilfe für armutsbetroffene Menschen vor, die keine Sozialhilfe beziehen. Es ist für uns überaus erfreulich und ein Zeichen grossen Vertrauens, dass die Stadt letztlich die Katholische Kirche mit der Durchführung des Pilotprojekts beauftragt hat», so Mathias Arbogast, Mitarbeiter «Fachstelle Sozialarbeit» der katholischen Kirche im Stadtgebiet Bern, und ergänzt: «Es will den Lebensbedarf für Wohnen, Essen, Kleidung und Gesundheit sichern und umfasst zudem eine Kurzberatung. Die Soziale Arbeit ist einer der drei Grundaufträge der Katholischen Kirche – neben der Verkündigung und dem Feiern von Gottesdiensten.»

Beitrag zum Stadtleben und erfreulicher Start

Mathias Arbogast resümiert freudig: «Das Projekt ist sehr gut gestartet! Dank einer guten Bewerbung des Angebots und einer sehr niederschwelligen Ausgestaltung des Zugangs zum Angebot, haben uns viele Anfragen erreicht. Aktuell konnten bereits ca. 50 Gesuche bewilligt werden. Wir können also von einem sehr erfolgreichen Projektstart sprechen! So sind wir überzeugt, dass wir im Rahmen dieser Kooperation unseren Beitrag zur sozialen Teilhabe von Menschen in prekären Lebenslagen und zu einer sozial engagierten Stadt leisten können.»

Zur Webseite:
Katholische Kirche Bern

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Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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