Irakischer Christ im Rollstuhl in Lyon getötet
Der irakische Christ Ashur Sarnaya (45) wurde am vergangenen Mittwoch am Eingang seines Wohnhauses im Stadtteil Gorge de Loup in Lyon mit einer Stichwaffe getötet. Ashur Sarnaya war gerade live in den sozialen Netzwerken, als er angegriffen wurde, berichteten Angehörige der französischen Nachrichtenagentur «AFP».
Nach deren Angaben machte Ashur Sarnaya regelmässig abends Lives, in denen er über den christlichen Glauben sprach. In einem Videoausschnitt, den die «AFP» einsehen konnte und der am Donnerstagmorgen noch online war, sieht man das Opfer – von Angehörigen identifiziert – mit blutigem Gesicht, sichtbar blutend aus Nase und Mund. Die Rettungskräfte, die kurz vor 22.30 Uhr gerufen wurden, fanden ihn mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand und konnten ihn nicht wiederbeleben, teilten die Feuerwehrleute mit.
«Eine verletzliche Person im Rollstuhl»
Den ersten Ermittlungsergebnissen zufolge wartete ein Mann auf ihn und stach ihm mit einer bislang nicht näher beschriebenen Stichwaffe in den Hals. Der Täter floh anschliessend zu Fuss. Ein Zeuge zeigte der «AFP» ein Video einer Person von hinten, dunkel gekleidet und mit Kapuze, die er als den Täter bezeichnete.
Das Opfer war «jemand sehr diskretes, anständiges», erklärte der Hausmeister des Gebäudes. Eine andere Hausbewohnerin sagte: «Er war eine verletzliche Person, im Rollstuhl, die nicht gehen kann. Er war ein Nachbar ohne Probleme, der mit niemandem sprach.» Nachdem sie «so etwas wie einen Streit» gehört hatte, sei ihr Mann hinuntergegangen und habe dem Opfer geholfen. Ihr irakischer Nachbar «bekam einen Schlag mit einer Machete im Bereich der Halsschlagader», sagte sie. Andere Bewohner des Hauses sprachen von einem «Säbel».
Nachbarn fassungslos
Nach Angaben seiner tief erschütterten Nachbarn lebte das Opfer seit mindestens zehn Jahren mit seiner Schwester in diesem Gebäude. Seine Schwester sagte gegenüber lokalen Radios «RMC» und «BFM Lyon»: «Ashur war ein ganz normaler Mensch. Er machte Lives auf TikTok, um Gottes Wort zu verbreiten. Er hatte keine Feinde und kein Problem mit irgendwem.»
Freunde, die den TikTok-Live ihres Bruders sahen, hatten sie benachrichtigt. «Ich war einkaufen, und als ich zurückkam, sah ich, dass all meine Freunde mich mehrmals angerufen hatten. Sie sagten mir, ich solle nachsehen, was passiert sei. Als ich ankam, war er tot. Er lag am Boden, überall Menschen, die Polizei, die Feuerwehr...»
«Sicherheit unerlässlich»
In einer Mitteilung verurteilte das französische Hilfswerk «Œuvre d’Orient» «mit grösster Entschlossenheit die Ermordung eines irakischen Christen in einer Situation der Verletzlichkeit» und erklärte, man erwarte «so schnell wie möglich die Ergebnisse der Ermittlungen. Es ist unerlässlich, dass Christen im Nahen Osten in aller Sicherheit von ihrem Glauben zeugen und würdig leben können» und versicherte «der Familie und der irakischen Gemeinschaft in Frankreich sein ganzes Mitgefühl».
Ashur Sarnaya stammte laut «Le Parisien» aus dem irakischen Kurdistan. Er lebte früher in Ankawa, «einer der grössten christlichen Gemeinden des Nahen Ostens», so SOS Chrétiens d’Orient. Weiter erklärt das Werk: «Ashur Sarnaya ist vor der Verfolgung des Islamischen Staates geflohen und er hat mit seiner Schwester in Lyon Zuflucht gesucht.»
«Ein Märtyrer»
Eine Cousine schrieb bei Facebook: «Er verbrachte seine letzten Augenblicke genau mit dem, was er liebte: Das Evangelium zu verkünden. Für mich ist er ein Märtyrer, und sein Glaube wird immer eine Inspiration sein.»
Auf seinem Kanal mit dem Namen «Ashur love» wählte der Christ als Profilbild ein silbernes Kruzifix. Die Beschreibung ist schlicht: «JESUS» in Grossbuchstaben, eingerahmt von Herz-Emojis. In einem der wenigen Videos, die nun noch online sind, erklärt Ashur Sarnaya, dass seine Inhalte blockiert und seine Konten gesperrt würden – seiner Meinung nach wegen Meldungen muslimischer Nutzer. Er sprach zudem von anonymen Anrufen.
«Das Böse folgte ihm in sein zweites Land»
Eine Assyrerin aus dem Irak schrieb in den sozialen Netzwerken: «Ashur floh aus dem Irak, um gesegnet zu werden und die Botschaft des Friedens durch seinen Glauben an Jesus Christus der ganzen Menschheit zu überbringen. Doch das Böse hat den Auswanderer in sein zweites Land, Frankreich, verfolgt.»
Der Verdächtige ist weiterhin auf der Flucht, und die Staatsanwaltschaft von Lyon hat eine Untersuchung wegen vorsätzlicher Tötung eingeleitet. «In diesem Stadium bevorzugen wir keine bestimmte Hypothese, nichts weist uns auf eine konkrete Spur hin, ob kriminell, politisch, religiös oder mit Drogen verbunden», präzisierte eine Polizeiquelle gegenüber der «AFP».
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