Frühe christliche Konvertiten aus Äthiopien
Forscher der Israelischen Altertumsbehörde IAA und der Universität zu Köln berichten, dass zwei der Ebenholzfiguren – je ein Mann und eine Frau mit deutlich afrikanischen Gesichtszügen – möglicherweise die ersten ihrer Art sind, die bislang in Israel, Jordanien oder der umliegenden Region identifiziert wurden.
Die Gräber stammen aus dem 6. oder 7. Jahrhundert nach Christus und wurden in Tel Malḥata entdeckt, einer antiken Siedlung nahe der Luftwaffenbasis Nevatim im Nordosten der Negev-Wüste.
Herkunft aus Äthiopien möglich
«Es scheint, dass die Figuren Ahnen und keine Gottheiten darstellen. Falls dem so ist, könnten die Verstorbenen äthiopischer Herkunft gewesen sein und entweder selbst oder ihre Vorfahren zum Christentum konvertiert und in den Negev gezogen sein», heisst es in dem Bericht. «Es ist bekannt, dass Äthiopier in vielen Teilen der griechisch-römischen Welt lebten. Daher ist es denkbar, dass die Verstorbenen aus Äthiopien stammten und nach Tel Malḥata zogen.»
Der Archäologe Noé D. Michael bezeichnete den Fund als aussergewöhnlich für die Region, da bislang keine vergleichbaren Figuren aus solch exotischem Holz im Gebiet der Levante dokumentiert wurden. Die detailliert geschnitzten Anhänger aus schwarzem Ebenholz mit afrikanischen Gesichtszügen seien einzigartig. «Soweit wir wissen, wurden solche Figuren bisher weder in Israel noch in Jordanien oder im weiteren Umfeld entdeckt», sagte Michael der «Times of Israel».
Übliches Grab für Christen
«Da die Gräber nahe beieinander lagen und ähnliche Beigaben enthielten, gehen wir davon aus, dass es sich vermutlich um Mutter und Kind handelte. Leider konnten wir keine DNA aus den Knochen extrahieren, um dies zu bestätigen.»
Das antike Gräberfeld von Tel Malḥata, das zahlreiche Gräber aus verschiedenen Epochen beherbergt, wurde durch diesen Fund besonders hervorgehoben: Fünf Figuren – drei aus Knochen, zwei aus Ebenholz – lagen in den Gräbern von zwei Frauen und einem Kind, so das Magazin «Smithsonian».
Das verwendete Ebenholz wurde von Experten der Universität Tel Aviv als Diospyros ebenum identifiziert – ein Baum, der in Südindien und Sri Lanka heimisch ist. Die drei Gräber waren typische sogenannte Kistengräber – steingefasste Grabkammern, wie sie im christlichen Bestattungswesen üblich waren.
Vermutlich Mutter und Kind
In einem Grab lag eine Frau im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, bestattet mit zwei Alabastergefässen, Bronzeschmuck und zwei Figuren – je eine aus Knochen und eine aus Ebenholz. In einem weiteren Grab befand sich ein Kind zwischen sechs und acht Jahren, ebenfalls mit ähnlichen Grabbeigaben, darunter eine weitere Ebenholzfigur. Das dritte Grab gehörte einer jungen Frau im Alter von 18 bis 21 Jahren und enthielt Glasgefässe, ein Bronzearmband und eine Knochenfigur in weiblicher Gestalt.
Die stilistische und materielle Übereinstimmung der Ebenholzanhänger in den Gräbern von Frau und Kind legt laut den Forschern eine familiäre Beziehung nahe – vermutlich Mutter und Kind.
Nach Konversion behalten
Während Knochenfiguren in der Region seit der Jungsteinzeit für häusliche Rituale und Bestattungen üblich waren, gelten Ebenholzschnitzereien als extrem selten. Die kleinen Bohrungen an den Figuren deuten darauf hin, dass sie als Anhänger getragen wurden.
Obwohl die Bestattungen christlich geprägt waren, könnten die Figuren laut den Forschern Ausdruck fortbestehender kultureller Traditionen gewesen sein – Erinnerungsstücke an Ahnen und Identität, die selbst nach der Konversion beibehalten wurden.
Christentum bereitete sich in Region aus
Die Forscher verweisen darauf, dass sich das Christentum im 6. Jahrhundert unter dem äthiopischen Kaiser Justin I. ausbreitete. Die Funde könnten demnach auf Personen aus Äthiopien oder dem Horn von Afrika hindeuten, die durch bestehende Handels- und Pilgernetzwerke in die Region gelangten.
Da keine verwertbare DNA extrahiert werden konnte, bleibt die geografische Herkunft der Verstorbenen spekulativ. Dennoch deuten der afrikanische Stil der Ebenholzfiguren, das christliche Bestattungsritual und der historische Kontext des Handels darauf hin, dass es sich um frühe christliche Konvertiten aus Äthiopien gehandelt haben könnte.
Die Archäologen dokumentierten zudem ein auffälliges Muster bei den Grabbeigaben: Während die meisten Frauen mit Gefässen, Schmuck oder Figuren bestattet wurden, fanden sich solche Beigaben bei nur zwei Männern – beide offenbar älter und wohlhabend.
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