Ist das der gleiche Charlie Kirk?
Donald Trump verlieh Charlie Kirk posthum die Freiheitsmedaille in einer Zeremonie am Dienstag, Kirks 32. Geburtstag. Die Medaille, die auf Geheiss des Präsidenten verliehen wird, ist die höchste Auszeichnung, die die US-Regierung einem Zivilisten zukommen lässt. Kirk hatte als überzeugter Trump-Verbündeter viele junge Amerikaner dazu inspiriert, sich in der konservativen Politik zu engagieren.
«Er verlor nicht gerne»
Präsident Trump charakterisierte den Gründer von «Turning Point USA» erneut anders als dessen Witwe, Erika Kirk, es tat. Sie nahm den Preis stellvertretend für ihren Mann entgegen. Trump beschrieb Kirk als harten politischen Kämpfer, der «nicht gerne verlor». «Ich hörte, dass er seine Feinde liebte. Und ich sagte: 'Moment mal, ist das derselbe Charlie, den ich kenne?' Ich bin mir nicht sicher. Aber ich wollte mich darauf nicht tiefer einlassen», sagte Trump und bezog sich dabei auf Kirks Gedenkfeier vom 22. September.
In ihrer Trauerrede damals hatte Erika Kirk dem Mörder ihres Mannes vergeben und gesagt, Charlie habe das Beste für diejenigen gewollt, die gegen ihn waren. Trump erklärte in seiner Rede, er habe nicht die gleiche Einstellung; er «hasse» seine Gegner.
Bei der Verleihung der Medaille bekräftigte Erika Kirk noch einmal Charlies Haltung gegenüber politischen Gegnern. «Erstaunlicherweise hat er wirklich für seine Feinde gebetet, was sehr schwer ist, aber er hat es getan», sagte Erika Kirk bei der Zeremonie. «Ich habe ihn dabei gesehen. Er hat es nie vor anderen getan, aber ich kann das bezeugen.»
Wenn das Evangelium den Kürzeren zieht
John Fea, Historiker an der Messiah University, erklärte, Erika Kirks «Bereitschaft, dem Mörder ihres Mannes zu vergeben, ist das, worum es im Evangelium geht. ... Sie hat bei der Gedenkfeier auf wunderbare Weise das Herz Jesu Christi gezeigt.»
Fea sagte, er habe bei anderen Politikern den Impuls gesehen, «ein Lippenbekenntnis zur Beendigung politischer Gewalt abzulegen, während sie weiterhin das Spiel der Schuldzuweisung spielen». Er nannte die Äusserung des Präsidenten, dass er seine Gegner persönlich hasse, ein eindrucksvolles Beispiel: «In Trumps Verschmelzung von evangelikalem Christentum, Nationalismus und MAGA-Politik siegen die beiden letzteren über das Evangelium.»
Evangelikale «hin- und hergerissen»
Während einige Evangelikale Kirks öffentliches Zeugnis lobten und den jüngsten Anstieg der Kirchenbesucherzahlen auf sein Vermächtnis zurückführten, verurteilten andere (einschliesslich afroamerikanischer Geistlicher) seine Ermordung, kritisierten aber bestimmte Aussagen von Kirk.
Fea bemerkte, dass Kirks christliche Fans offenbar von der Haltung seiner Witwe «hin- und hergerissen» sind: «Sie loben sie dafür, dass sie dem Schützen Vergebung anbietet, aber ihre Social Media Feeds sind voll von Wut gegen die 'Linke', die ihrer Meinung nach für seine Ermordung verantwortlich ist.»
«Dafür hat er gekämpft»
Zu den Teilnehmern der Medaillen-Verleihung am Dienstag gehörten Vizepräsident JD Vance, mehrere Kabinettsmitglieder und konservative Medienpersönlichkeiten wie Sean Hannity und Tucker Carlson, Jack Posobiec und Benny Johnson. Verschiedene bekannte Pastoren waren anwesend, darunter Greg Laurie von Harvest Christian Fellowship und James Kaddis von Calvary Chapel Signal Hill. Laurie sagte in den sozialen Medien, dass ein Kreuz auf der Rückseite der Medaille eingraviert sei, «in Anerkennung von Charlie Kirks starkem Glauben an Christus».
Präsident Trump sprach während der Preisverleihung über die Geopolitik im Nahen Osten, die Grenze zwischen den USA und Mexiko, die Präsidentschaftswahlen 2024 und das missglückte Attentat auf ihn. Erika Kirk ihrerseits dankte Trump für die Anerkennung «eines Lebens, das für die Verteidigung der Freiheit gelebt wurde... Dafür hat Charlie bis zu seinem letzten Atemzug gekämpft.»
Kommentar
«Feinden vergeben oder Gegner hassen?» Die Reaktionen von Erika Kirk einerseits und Donald Trump andererseits zeigen, wie schwierig es ist, mit dem Evangelium Politik zu machen. Das Thema ist komplex: Heisst «Vergeben» gleichzeitig «akzeptieren»? Erika Kirks «Vergebung» bezog sich ja auf den Mörder ihres Mannes und bedeutet sicher keine Akzeptanz gegnerischer Positionen, denn sie will ja Charlies politischen Kampf weiterführen. Charlie Kirk selbst mag einige unappetitliche Aussagen gemacht haben (bei denen immer der Kontext zu beachten ist), aber generell war er als fairer Diskussionspartner bekannt, was auch seine Gegner bescheinigen. Das kann durchaus seinen Grund darin haben, dass er auch für seine Gegner betete.
Es ist zu hoffen, dass Erika Kirk einen Ton und einen Stil findet, der bei aller nötigen Auseinandersetzung doch den Geist Jesu Christi – der übrigens auch nicht immer nur «lieb» war – widerspiegelt. Die politische Meinung eines Gegners kann man nicht «vergeben», das ist nur bei persönlicher Schuld möglich. Aber man kann ihm in einer Art und Weise begegnen, die frei von Bitterkeit und Hass ist. – Reinhold Scharnowski
Zum Thema:
Anders als erwartet: In die falsche Schublade gesteckt
31-jähriger Charlie Kirk: Evangelikaler Trump-Unterstützer erschossen
Erika Kirk: «Auf Hass soll man nicht mit Hass reagieren»