Sonntag, 5. Mai 2024

«Jedes Leben hat die Chance, etwas Schönes zu werden»

Esau McCaulley
Er ist Kolumnist bei der «New York Times» und Professor für Neues Testament am Wheaton College: Esau McCaulley. Einer seiner grössten Kämpfe war, die Abdankungsfeier für seinen Vater zu halten, der ihn verlassen hatte, als er noch ein Kind war.

«Ich bin in Huntsville aufgewachsen», erinnert sich Pastor Esau McCaulley. «Ich wuchs im Schatten der Bürgerrechtsbewegung auf; viele dieser Menschen waren meine Helden.»

Er wurde von einer alleinerziehenden Mutter aufgezogen. «Als wir jünger waren, bekam sie einen Gehirntumor, der sie arbeitslos und arbeitsunfähig machte.» Sein Vater und der Grossvater waren Pächter. Die meisten Landbesitzer waren weiss. «Sie beuteten die Pächter aus und zahlten keine fairen Löhne. Meine Mutter sagte mir immer: ‘Wenn du dahin kommst, wo du hinwillst, vergiss nicht, wo du herkommst.’»

Vater durch Trauerrede kennengelernt

Esau McCaulley kannte seinen Vater nicht. «Er ging im Gefängnis ein und aus, ich wusste nicht viel über ihn. Im Jahr 2017 erhielt ich mitten in der Nacht einen Anruf, in dem mir mitgeteilt wurde, dass mein Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei. Er war Lastwagenfahrer in Kalifornien.»

Bald wurde klar, dass Esau McCaulley die Trauerrede halten würde. Als Geistlicher gehe es darum, die Geschichte ehrlich wiederzugeben. «Du kannst nicht lügen, aber du musst die Geschichte dieser Person mit den umfassenderen Absichten Gottes verbinden.» So setzte er sich mit den anderen Familienmitgliedern zusammen, um die Geschichte seines Vaters zu erfahren. «Ich ging durch den Prozess des Kennenlernens meines Vaters, als ich mich darauf vorbereitete, seine Trauerrede zu halten.»

Er lernte eine Person kennen, die sich etwas von seiner eigenen Wahrnehmung unterschied. «Das gab mir den Raum, etwas Gnade zu haben, denn in jeder Trauerrede steckt sowohl Ehrlichkeit als auch Empathie.» Er sah, dass sein Vater seine eigenen Kämpfe gehabt hatte. «Das gab mir den Mut, die Wahrheit zu sagen. Sowohl über seine Sünden als auch über seine Erfolge.»

Als Bösewicht behandeln ist einfach

Es geschehe sehr schnell, dass man den Elternteil ablehnt, wenn man als Kind verlassen wird. «Durch ihre Entscheidungen haben sie dein Leben ruiniert. Doch wenn man älter wird, merkt man, dass man mittendrin in die Geschichte seiner Eltern einsteigt. Sie hatten eine Vergangenheit vor dir, die sie geformt hat.»

Dadurch fand er etwas Raum für Mitgefühl für seinen Vater. «Die gleiche Gnade, die ich den Menschen in meiner Gemeinde erkläre, musste ich auch auf meinen eigenen Vater ausdehnen.»

Jedes einzelne Leben habe die Chance, schön zu werden, sagt Esau McCaulley. «Als Mensch des Glaubens geht man davon aus, dass jedes einzelne Leben heilig ist – dann gibt es kein Leben, das du wegwerfen kannst. Als Christ bin ich davon überzeugt, dass es möglich ist, dass sich jedes menschliche Leben ändert.»

Eine andere Sicht

Ihm breche das Herz, wenn er nach dem Tod von jemandem höre: «Weil diese Person süchtig war, weil diese Person fünfzehn Mal verhaftet wurde, war ihr Leben eindeutig nichts...»

Für Esau McCaulley stellt sich die Frage: «Wie kann das die Art und Weise sein, wie man über einen Menschen denkt, wenn man an einen Gott glaubt, der die Toten auferweckt? Wenn Gott die Toten auferweckt, kann sich das Leben eines jeden Menschen zu jedem Zeitpunkt dramatisch verändern. Jedes einzelne Leben, solange es noch läuft, hat die Chance, etwas Schönes zu werden.»

Definition von Erfolg

Esau McCaulley reflektiert: «Ich denke, wir schulden uns gegenseitig Aufmerksamkeit. Dies mag wie eine relativ kleine Bitte erscheinen, aber bevor man jemandem tatsächlich helfen kann, muss man die Person sehen.»

Zum Beispiel Obdachlose: «Jedes einzelne menschliche Leben ist von Bedeutung. Alle kämpfen darum, diesem Leben einen Sinn zu geben und darum, sich selbst und Gott zu finden. Jede Geschichten ist schön. Aber die Wahrheit ist, dass wir dazu neigen, nur die Geschichten sehen zu wollen, die mit unserer Definition von Erfolg enden.»

Der Autor und Kolumnist kommt zum Schluss: «Gott verlässt sein Volk niemals. Und das ist die gute Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass wir es nicht richtig machen müssen, sondern dass Gott es richtig macht. Und wenn wir ihm vertrauen, werden wir am Ende den Weg nach Hause finden.»

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Autor: Jesus Calling / Daniel Gerber
Quelle: Jesus Calling / gekürzte Übersetzung: Livenet

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