Mehr als Kinder taufen

Taufe von Erwachsenen
Die Zugehörigkeit zur Landeskirche funktioniert über die Taufe. Getauft werden Kinder. Und zwar immer weniger. Doch der Weg zum Glauben kann auch «erwachsener» aussehen.

Seit wenigen Jahren gibt es in evangelischen Landeskirchen das Format einer «Taufe to go» (Livenet berichtete). Es sieht so aus, dass Pfarrpersonen bereitstehen und ohne grosse Vorbereitungen Menschen taufen, die das möchten. Die Vorlage eines Ausweises reicht. Was bei den einen für Begeisterung und bei anderen für Kritik sorgt, ist aber gar nicht so spontan, wie es aussieht: jedenfalls nicht aus der Perspektive der Täuflinge. Die tragen sich meistens schon länger mit dem Gedanken. Allerdings sind es – zumindest in deutschen Landeskirchen – nur wenige Erwachsene, die auf diese Weise ihren Weg in eine Kirche und vor allem hin zum Glauben an Christus unterstreichen.

Ist der Zug abgefahren?

Nicht erst seit der letzten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) wird der Abgesang auf Kirche wieder einmal lauter: Kirchenmitglieder insgesamt befinden sich in Deutschland bereits in der Minderheit. Immer mehr Menschen treten aus – immer weniger kommen dazu. Diese Entwicklung sei bereits nicht mehr umkehrbar, heisst es. Denn es ist klar: Wer selbst den Bezug zur Kirche verloren hat oder im Protest ausgetreten ist, wird sein Kind nicht fröhlich in diese Kirche hinein taufen lassen. So schrumpfen die Landeskirchen längst nicht nur um den Faktor der Austretenden. 

Dass es in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 2024 «nur» 3,2 Prozent weniger Mitglieder als im Jahr davor gab, täuscht deshalb. Rein rechnerisch wird diese Zahl von nun an jährlich steigen – und zwar nicht nur linear. Was den Eintritt in die Landeskirche dokumentiert, ist die Taufe, die traditionell fast nur an Kindern vollzogen wird. 110'000 waren es im letzten Jahr in Deutschland, 26'000 weniger als im Jahr zuvor. In den letzten Jahren stieg die Rate der erwachsenen Täuflinge zwar leicht an – nicht zuletzt durch Geflüchtete, die die Religionsfreiheit dazu nutzen konnten, sich taufen zu lassen –, aber fast alles, was die grossen Kirchen an Information oder Werbung für Taufe herausgeben, richtet sich an Familien und bezieht sich auf Kinder. Die unterschwellige Botschaft scheint zu sein: Wenn du über 14 Jahre alt und ungetauft bist, dann ist hier kein Platz für dich. Ein fatales Signal!

Impulse aus Frankreich und England

Parallel dazu kommen aus anderen europäischen Ländern Nachrichten, die überraschen. In der katholischen Kirche in Frankreich und Belgien, die vor ähnlichen Herausforderungen wie ihre deutschsprachigen Schwesterkirchen steht, wurden in der Osternacht 2025 rund 18'000 Personen getauft, immerhin 45 Prozent mehr als im Vorjahr, das auch schon einen Rekord zu verzeichnen hatte. Bei einer Nation mit ca. 40 Millionen Kirchenzugehörigen ist dies keine völlige Kursumkehr, aber für Erzbischof Olivier de Germay laut katholisch.de trotzdem ein «Zeichen des Himmels». 

Die meisten Täuflinge waren dabei Erwachsene. Ähnliche Erfahrungen gegen den Trend macht gerade die britische Kirche, in der besonders junge Männer wieder oder zum ersten Mal Gottesdienste besuchen und sich – als Erwachsene! – für ein Leben mit Jesus interessieren. Dort sind es nicht ein paar Tausend, sondern über zwei Millionen Menschen. Reinhold Scharnowski bezeichnet diesen Trend als Übergang «vom Kultur- zum Überzeugungschristentum». Diesen Schritt sind deutschsprachige Kirchen offensichtlich noch nicht gegangen.

Erwachsen glauben funktioniert auch!

Die Impulse aus Europa zeigen, dass Kirche nicht vor der unveränderlichen Situation steht, von drei Seiten «aufgefressen» zu werden: die Alten sterben, die Jungen werden nicht mehr getauft und das Mittelalter kündigt. Tatsächlich scheint es möglich, Menschen in dem Alter zu gewinnen, in dem sich viele aus der Kirche verabschieden, weil ihre Mitgliedschaft als erwachsene Verdiener plötzlich etwas kostet. Wenn Christinnen und Christen nach wie vor an ihr Angebot glauben – also das Gute in der guten Nachricht ernst nehmen –, dann tun andere erwachsene Menschen das offensichtlich auch. Dann entdecken sie wie in England hilfreiche soziale Projekte und sinnstiftende Gemeinschaft rund um die Bibel. Wenn Landeskirchen hier weiterhin auf ein Kulturchristentum setzen, das über die fast automatische Taufe an die jeweils nächste Generation weitergegeben wird, haben sie bereits verloren. Aber erwachsen glauben funktioniert auch! Französinnen und Franzosen gehen bewusst als Erwachsene zur Taufe. Engländerinnen und Engländer treffen die persönliche Entscheidung, als Erwachsene auf Gott zu vertrauen. Auf diese Weise Menschen zu gewinnen, nannte man mal Evangelisation. Scheinbar funktioniert es immer noch…

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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